Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 8./9.1926/27
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0392
DOI issue:
1./2. Maiheft
DOI article:Winkler, Friedrich: Der Lemberger Dürerfund
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0392
Herausgeber: iXdOtptl DonQttl
/ahrgang t927
1/2. MaiUcft
Dec tembecgeß Düeeüfund
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|-H igentlich kann von einem „Funde“ nicht gesprochen
werden und Fl. S. Reitlinger. der das Yerdienst hat,
im Märzheft des Burlington Magazine die Aufmerksam-
keit auf den kostbaren Besitz gelenkt zu haben, hat auch
nicht von einem Fund gesprochen. Zu dem Lemberger
Lubomirski-Museum, das im polnischen National-Insti-
tut (Ossolinski-Museum) untergebracht ist, gehört ein
kleines graphisches Kabinett, das u. a. iiber 600
Zeichnungen alter Meister enthält. Alle sind geordnet
und auf Kartons aufgelegt, in einer Weise, an der sich
manches deutsche Kabinett ein Beispiel nehmen könnte.
Die 50 besten Blätter, darunter fast sämtliche altdeut-
schen Zeichnungen, sind vor einigen Jahren in große
Passepartouts gebracht worden, wie überall in gut ge-
leiteten graphischen Sammlungen. Hat es somit die
Verwaltung an dem, was zur Pflege einer Sammlung
nötig ist, in der sich hervorragende Werke von Dürer
und Rembrandt befinden, nicht fehlen lassen, so wirkte
der Hinweis auf die Sammlung doch so sensatione'll, daß
einige Bemerkungen über den Lemberger Kunstbesitz,
die vielleicht nicht unwillkommen sind, unter der Flagge
segeln mögen, unter der Reitlingers Mitteilungen durch
die Tagespresse gegangen sind.
Lemberg besitzt neben einem städtischen Museum,
das nach Art unserer Kunstgewerbemuseen, allerdings
mit einer Bildersammlung als Zugabe, eingerichtet ist,
mehrere vom polnischen Hochadel gestiftete und unter-
haltene Museen. Genannt sei neben dem Lubomirski-
und Ossolinski-Museum das des Grafen Bawärowski, das
uußerdem bei meincm Besuche zugänglich war. Ihr
Schwerpunkt ruht in den Büchereien, polnische Literatur
wird mit Eifer gesammelt. Jedes verfügt über eine
Gemäldegalerie, in denen wie in der städtischen Sarnrn-
lung vor allem die Italiener des 18. Jahrhunderts regel-
rnäßig vertreten sind, doch gibt es im Ossolinski-Museum
auch einen typischen P o u s s i n (Auferweckung
Lazari), einen von Hauser restaurierten T i z i a n
(Bildnis, ziemlich stark nachgedunkelt), einen sehr
großen B e 1 o 11 o (mit vielen Figuren von Bacciarelli)
und einen frühen S c o r e 1, der dem signierten Bilde
von 1521 der Sammlung Binder sehr nahe steht.
Die umfangreichste Galerie ist die im städtischen
Kunstgewerbemuseum, wo zwei schöne Arbeiten von
Maulpertsch, ein P e s n e und eins der seltenen
Gesellschaftsstücke Chodowieckis bewahrt wer-
den. Auch P i a z e 11 a , Seb. Ricci, Amigoni
sind mit einzelnen guten Arbeiten vertreten. Am inter-
essantesten ist eine leider etwas beschädigte oberitalie-
nische Madonna aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Sie ist wohl in der Nachfolge des Gentile da Fabriano
oder Stefano da Zevio entstanden und überrascht durch
die sehr persönliche Anmut in der Bildung der Maria und
des Engels. Kennern dieses Gebietes dürfte es nicht
schwer fallen, den Künstler des überaus sorgsam aus-
geführten Bildes festzustellen. Natürlich trifft man hier
wie anderswo häufig Bilder des in Polen tätigen Baccia-
relli an. Leider sind zwei größere Sammlungen, die
viele Bilder enthalten. in der Uebersiedlung nach
Krakau begriffen.
