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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI issue:
1/2. Dezemberheft
DOI article:
Darmstaedter, Ludwig: Auguste Edouard Mariette: seine Ausgrabungen in Aegypten
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0158

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Auguße Sdouacd jvtaciette

Setne Ausgcabungen tn Aegypten
oon

Ludtütg Dat^mffaedtct’

P\ ie in den Jaliren 1798 bis, 1802 von Napoleon Bona-
parte mit großem Aufwande und mit einem großen
Stab von Gelehrten und Künstlern unternommene Expe-
dition nach Aegypten hatte zwar politisch mit einem
Mißerfolge geendet, aber sie ist als eine Epoche auf dem
Gebiete der Wissenschaft zu bezeiclmen. Die Wunder
einer vergang'enen Welt wurden durch sie erschlossen.
,,Von den Gipfeln der Pyramiden schauen 40 Jahrhun-
derte auf Eucli herunter“ rief Napoleon seinen Soldaten
zu, und tatsächlich wurde mit den Pyramiaen und den
anderen merkwürdigen und großartigen Bauten der
Phantasie ein unendlich großes Gebiet erschlossen, das
sich noch dauernd vergrößerte, als im Anschluß an
diese Expedition neue Urkunden auf Papyrus und
Stein entdeckt wurden, die zur Entzifferung der alten
aegyptis.chen Schrift, der Hieroglyphen führten. Die
wichtigste dieser Urkunden war die Inschrift von Ro-
sette, eine Granittafel, die 1799 durch den französischen
Ingenieur Bouchard aufgefunden wurde und jetzt im bri-
tischen Museum aufbewahrt wird. Sie enthielt ein Dc-
kret, das in drei Schriften, in aegyptischer Bilder-
schrift, in aegyptischer Kursivschrift und in grie-
chis.cher Schrift abgefaßt ist. Die griechische Inschrift
besagte, daß dcr König Ptolemaeus Epiphanes im neun-
ten Jahr seiner Regierung 196 vor Christius von der
aegyptischen Priesterschaft besondere Ehrenbezeugun-
gen bewilligt worden seien. Man ging nicht fehl in der
Annahme, daß die beiden aegyptischen Schriften den
gleichen Sinn ergeben würden, Avic die griechische
Schrift Sylvestre de Sacy, der Schwede Akerblad, der
berühmte englis.che Physiker Tliomas Young unter-
nahmen die Entzifferung, gelangten aber nur zu unvoll-
kommenen Lösungen namentlich in Bezug auf die Hie-
roglyphen, die nocli rätselhaft blieben.

Der erste Forscher, dem es gelang, Licht in dies
Dunkel zu bringen, war Jean Francois Champollion. Er
erkannte 1807, daß die Hieroglyphenschrift aus alpha-
betischen und phonetischen Elementen gemischt ist und
fand den Schlüssel für die Melirlieit der Zeichen. Selir
zu s.tatten kam ihm dann die von Joseph Banks 1821
nach England gebrachte hieroglyphische und grie-
chisch Inschrift des 1815 aufgefundenen Obelisken von
Philae. Am 27. September 1822 las Champollion vor
dcr Amademie des inscriptions die erste Arbeit über
seine Entdeckung. 1824 wies er dann in seinem „Precis
des, systemes hieroglyphiques“ nach, das die aus dcn
Eigennamen abgeleiteten Hieroglyphenzeichen aucli in
anderen Hieroglyphengruppen wiederkehrten. Die aus-
führlichen Resultate seiner Untersuchungen wurden
erst in dem posthum erschienenen Hauptwerkc nieder-
gelegt, das die ganze Fülle der Erkenntnis zeigt, die
der Großmeister der an seine Forschungen sich an-
schließenden neuen Wis.senschaft, der Aegyptologie in

Bezug auf Geschichte, Chronologie, Geographie, sozialc
Zustände, Kulturgeschichte und Technik erworben hat.
Die letztere namentlich ist so reich, so kühn und so
farbig gewesen, daß sie jeden mit BeWunderung er-
füllte. Die nach Champollions Tode gemachten Funde
zeigen, welche Kultur in dem alten „Kemi“ geherrscht
hat; wenn man die Fülle und die Größe der von den
alten Aegyptern hinterlassenen Tempel, Pyramiden und
ahderen Monumente betrachtet, frägt man sich, ob das
alles Wirklichkeit ist.

Zu den Hauptförderern dieser Funde gchört der zur
Zeit der Hieroglyphenforschungen Champollions am
21. Februar 1821 in Boulogne sur Mer geborene Auguste
Edouard Mariette. Durch das Vertrauen des Vize-
königs Said Pas.cha erhielt er, nachdem er sich seine
ersten Sporen verdient hatte im Jahre 1862 eine fast
unbeschränkte Vollmacht, die Schätze des alten Aegyp-
tens ans Tageslicht zu bringen und die Aegyptologie in
ungeahnter Weise zu bereichern.

„Sie werden über das Heil aller Monumente
wachen“, sagte ihm der Vizekönig, „Sie werden den
Gouverneuren aller Provinzen mitteilen, daß ich
ihnen verbiete, an einem alten Stein zu rühren; Sie
werden jeden Fellah arretieren, der es wagt, den Fuß
in einen Tempel zu setzen.“

Nicht immer hatte es für Mariette s.o erfreulich ausge-
sehen. Seine Lebensgeschichte wird uns den Gegen-
satz zwischen 1862 und früher zeigen.

Der kleine Mariette war ein aufgewecktes heiteres
Kind. Schon als Vierzehnjähriger schwärmte er für
Forschungen und Entdeckungen; er durchstöberte die
unterirdischen Gänge der Boulogner Befes.tigungen;
der gesuchte Ausgang wollte sich aber nicht finden.

Seine ersten Studien machte er in dem Institut
Bleriot in Boulogne. Ein gnter Schüler war er nicht;
er trieb Allotria und wendete seine Karikaturkunst nicht
zum Besten an. Trotzdem war sein Entlassungszeugnis
von 1837 ein gutes., namentlich in Geometrie, Physik,
Chemie, Gescliichte und im Zeichnen. 1839 siedelte er
nacli England über, um in Nachfolge eines Freundes
Eugene Le Petit in Strafford französischen und Zeichen-
unterricht zu geben. Hier blieb er bis Juli 1840 und
ging dann nach Douai, um dort sein Bakkalaureat zu
machen. 1841 wurde er Kommunallehrer in Boulogne,
rückte 1843 zum Professor erster Klasse auf und blieb
bis 1849 an der Kommunals.clmle. 1841 entdeckte er
sein literarisches Talent; cr schrieb Feuilletons, Kunst-
kritiken, Gedichte ftir Boulogner Zeitungen. In 1842
wurde ihm seine Befähigung klar. Nestor Lhöte, ein
Vetter Mariettes, der mit Champollion befreundet war,
starb und hinterließ Mariette seinc Papiere. Beim
Ordnen derselben suchte s.ich Mariette mit den Hiero-
glyphen vertraut zu machen, und das gelang ihm ohne

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