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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI Heft:
1./2. Juliheft
DOI Artikel:
Gronau, Georg: Das "Geheimnis" der Sixtinischen Madonna
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0497

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Monte gleichsam erblich geworden ist; sowohl sein Neffe
Giovanni Maria, der 1520 auch vom Oheim den Bischofs-
sitz in Pavia übernahm — der spätere Papst Julius III. —
wie dessen Nepot Cristoforo del Monte haben ihn ge-
führt; der erstgenannte war aber gleichfalls bei seiner
Erhebung zum Kardinal zunächst mit dem Titel von
S. Vital-e bedacht worden. Als Kardinal von Sta,
Prassade ist Antonio del Monte sowohl auf dem Berliner
Relief von Sansovino, als auch auf zwei Medaillen
(Armand II, S. 97, Nr. 18 und 19) bezeichnet.

Bei seiner Kardinalserhebung wurde Antonio del
Monte von Julius II. zum Protektor des Servitenordens
ernannt; er hat also auch in dieser Eigenschaft mit den
Benediktinern von S. Sisto keine Berührung gehabt.
Wie auch sonst sich keinerlei Beziehung dieses Kirchen-
fürsten zu Piacenza nachweisen läßt. Er hatte nach
dem Tode des Kardinals Alidosi den Bischofsstuhl von
Pavia übernommen, den er bis 1520 beibehalten hat,
während ein Mann aus altem norditalienischen Grafen-
geschlecht, Vasino Malabaila, Bischof von Piacenza ge-
wesen ist (1509—1519).

So bleibt denn leider von dem Funde, der uns das
Geheimnis der Sixtina ein für alle Male lösen sol'lte,
nichts übrig; es war ein Trugbild, und wir werden fort-
fahren müssen uns den Kopf darüber zu zerbrechen,
warum Raphael für einen Ort und eine Kirche, mit denen
ihn keinerlei nachweisliche Beziehungen verbanden, sein
herrlichstes Altarbild g'emalt haben mag.

Aber vielleicht ist die richtige Antwort auf diese
Pragen und Zweifel inzwischen erteilt worden; und um
nicht nur mit einem dürr negativen „non liquet“ meine
Ausführungen zu schließen, möchte ich aus einem Buch,
wie deren unsere kunstwissenschaftliche Literatur nicht
viele aufzuweisen hat, anführen, auf welche Weise
dessen Autor das „Geheimnis der sixtinischen Madonna“
erklärt.

Oskar Ollendorf, „Liebe in der Malerei“ (Leipzig
1926) Seite 167 sagt darüber: „Es ist kein Zufall, daß
Raffael die Madonna des heiligen Sixtus geschaffen hat.
Die Vorstufen, das Streben zu dem Ziel dieser Madonna,
lassen sich von frühester Jugend an bei ihm nachweisen.
Raffael malte die sixtinische Madonna, malte sie eigen-
händig, als eine höchste Gabe seines Genius, weil in
seinem Innern ihre Stunde gekommen war oder, mit
Worten Vasaris ausgedrückt, ,um seines eigenen Inter-
esses willenh Vielleicht plötzlich, vielleicht ihm selbst
unerwartet, zog sich eines Tages eine Summe seines
philosophischen Sinnens und künstlerischen Träumens
über die Gottesmutter des christlichen Glaubens und ihr
heiliges Kind. Jener Auftrag, die Madonna mit einigen
Heiligen als Altarbild zu malen, kam so zur richtigen
Stunde, wie einst der Auftrag für die Stanza della Segna-
tura, und wurde erfüllt, wie er erfüllt wurde, weil er zu
den innerlichsten Lebenszielen dieses geistesgewaltigen
Mannes gehörte, oder besser gesagt, zur Erfüllung
solchen Zieles benutzt wurde.“

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