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1/2. MaiUcft
Dec tembecgeß Düeeüfund
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|-H igentlich kann von einem „Funde“ nicht gesprochen
werden und Fl. S. Reitlinger. der das Yerdienst hat,
im Märzheft des Burlington Magazine die Aufmerksam-
keit auf den kostbaren Besitz gelenkt zu haben, hat auch
nicht von einem Fund gesprochen. Zu dem Lemberger
Lubomirski-Museum, das im polnischen National-Insti-
tut (Ossolinski-Museum) untergebracht ist, gehört ein
kleines graphisches Kabinett, das u. a. iiber 600
Zeichnungen alter Meister enthält. Alle sind geordnet
und auf Kartons aufgelegt, in einer Weise, an der sich
manches deutsche Kabinett ein Beispiel nehmen könnte.
Die 50 besten Blätter, darunter fast sämtliche altdeut-
schen Zeichnungen, sind vor einigen Jahren in große
Passepartouts gebracht worden, wie überall in gut ge-
leiteten graphischen Sammlungen. Hat es somit die
Verwaltung an dem, was zur Pflege einer Sammlung
nötig ist, in der sich hervorragende Werke von Dürer
und Rembrandt befinden, nicht fehlen lassen, so wirkte
der Hinweis auf die Sammlung doch so sensatione'll, daß
einige Bemerkungen über den Lemberger Kunstbesitz,
die vielleicht nicht unwillkommen sind, unter der Flagge
segeln mögen, unter der Reitlingers Mitteilungen durch
die Tagespresse gegangen sind.
Lemberg besitzt neben einem städtischen Museum,
das nach Art unserer Kunstgewerbemuseen, allerdings
mit einer Bildersammlung als Zugabe, eingerichtet ist,
mehrere vom polnischen Hochadel gestiftete und unter-
haltene Museen. Genannt sei neben dem Lubomirski-
und Ossolinski-Museum das des Grafen Bawärowski, das
uußerdem bei meincm Besuche zugänglich war. Ihr
Schwerpunkt ruht in den Büchereien, polnische Literatur
wird mit Eifer gesammelt. Jedes verfügt über eine
Gemäldegalerie, in denen wie in der städtischen Sarnrn-
lung vor allem die Italiener des 18. Jahrhunderts regel-
rnäßig vertreten sind, doch gibt es im Ossolinski-Museum
auch einen typischen P o u s s i n (Auferweckung
Lazari), einen von Hauser restaurierten T i z i a n
(Bildnis, ziemlich stark nachgedunkelt), einen sehr
großen B e 1 o 11 o (mit vielen Figuren von Bacciarelli)
und einen frühen S c o r e 1, der dem signierten Bilde
von 1521 der Sammlung Binder sehr nahe steht.
Die umfangreichste Galerie ist die im städtischen
Kunstgewerbemuseum, wo zwei schöne Arbeiten von
Maulpertsch, ein P e s n e und eins der seltenen
Gesellschaftsstücke Chodowieckis bewahrt wer-
den. Auch P i a z e 11 a , Seb. Ricci, Amigoni
sind mit einzelnen guten Arbeiten vertreten. Am inter-
essantesten ist eine leider etwas beschädigte oberitalie-
nische Madonna aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Sie ist wohl in der Nachfolge des Gentile da Fabriano
oder Stefano da Zevio entstanden und überrascht durch
die sehr persönliche Anmut in der Bildung der Maria und
des Engels. Kennern dieses Gebietes dürfte es nicht
schwer fallen, den Künstler des überaus sorgsam aus-
geführten Bildes festzustellen. Natürlich trifft man hier
wie anderswo häufig Bilder des in Polen tätigen Baccia-
relli an. Leider sind zwei größere Sammlungen, die
viele Bilder enthalten. in der Uebersiedlung nach
Krakau begriffen.
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