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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI Heft:
1./2. Maiheft
DOI Artikel:
Kern, Guido Josef: Die verschollene "Kreuztragung" des Hubert oder Jan van Eyck, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0396

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ii.*)

jie Petersburger Tafeln galten vom ersten Tage ihrer
Auffindung an als Flügel eines Triptychons. Als
solche werden sie auch im Katalog der Petersburger
Galerie aufgeführt. Gegen diese herrschende Ansicht
unternahm aber 1920 P. Durrieu einen Vorstoß, indem
er die Tafeln als Hälften eines Diptychons erklärte.1)
Diese Ansicht hängt mit einem archivalischen Funde
ursächlich zusammen. Er hatte in einem Nachlaßinventar
des Herzogs Jean de Berry eine Notiz über ein Doppel-

Abb. 1. Veronika aus der Wiener „Kreuztragung“

bild entdeckt, das beschrieben wird als „un grans (!)
5'ableau en deux pieces de peinture, fun la Passion et
l’autrele Jugement“. Von diesem Werke konnte Durrieu
nachweisen, daß es zwischen 1413 und 1416 in den Be-
sitz des Herzogs gelangt ist. Ueber den Maler des Bil-
des war nichts gesagt; auch waren die Maße nicht an-
kegeben, es liieß nur, daß es „un grans J ableau“
^var. Dieses offenbar zweiteilige Bild hielt Durrieu für
identisch mit den heute in Petersburg befindlichen
Fafeln, da es dieselben Motive zeigte und derselben Zeit
xvie sie entstammte.

Die Uebereinstimmung der Themen könnte zur An-
üahme eines Diptychons führen, wenn ihr nicht gewich-
dge Gründe widersprächen. Der Bericht des herzog-
dchen Inventars spricht ausdrücklich von großen Tafeln,

*) Sielie „Der Kunstwanderer“ 1/2. Aprilheft 1927.

T In dem Aufsatz „Les van Eyck et le duc Jean de Berry“,
F^azette des beaux arts, 1920, Bd. I, Seite 100 ff.

während die Petersburger Bilder, auch im Sinne der da-
maligen Zeit, eher klein als groß zu nennen sind.
Wenn in einer so kurzen Notiz die Größe der Bilder her-
vorgehoben wird, muß es sich um Stücke von ganz be-
deutendenAbmessungen gehandelt haben. — In einNichts
löst sich aber die Flypothese Durrieus auf, wenn man
sie mit den ältesten uns erhaltenen Angaben über die
Petersburger Bilder vergleicht. Sie stammen von J. D.
Passavant, der die Bi’lder 1841 in Wien, bei ihrem dama-

Abb. 2. Magdalena aus der Petersburger „Kreuzigung“

ligen Besitzer, dem russischen Gesandten Tatistscheff,
sah. Unter dem nocli frischen Eindruck des Erlebnisses
registriert Passavant im „Kunstblatt“ am 12. Januar des
gleichen Jahres: „Ein T r i p t y c h o n*) oder Reisealtär-
chen, welches die Brüder van Eyck vielleicht für den
Herzog von Burgund gefertigt, das aber später nach
Spanien gekommen ist, wo es der russische Gesandte
Fatitscheff, jetzt in Wien, aus einem Kloster erstanden
hat. Leider wurde ihm das Mittelbild, was eine Anbe-
tung der Könige soll dargestellt haben, entwendet, so
daß er jetzt nur noch die beiden Flügel- oder Neben-
biider besitzt. Jedes ist etwa 21" (Zoll). Rings um den
Rand der Bilder befinden sich auf die Gegenstände be-
ztigliche Inschriften.“ Nach diesen ältesten Nachrichten
gehörten also die Bilder zu einem Triptychon; die
Angaben können nur auf Mitteilungen des dama-
ligen Besitzers zurückgeführt werden. Da ferner

*) Vom Verfasser gesperrt.

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