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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI Heft:
1./2. Februarheft
DOI Artikel:
Pazaurek, Gustav Edmund: Der Frankfurter Glasschnitt und die Familie Heß, [3]
DOI Artikel:
Vogt, G.: Der Aufstieg des neuen deutschen Kunstgewerbes
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0265

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Krösos und Solon, der — vielleicht als Illustration eines
damaligen Theaterstücks — seine philosophische Prophe-
zeiung macht, wobei tatsäch'lich im Hintergrund eine
Fortuna mit geblähtem Segel „auf dem Meer gegen ihn
zufährt“. Die Form des Pokals zeigt bei näherer Be-
trachtung — namentlich durch die senkrecht gerippte
Mittelkugel des Hohlbalusterschaftes — Abweichungen
vom Nürnberger Haupttypus20), was wir auch bei dem
Cassler Deckelpokal mit dem Drach’schen Wappen ge-
sehen ha'ben.

(Fortsetzung folgt.)

2ß) Der häufigste Typus des Hohlbalusterpokals, wie er bei den
Gläsern der Familie Schwanhardt, H. Schwinger und deren Schule
zwischen 1660 und 1680 immer wieder anzutreffen ist, ist abgesehen
von den schon hier vorkommenden kleinen Abweichungen keines-

wegs ohne Ausnahmen, so daß es nicht angängig wäre, jede nennens-
werte Variante a priori aus Nürnberg auszuscheiden. So halte ich
z. B. den Pokal mit den beiden Putten zwischen Weinstöcken nebst
Antiquaüberschrift der 2. Auktion Parpart (Berlin, Lepke 1912,
Nr. 1003), trotzdem sogar der Kelch unten eingezogen ist, für niirn-
bergisch, desgleichen zwei Stücke des Germanischen National-
museums in Nürnberg, nämlich den Becher mit Fortuna und dem
Löffelholzwappen trotz des größeren Gewichtes oder den Pokal
mit dem Reichsadler und den beiden Niirnberger Stadtwappen,
obgleich an diesem Stiick der aus massiven (nicht hohlen) Ringen
bestehende Schaft durch eine einzige, ebenfalls massive Mittelkugel
unterbrochen wird. Man wird hauptsächlich den Schnitt selbst bei
der Beurteilung zu berücksichtigen haben. Wo dieser fehlt, wie
etwa bei dem hohen (kranken), nicht geschnittenen Pokal des Böh-
mischen Landesmuseums in Prag, der der Nürnberger Gruppe nahe-
steht, aber dessen massiver Schaft zwischen den Scheibenbündeln
je vier dreifach gezackte Massivbügel zeigt, wird man mit der
Herkunftszuschreibung zurückzuhalten haben.

Det? Aufffteg des neuen deutfebcn Kunifgeiuer bes

oon

Q. Oogt

A rtem non odit nisi ignarus! Milliarden von Schöpfun-
1 * gen hat das Kunstgewerbe auf den Weltmarkt ge-
brac'ht, Jahrtausende hindurch hat es sich entwickelt,
bis es zu dem geworden, als was es uns heute vorliegt.
Es hat alles in seinen Dienst gestellt, Materialien und
Stoffe, wie Metall, Steine, Glas, Keramik, Holz, Textil-
stoffe, Papier, Leder, Pelzwerk, Garn, Elfenbein usw.,
in der Hauptsache aber Erfindungsgeist und mensch-
liches, besonders aber künstlerisches Geschick. Wenn
aber irgendwo, so trifft der Spruch: „Die Welt ist mein
Feld“ auf die Edelmetallindustrie zu. Sie ist internatio-
nal, und daher läßt sich nur großzügig von ihr sprechen.
Das beweisen auch die Messen und andere fachgewerb-
lichen Ausstellungen, auf denen die Industrie und das
einschlägige Kunstgewerbe ihre höchsten Qualitäts-
leistungen vor die Augen der heimischen und auslän-
dischen Handelswelt öffentlich zur Schau stellen.

Der Verkehr der Menschen und Völker unter sich,
die Bedarfsfrage und die Befriedigung von Luxus-
gelüsten hat den internationalen Handel entstehen und
groß werden lassen. Zeiten und Länder haben bald hier,
bald dort einen neuen Beitrag zu ihrem bisherigen Kön-

nen geliefert, neue Stufen ihrer rastlosen Weiterentwick-
lung erklommen, auch weitere Errungenschaften zusam-
mengefunden und nebeneinander gestellt; sie haben
schließlich in unserer alles konzentrierenden Zeit eine
Fülle kunstgewerblicher Möglichkeiten, kunstgewerb-
lichen Könnens zusammengebracht, wie es vorher nie-
mals vorhanden gewesen.

Beim Gesamtkunstgewerbe ist aber ein Hoffnungs-
schimmer wahrnehmbar bezüglich der handwerklicheii
Oualität. Wir sind auf dem Wege, wieder wirkliche Mei-
ster im Handwerk zu bekommen, denen die Maschine
noch mehr eine Hilfsarbeiterin werden muß und wird.
In der handwerklichen Qualität der Arbeit und ihrer an
Stumpfsinn grenzenden Einseitigkeit weiter hinabzuglei-
ten in die Zeit des freien Unternehmertums wollte ferner-
hin nicht mehr gefallen. Wir haben ein Kunsthandwerk,
ein Kunstgewerbe voll Feingefühl, wir haben eine Kunst-
industrie, die sich immer höhere Ziele steckt; solcher-
gestalt marschiert Deutschland an der Spitze, und seine
Erzeugnisse nehmen ihren Weg über Länder und Meere,
um im fernsten Auslande gern gekauft und verwendet
zu werden.

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