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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI Heft:
1./2. Maiheft
DOI Artikel:
Schneider, Arthur von: Die Böcklin-Gedächtnisausstellung der Baseler Kunsthalle
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0412

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|m Februarheft des „Kunstwanderer“ wurde über die
schöne, durch die opferfreudige Initiative Willy F.
Storcks mit Unterstützung des Basler Kunstvereins zu-
stande gekommene Wilhelm Trübner-Gedächtnisausstel-
lung berichtet. Heute gebührt dem Leiter der Basler
Kunsthalle, Wilhelm Barth, vor allem unsere Anerken-
nung für die zweite große Gedächtnisausstellung dieses
Jahres in seiner Heimatstadt, die das Lebenswerk des
Basler Bürgers, Arnold Böcklin, zur Feier seines 100.
Geburtsjahres vereinigt.

Die Sichtung des Materials geschah — nach dem
Vorwort des Katalogs — einmal, um ein Gesamtbild des
Schaffens Böcklins in „Glanz und Tiefe“ auszubreiten;
so dann in der Absicht, möglichst vollzählige Besamm-
iung des Basler und Schweizer öffentlichen wie privaten
Besitzes“. Auf diese Weise wurde auch eme große An-
zahl unbekannter oder sclnver zugäng'licher Stücke von
hervorragender Qualität für die Dauer der Ausstellung
der Betrachtung und dem Studium erschlossen. Daß
daneben die großen Sammlungen Deutschlands, vor
allem die Nationalgalerie, die Schackgalerie und die
Bayerischen Staatsgemäldesammlungen ihren berühm-
ten Besitz nicht vorenthielten, empfand die Ausstellungs-
leitung und das Schweizer Publikum sicher als freund-
schaftlich nachbarliche Gesinnung. Endlich schien Wert
darauf gelegt zu sein, das Schaffen Böcklins auch in einer
Peihe von schönen farbigen Skizzen zu repräsentieren.

Angenehm berührt die Anordnung der Gemälde: sie
erfolgte, abgesehen von zwei kleinen Zimmern des
Untergeschosses, wo die frühesten Werke des Ktinst-
lers zusammengestellt wurden, nicht streng chronolo-
gisch nach eutwicklungs,geschichtlichem, sondern nach
rein dekorativem Prinzip, das Gegenständlichkeit, Größe
und Ergänzung der einzelnen Bilder zu farbiger Gesamt-
haltung berücksichtigt. Am besten gelungen: der große
Saal des Obergeschosses mit großfigurigen, mytholo-
gischen und religiösen Gemälden, lebensgroßen Porträts
und Monumentallandschaften des „populären“ Böcklin;
ferner: der kleine Raum nebenan, der in seiner Intimität
die kleinen und kleinsten arkadisch-bukolischen Bifder
des Künstlers in überraschender Stimmungseinheit zu-
sammenschließt. Gegen diese Art des Hängens läßt
sich allerdings einwenden, daß Bilder, die isoliert nicht
vor der Kritik bestehen können, in einer bestimmten
Nachbarschaft an Reiz gewinnen, ja oft über empfindliche
Mängel hinwegtäuschen, wie dies etwa bei der weniger
geglückten, farbigen und kompositionellen Lösung der
„Triton und der Nereide“ der Schackgalerie (Nr. 94)
gegenüber dem Gemälde gleichen Inhalts der National-
galerie vom Jahre 1875 (Nr. 98) der Fall ist.

Günstig wirkt auf das Gesamtbild der Ausstellung
auch die durch die gegebenen Raumverhältnisse zwangs-
'läufig bestimmte Beschränkung der Auswahl aus dem

großen Werk Böcklin auf etwa 150 Gemälde. Ein
wesentliches „Mehr“ würde m. E. den derart konzen-
trierten Eindruck abschwächen. Der impressionistischen
Periode können jedenfalls nicht gar viele importante
Stücke hinzugefügt werden, seine „populäre“ Malerei
mit Einschluß der flächenhaften „mosaikartigen“ Alters-
werke ist nach ihrer Bedeutung im Gesamtoeuvre genü-
gend breit vertreten. Hier wäre sogar ein Verzicht auf
eine Reihe Bilder, die als Ersatz für schmerzlich empfun-
dene Absagen eingestellt wurden, zu Cmnsten einer ge-
rechten Würdigung seiner Kunst denkbar.

Eine kritische Betrachtung der Kunst Böcklins wird
ein Vierteljahrhundert nach seinem Tode naturgemäß
zu anderen Resultaten kommen, als etwa eine Wertung
vom zeitgenössischen, rein impressionistischen Stand-
punkt aus. Wir können hier nur einige formale Gesichts-
punkte herausheben, während die Frage der geistigen
Einstellung, der Welt- und Naturanschauung des Künst-
lers unerörtert bleiben muß. So scheint uns die Ueber-
gangsperiode zwischen den klassischen — ich meine
damit jeder ästhetischen Diskussion entrückten — frühen
Werk Böcklins und seinem leider bis zum Ueberdruß
reproduzierten und banalisierten Monumentalstil eine
ganze Reihe von Gemälden zu enthalten, deren hohe
Oualität die Basler Schau besonders deutlich macht. Es
ist dies. die Zeit von etwa 1862 bis zur Mitte der 70iger
Jahre; die Zeit, in welcher sich die flecken- und stilleben-
haft der vegetativen Umgebung untergeordnete Staffage
zu größerem Eigenleben verfertigt, ja als Idylle gleicli-
berechtigt neben die Landschaft tritt, deren Silhouette
jetzt auch kompositionell stärker mitklingt. Im Ueber-
gang zu dieser Periode: die prachtvolle, thematisch und
in der Bewegtheit der Mittelgruppe an Rubens Kompo-
sitionsstil gemahnende „Jagd der Diana“ des Basler
Museums (Nr. 40), recht glücklich zwischen dem kleinen,
sonnendurchfleckten „Panischen Schrecken“ der
Schackgalerie (Nr. 35) und der eigenartigen, durch das
fahle Grün der wild wuchernden Vegetation gespenster-
haft wirkenden „Verlassenen Venus“ aus Crefelder
Privatbesitz (Nr. 51) eingefügt. Das charakteristischste
Beispiel der antikisierenden, auf strenge Silhouette kom-
ponierten Landschaft: die „Villa am Meer“ der Schack-
galerie vom Jahre 1865 (2. Fassung, Nr. 50); das be-
zeichnendste Stück beginnender Tektonisierung der
menschlichen Gestalt innerhalb eines landschaftlichen
Rahmens: die berühmte großfigurige Idylle „Klage des
Hirten“ der Schackgalerie (Nr. 56). Verblüffend in sei-
ner reinen Sachlichkeit das' „Forum des Nerva“ der
Galerie E. A. Fleischmann (Nr. 46): eine Architektur-
vedute im Stile Panninis zu Anfang der Uebergangs-
periode. Außergewöhnlich reizvoll — wie alles Frag-
mentarische bei Böcklin — erscheinen ferner die skiz-
zenhaft angelegten kleinen Idyllen dieser Epoche: zwei

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