Das Pt’OütnEiatmufeum m Hannooec naeb feinet?
Reot’ganifatton
oon
Alfücd Kul)n
PV ie meisten Leute, die ehemals das Provinzial-
museum in Hannover besucht haben, werden sicli
eines riesigen Gebäudes entsinnen, das bis oben voll-
gestopft war mit Bildern und Skulpturen, alles wahllos
zusammengepackt und übereinandergehängt, Gutes und
Schlechtes, rein historisch Interessantes neben künstle-
risch Wertvollem. Getrennt im halbdunklen Haupt-
geschoß die historische Sammlung des Welfenmuseums
und der Provinz; getrennt im Obergeschoß die Cumber-
land-Fideikommißgalerie; getrennt die Bildersammlung
der Provinz und des Vereins für die öffentliche Kunst-
sammlung. Die Masse des Minderwertigen erdrückte
das Gute. Nirgends ein faßbares Prinzip der Aufstel-
lung, sei es ein historisches, sei es ein ästhetisches.
Der neue Direktor, Dr. Dorner, der im November
1922 an die Spitze der Kunstsammlungen trat, über-
nahm damit die schwierige, wenn auch dankbare Auf-
gabe, eine Neuordnung von Grund auf zu vollziehen. Die
Säuberung der Fideikommißgalerie wurde unnötig durch
die plötzliche Kündigung des Leihvertrages von Seiten
des Herzogs im Juli 1924. Mancherlei ist dabei dem
Museum entzogen worden. Der Herzog behielt einige
schöne Stücke für sich, mehreres konnte dem Kunsthan-
del abgerungen werden, vieles wurde ohne Kampf dem
Staate erhalten. Ob im Uebrigen bei der Auseinander-
setzung, bei der eine ganze Reihe wertvoller Sachen dem
Staate entgingen, die Interessen des Museums hätten
besser gewahrt werden können, entzieht sich dem Urteil
des Außenstehenden in einem Maße, daß hierauf an die-
ser Stelle nicht eingegangen werden kann. Daß das
große Prinzenporträt Eduards VI. an England über-
ging, ist an und für sich bedauerlich, aber es
kann dem Landtag nicht vorgeworfen werden, die
1 250 000 Mark für den Ankauf nicht bewilligt zu
haben, da innerpolinsche Gründe dagegen sprechen
mußten. Von den Bildern, die die Provinz für
sich erwerben konnte, seien angeführt zwei Altäre von
Raphon, zwei Altarflügel und zwei Gemälde von Cra-
nach, von Holbein das Bild des Erasmus von Rotterdam.
Von den Niederländern Bilder van Aachen, van
Bassen, Bloemaert, Brill, Bylert, Beyeren, drei Bilder
des Samt-Breughel, Bilder von Berchem, Cuyp, Dujar-
din, Everdingen, van Gelder, van Goyen, Goltzius, Dirk
Hals, Kalf, Molenaer, Maes, Mierevelt, Molijn, Morelse,
Neefs, Netscher, Palamedes, Pelters, Pynaker, Sand-
voort, Savery, Seghers, Sieberechts, Snyders, van der
Velde, de Witte, Wynants. Dazu solche von Roos,
von dem Spanier Herrera, von Piazetta, von Nico-
las Poussin und Strozzi. Aus dem 18. Jahrhundert ge-
langten an die Galerie zwei Bilder von Lawrence, zwei
Pannini, Tischbein, Ziesenis. Das 19. Jahrhundert wird
vertreten durch Achenbach, Adam, Ahiborn, Brücke,
Heinlein, Isabey, Joseph Anton Koch, Quaglio, Rottmann
und Schirmer. Die durch den Abgang der Bilder der
Fideikommißgalerie entstandenen Lücken entwicklungs-
geschichtlicher Natur mußten durch Neuankäufe und
durcli Leihgaben ausgeglichen werden. So wurde ein
Antependium des späten 13. Jahrhunderts erworben, ein
ganz hervorragendes Stück von vorzüglicher Erhaltung,
zu den wenigen frühen Tafelbildern Deutschlands
gehörend.
Unter den Bildern sei auf den Pieter de Hoogh hin-
gewiesen, den Vermeer van Haarlem und den schönen
van Goyen. Mit besonderer Liebe hat sich die Direktion
des 19. Jahrhunderts angenommen, besonders des
Klassizismus und der Romantik. Nicht weniger als vier
Bilder von Caspar David Eriedrich wurden im Laufe
der Zeit erworben, zwei von Carus, drei von Blechen
und eins von Wilhelm von Kobell. Die Franzosen wer-
den repräsentiert durch Daubigny, Diaz und Pisarro.
