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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI Heft:
1/2. Novemberheft
DOI Artikel:
Voss, Hermann: Ein unbekanntes Frühwerk Correggios
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0104

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Jas von der Forschung bisher übersehene, in der
„Österreichischen Kunsttopographie“1) unrichtig
klassifizierte Gemälde einer Madonna mit Kind, das nach
meiner Meinung unter die Frühwerke Correggios einge-
reiht werden muß, gibt Veranlassung dem Problem der
Jugendentwicklung des Meisters einige teilweise riick-
schauende Betrachtungen zu widmen. Seitdem Morelli
in seinen „Kunstkritischen Studien“ (1891) mit einer
Lis.te von rund 10 Frühwerken Correggios der For-
schung die ersten Grundlagen gab, hat sich das correg-
geske Jugendoeuvre beständig erweitert und kritisch
befestigt. Ein Versuch Oskar Hagens 2) den allgemein
für gesichert geltenden Unterbau zu erschüttern fand
kaum ernstliche Beachtung; es, kamen im Gegenteil in
den zehn Jahren seit seinem Hrscheinen neue, wichtige
Beiträge zur Jugendentwicklung des Künstlers liinzu,
die die bisherigen Forschungsergebnisse bestätigien una
einigen der Hauptargumente Hagens die Unterlagen ent-
zogen.

Von ents.cheidender Bedeutung war die von Luzio
bewiesene Tatsache, daß Gorreggio nicht, wie bislang
geglaubt wurde, um 1494, sondern schon 1489 geboren
wmrden ist. Hierdurch wird es möglich, ja notwendig,
die Reihe der bekannten Jugendwerke nicht erst 1512,
sondern schon vor 1510 beginnen zu lassen; die großen
stilistis.chen Unterschiede, die unleugbar unter ihnen
vorhanden sind, werden leichter verständlich, wenn sich

') Bd. XI (Gerichtsbezirk Salzburg), Wien 1916, bearbeitet von
Dr. P. Buberl und Dr. Fr. Martin, S. 195: „Gutes, leider teilweise
stark abgeriebenes Bild, italienisch beeinflußt, Ende des XVI. Jahrh.“

2) Correggio-Apokryphen. Berlin 1915.

die vor der Madonna di S. Francesco (1514—15) ent-
standenen Arbeiten auf etwa sechs bis acht Jahre statt
wie bisher auf die Hä'lfte dieses Zeitraumes. verteilen
lassen. Einleuchtender wird auch die enge Beziehung
der frühesten Bilder Gorreggios zu Mantegna, den be-
kanntlich eine alte, von seiten der Stilkritik her unter-
stützte Tradition zum Lehrer des jungen Malers macht.
Es ist nun, wenigstens, in chronologischer Hinsicht,
keine Schwierigkeit mehr fiir die Annahme, Correggio
habe den 1506 verstorbenen Meister noch persönlich
gekannt und sei in seiner Werkstätte, wenn auch nur
vorübergehend, beschäftigt gewesen. Mag nun ein
solch.es persönliches Verhältnis bestanden haben oder
nicht: fes.t steht in jedem Falle durch die mehrfachen
direkten Anlehnungen der Frühwerke an Mantuaner
Schöpfungen Mantegnas und ihren allgemein manteg-
nesken Charakter, daß eine enge Berührung in künstle-
rischer Beziehung stattgefunden hat, die für das erste
halbe Jahrzehnt correggesken Schaffens bestimmend
war. Aus der jetzt vorliegenden kontinuierlichen Folge
seiner Frühbilder vermag man deutlich zu erkennen,
wde das mantegneske Element gleicli einem festgehalte-
nen Grundbaß den künstlerischen Gesamtcharakter
auch dann noch weiter bestinnnt, als Einflüsse von ande-
ren Seiten her auf Correggio eindringen und ihm den
Blick auf andere Möglichkeiten eröffnen. Es sind dies,
nacheinander einsetzend, der ferraresich-emilianische
Kolorismus des. Lorenzo Costa, Mantegnas Nachfolger
in Mantua, und das Sfumato Leonardos da Vinci, das
dem jungen Meister zum eigentlichen Ausgangspunkt
selbständigen Gestaltens wird.

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