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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI Heft:
1/2. Dezemberheft
DOI Artikel:
Hartlaub, Gustav Friedrich: Aufgaben des modernen Kunstmuseums
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0152

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Herausgeber: /VClOlpt) DonGff )

7ahrgang 1926

1./2, DezcmDerDoft

Aufgaben des modemcn Kunßmufeums

uon

Q. p. Jiat’ttaub ^ JMannbctm

jem aufmerksamen Beobachter des gegenwärtigen
Kunstlebens in Deutschland kann nicht entgehen,
daß nicht nur der Beruf und die Existenz des Kün'stlers,
sondern auch die festgegründete Einrichtung der
K u n s, t s a m m 1 u n g e n , der M u s e e n eine schwere
Krisis durchmacht. Diese Krisis ist zunächst, wie nicht
anders zu erwarten, wirtschaftlicher Natur:
in Zeiten finanzieller Sorge, in Jahren, die nicht einmal
einem jeden Willigen Arbeit und Brot zum nackten Le-
ben zu garantieren vermögen, werden Museen mehr
noch als Theater- und Konzertinstitute als ein nicht zu
rechtfertigender Luxus empfunden. So fließen die
öffentlichen und privaten Mittel weit spärlicher als in
Zeiten des Ueberflusses, so werdeir alle Unternehmun-
gen des Kunstinstituts mit doppelt argwöhnischer Kri-
tik auf ihre innere und äußere Notwendigkeit hin ge-
prüft und oft bezweifelt. Aber es hängt nicht nur mit
diesen wirtschaftlichen Bedenken zusammen, daß der
Bes.uch unserer öffentlichen Kunstmuseen im Augen-
blick von schwächerer Teilnahme des Publikums zu
zeugen scheint. Es ist kein Zweifel, daß das Interesse
breiter Schichten, die in der ersten Revolutions- und
Nachkriegszeit von der allgemeinen Erschütterung aller
Werte aufgerüttelt, mit einem gewiss.en seelischen
Heißhunger nach allen Bildungsgeiegenheiten, allen gei-
stigen Anregungen verlangten — daß beträchtliche
I'eile von diesen heute von den geistigen Dingen mit
einer gewissen ernüchterten Resignation, ja mit einer
fast zynischen Teilnahmslosigkeit wieder abgerückt
sind. Nachdem aucii der politische Parteienbetrieb seine

größte Zugkraft einzubüßen beginnt, ist es heute die un-
geheuerliche Massenbegeisterung für Sport, der
Taumel der Rekorde, die Anbetung künstlich gesteiger-
ter körperlicher Höchstleistungen, was rnehr als. je bis
in die Reihe der sog. Gebildeten hinein alle iiber den All-
tag hinausgehenden Kräfte der Phantasie und des Den-
kens beschlagnahmt.

Zu dieser wachsenden Teilnahmslosigkeit und je-
nem Hinschwinden des wirtschaftlichen Unterbaues
kommt als drittes gegenüber den Kunstmuseen noch
eine innere, tiefer begründete Kritik, die von den wirk-
lich Berufenen ausgeht und die sich nicht auf die wirt-
schaftliche Möglichkeit der Sammlungen oder auf ihre
zufällige Guns.t bei den Massen, sondern auf die I d e e
des Museums selbst bezieht. Wenn von solchen Kriti-
kern betont wird, daß viele unserer deutschen Kunst-
sammlungen Spezialinstitute für Gelehrte und Fach-
leute genannt werden könnten, daß sie an der Ueber-
fülle des bloß historisch-wichtigen Materials zu er-
sticken, daß sie Stätten der Ermüdung nicht der Erbau-
urig zu werden drohen — so steckt hier zweifellos eine
heachtenswerte Wahrheit, ebenso wie e's unleugbar
scheint, daß man in wissenschaftlichem und küns.tle-
rischem Bildungsübereifer mit der Gründung von Mu-
seen in Deutschlands Mittel- und Kleinstädten schon
beinahe zuviel getan hat.

Das alles sind indes,sen Vorwürfe, die in der Haupt-
sache doch wohl dcn Museen alter Kunst und
a 11 e n Kunstgewerbes gelten. Andrerseits können ge-
rade diese meist so reichen und wohl fundamentierten

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