Aus der Mitte und aus der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts nennen wir Richter, Menzel, Böcklin, im wei-
teren Lesser Ury und Lovis Corinth.
Als sehr große Mitgift erhielt das Museum
Leihgaben der Städtischen Galerie mit im ganzen hun-
dei tfünfundzwanzig Gemälden. Unter ihnen befinden
sich fünf Feuerbachs, ein Böcklin, drei Marees, sieben
Spitzwegs, sechs große und eine Reihe kleinerer Len-
bachs, vier Trübners, drei Sperls, zwei Thomas,
achtzehn Schuchs, vier Uhdes, vier Liebermanns, sechs
Corinths, sechs Modersohns, drei Hodlers.
Die Galerie van Garvens stiftete als Leihgabe u. a.
Bilder von Marc, Jawlensky, Munch, Rousseau, Delau-
nay und Kokoschka. Rechnet man hinzu die Erwer-
bungen der Direktion selbst aus dem Gebiete der
(expressionistischen Malerei: Nolde, Heckel, Schmidt-
Rottluff und Rohlfs, so wird man zugeben müssen, daß
die Uebersicht befriedigend ist. Neuerdings hat man nun
auch einen Saal für die abstrakte Kunst geschaffen mit
Hilfe holländischer Glasmalereien, russischer Gemälde
und Bauhausarbeiten.
Der leitende Gedanke der Direktion war es, das
Museum zum kulturellen Mittelpunkt der Provinz zu
machen. Im Vortragssaal soll sogar ein Kino eingerich-
tet werden, in dem kulturgeschichtliche Filme gespielt
werden. Mit besonderer Energie wird die Verbindung
mit sämtlichen Schulen aufgenommen. Gedruckte An-
weisungen führen die Schüler in die Sammlungen ein,
ohne jedoch „Kunst lehren“ zu wollen. Es wird im Ge-
genteil mit einfachsten Betrachtungen kulturgeschicht-
licher Art begonnen, bei denen Kunst- und Sammlungs-
gegenstände nur Illustration der Geschichte sind. Erst
19
Reot’ganifatton
oon
Alfücd Kul)n
PV ie meisten Leute, die ehemals das Provinzial-
museum in Hannover besucht haben, werden sicli
eines riesigen Gebäudes entsinnen, das bis oben voll-
gestopft war mit Bildern und Skulpturen, alles wahllos
zusammengepackt und übereinandergehängt, Gutes und
Schlechtes, rein historisch Interessantes neben künstle-
risch Wertvollem. Getrennt im halbdunklen Haupt-
geschoß die historische Sammlung des Welfenmuseums
und der Provinz; getrennt im Obergeschoß die Cumber-
land-Fideikommißgalerie; getrennt die Bildersammlung
der Provinz und des Vereins für die öffentliche Kunst-
sammlung. Die Masse des Minderwertigen erdrückte
das Gute. Nirgends ein faßbares Prinzip der Aufstel-
lung, sei es ein historisches, sei es ein ästhetisches.
Der neue Direktor, Dr. Dorner, der im November
1922 an die Spitze der Kunstsammlungen trat, über-
nahm damit die schwierige, wenn auch dankbare Auf-
gabe, eine Neuordnung von Grund auf zu vollziehen. Die
Säuberung der Fideikommißgalerie wurde unnötig durch
die plötzliche Kündigung des Leihvertrages von Seiten
des Herzogs im Juli 1924. Mancherlei ist dabei dem
Museum entzogen worden. Der Herzog behielt einige
schöne Stücke für sich, mehreres konnte dem Kunsthan-
del abgerungen werden, vieles wurde ohne Kampf dem
Staate erhalten. Ob im Uebrigen bei der Auseinander-
setzung, bei der eine ganze Reihe wertvoller Sachen dem
Staate entgingen, die Interessen des Museums hätten
besser gewahrt werden können, entzieht sich dem Urteil
des Außenstehenden in einem Maße, daß hierauf an die-
ser Stelle nicht eingegangen werden kann. Daß das
große Prinzenporträt Eduards VI. an England über-
ging, ist an und für sich bedauerlich, aber es
kann dem Landtag nicht vorgeworfen werden, die
1 250 000 Mark für den Ankauf nicht bewilligt zu
haben, da innerpolinsche Gründe dagegen sprechen
mußten. Von den Bildern, die die Provinz für
sich erwerben konnte, seien angeführt zwei Altäre von
Raphon, zwei Altarflügel und zwei Gemälde von Cra-
nach, von Holbein das Bild des Erasmus von Rotterdam.
