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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1./2. Februarheft
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Winkler, Friedrich: Die flämisch-belgische Ausstellung in London
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Schapire, Rosa: Justus Brinckmann-Gesellschaft in Hamburg: Ausstellung ihrer Neuerwerbungen im Museum für Kunst und Gewerbe zu Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0251

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frieden sein. In den Ricketts, Shannon, Königs, Lugt,
Oppenheimer, Bellingham Smith, Witt lebt der kunst-
freundliche Geist der alten Amateure fort, den die ameri-
kanischen Millionen so schwer gefährden. Hier sprechen
die repräsentativen Bediirfnisse der Amerikaner glück-
licherweise kaum mit. — Sehr interessant war es,
nahezu ein Dutzend Fälschungen zu studieren, die
die Ausstellungsleitung passiert hatten, obgleich ein an-
gesehener und bewährter belgischer Kunsthistoriker da-
rin vertreten war. Meist nach bekannten primitiven Bil-
dern, in unerfreulich blinkenden Farben, ohne jede Pro-
venienz, kamen die erst im letzten Jahrzehnt bekannt
gewordenen Werke aus zwei bis drei belgischen Samm-

lungen. Einzeln mögen sie schwer zu erkennen, aucli
mögen alte Bilder darunter sein, in diesem Zusammen-
hange war es jedenfalls 'leicht sie herauszufinden, und
wenn einige tatsächlich alt sein sollten — man müßte
die hinter Glas und Rahmen sorgfältig verborgenen Bil-
der einmal genau untersuchen dürfen —, so hat jeden-
falls der Restaurator sie so entstellt, daß sie den Fäl-
schungen wie ein Ei dem andern ähneln. Es handelt sich
offenkundig um eine einzige Werkstatt, die sowohl
restauriert wie alte Bilder fälscht. Wenn ich mich nicht
täusche, trifft man überhaupt im englischen Handel und
in Privatsammlungen mehr offenkundige Fälschungen als
in Berlin.

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I n Zeiten wirtschaftlicher Not und Depression, am
* 29. November 1921, ist die Justus Brinckmann-Gesell-
schaft begründet worden. Es galt den Stamm der
Freunde und Gönner des Museums für Kunst und Ge-
werbe zu sammeln. Durch den Namen der Gesellschaft
kam zum Ausdruck, daß die Aufgaben, die Justus Brinck-
mann, der Begründer und Schöpfer des Museums für
Kunst und Gewerbe sicli gestellt hat, verpflichtend sind.

Neben den etatmäßigen Mitteln des Museums hat
eine Privatgesellschaft durch regelmäßige Beiträge und
Geschenke einzelner Mitglieder es Max Sauerlandt, dem
weitblickenden Leiter des Museums, ermöglicht, stets zu-
zugreifen, wo sich eine Gelegenheit bot, die Lücken der
Sammlung zu ergänzen, oder Abwegiges, noch wenig
Gesammeltes, das Einblick in neue Kulturen vermittelt,
zu erwerben. Nicht weniger wichtig als diese pekuniäre
Förderung ist der ideelle Zusammenschluß, der in der
Justus Brinckmann-Gesellschaft zum Ausdruck kommt.
Daß es in der „Stadt der guten frommen Beefsteakvertil-
ger und gefiillten Kassen“, wie Liliencron Hamburg einst
genannt hat, Kreise gibt, die trotz der finanziellen Krisen,
durch die wir gehen, stets bereit sind, pekuniäre Opfer
für den Ausbau des Museums zu bringen und Anteil an
seiner Weiterentwicklung zu nehmen, ist erfreulich, ja
notwendig. Keine öffentliche Sammlung kann gleichsam
in der Luft stehen; wenn sie nicht weiter wächst, so ver-
f"llt sie; aber sie bedarf auch über ihren weiteren Aus-
bau hinaus, über die Blutzufuhr in jede einzelne Abtei-
lung hinaus, des verstehenden, teilnehmenden, fördern-
den Interesses der Bevölkerung. Die hamburgische Be-
völkerung aller Schichten muß einsehen lernen, daß die
Dinge, die im Museum am Steintorplatz in mustergültiger
Weise aufgestellt sind, mehr und anderes sind als die
Raritätenkabinette, die der Fürstenliebhaberei früherer
Zeiten ihr Dasein verdankt haben, daß hier vergangene

Kulturen, die uns den Weg in unsere eigene Zeit weisen,
beredt und vernehmlich zu uns sprechen, daß es sicli
dabei niclit um Mehrung unseres historischen Wissens
allein handelt, sondern um künstlerisches Erleben. Der
Gradmesser dafür ist unsere Fähigkeit, künstlerische
Formen zu erfassen und die Energie unserer Fragestel-
lung. Die Kluft zwischen „freier“ und „angewandter“
Kunst, zwischen „Kunst“ und „Kunstgewerbe“ ist nicht
so groß wie das theoretisierende 19. Jahrhundert ge-
glaubt hat, „auch dem scheinbar ganz zweckgebundeiieu
Gebrauchsgerät — wenn es nur wirklich von künst-
lerisch empfindenden Händen geformt ist — wohnt ein
Element der Freiheit iiine, das über jede Zweckbindung
hinausdeutet und auch das scheinbar ganz frei geschaf-
fene Bildwerk und Gemälde ist doch zweckverhaftet,
insofern aucli jedes freigeschaffene Kunstwerk niclit im
luftleeren Raum einer geistigen Welt schwebt, sondern
sich den gegebenen Bedingungen unserer irdischen Le-
bensgesetze einfügen muß, wenn es sein Lebensrecht
behaupten will.“*)

Zur Feier des fünfjährigen Bestehens der Justus
Brinckmann-Gesellschaft sind all die Kunstwerke, die
durch Jahresbeiträge, Sondergaben und Geschenke ein-
zehier Mitglieder erworben wurden und die sonst in den
verschiedensten Vitrinen des Museums verstreut sind,
zu einer geschlossenen Ausstellung vereinigt worden.
Die sehr stattliche Schau umfaßt nicht weniger als 206
Gegenstände, die den verschiedensten Kulturkreisen an-
gehören. Aegypten, Griechenland, Rom, Byzanz, Qst-
asien sind vertreten so gut wie Nordischc Vor- und Früh-
zeit, Mittelalter, Renaissance, Barock und Rokoko. Nicht
der Zufall hat diese vielen Einzelstücke zusammengetra-
gen, planvolles, weitüberschauendes. Sammeln weist

*) Max Sauerlandt: Werkformen deutscher Kunst, S. 17.

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