Von den Niederländern Bilder van Aachen, van
Bassen, Bloemaert, Brill, Bylert, Beyeren, drei Bilder
des Samt-Breughel, Bilder von Berchem, Cuyp, Dujar-
din, Everdingen, van Gelder, van Goyen, Goltzius, Dirk
Hals, Kalf, Molenaer, Maes, Mierevelt, Molijn, Morelse,
Neefs, Netscher, Palamedes, Pelters, Pynaker, Sand-
voort, Savery, Seghers, Sieberechts, Snyders, van der
Velde, de Witte, Wynants. Dazu solche von Roos,
von dem Spanier Herrera, von Piazetta, von Nico-
las Poussin und Strozzi. Aus dem 18. Jahrhundert ge-
langten an die Galerie zwei Bilder von Lawrence, zwei
Pannini, Tischbein, Ziesenis. Das 19. Jahrhundert wird
vertreten durch Achenbach, Adam, Ahiborn, Brücke,
Heinlein, Isabey, Joseph Anton Koch, Quaglio, Rottmann
und Schirmer. Die durch den Abgang der Bilder der
Fideikommißgalerie entstandenen Lücken entwicklungs-
geschichtlicher Natur mußten durch Neuankäufe und
durcli Leihgaben ausgeglichen werden. So wurde ein
Antependium des späten 13. Jahrhunderts erworben, ein
ganz hervorragendes Stück von vorzüglicher Erhaltung,
zu den wenigen frühen Tafelbildern Deutschlands
gehörend.
Unter den Bildern sei auf den Pieter de Hoogh hin-
gewiesen, den Vermeer van Haarlem und den schönen
van Goyen. Mit besonderer Liebe hat sich die Direktion
des 19. Jahrhunderts angenommen, besonders des
Klassizismus und der Romantik. Nicht weniger als vier
Bilder von Caspar David Eriedrich wurden im Laufe
der Zeit erworben, zwei von Carus, drei von Blechen
und eins von Wilhelm von Kobell. Die Franzosen wer-
den repräsentiert durch Daubigny, Diaz und Pisarro.
Aus der Mitte und aus der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts nennen wir Richter, Menzel, Böcklin, im wei-
teren Lesser Ury und Lovis Corinth.
Als sehr große Mitgift erhielt das Museum
Leihgaben der Städtischen Galerie mit im ganzen hun-
dei tfünfundzwanzig Gemälden. Unter ihnen befinden
sich fünf Feuerbachs, ein Böcklin, drei Marees, sieben
Spitzwegs, sechs große und eine Reihe kleinerer Len-
bachs, vier Trübners, drei Sperls, zwei Thomas,
achtzehn Schuchs, vier Uhdes, vier Liebermanns, sechs
Corinths, sechs Modersohns, drei Hodlers.
Die Galerie van Garvens stiftete als Leihgabe u. a.
Bilder von Marc, Jawlensky, Munch, Rousseau, Delau-
nay und Kokoschka. Rechnet man hinzu die Erwer-
bungen der Direktion selbst aus dem Gebiete der
(expressionistischen Malerei: Nolde, Heckel, Schmidt-
Rottluff und Rohlfs, so wird man zugeben müssen, daß
die Uebersicht befriedigend ist. Neuerdings hat man nun
auch einen Saal für die abstrakte Kunst geschaffen mit
Hilfe holländischer Glasmalereien, russischer Gemälde
und Bauhausarbeiten.
Der leitende Gedanke der Direktion war es, das
Museum zum kulturellen Mittelpunkt der Provinz zu
machen. Im Vortragssaal soll sogar ein Kino eingerich-
tet werden, in dem kulturgeschichtliche Filme gespielt
werden. Mit besonderer Energie wird die Verbindung
mit sämtlichen Schulen aufgenommen. Gedruckte An-
weisungen führen die Schüler in die Sammlungen ein,
ohne jedoch „Kunst lehren“ zu wollen. Es wird im Ge-
genteil mit einfachsten Betrachtungen kulturgeschicht-
licher Art begonnen, bei denen Kunst- und Sammlungs-
gegenstände nur Illustration der Geschichte sind. Erst
19