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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI issue:
1./2. Juliheft
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Pelka, Otto: "Europäisches Kunstgewerbe": Ausstellung in Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0495

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weiter verwunderlich und durchaus erklärlich, daß die-
ser Raum noch bis Ende Juni sich samt seinem
Inhalt als eine rudis indigestaque moles repräsentiert;
denn die Fenster von Cesar Klein waren zwar auf der
Ausstellung der Vereinigten Staatsschulen schon im
März in Berlin vertreten, konnten aber noch nicht ihren
eigentlichen Bestimmungsort erreichen, und ebenso
konnten die Decke und die Wände noch nicht in dem
von Bruno Paul vorgesehenen stucco lustro fertig-
gestellt werden. Wenn diese Technik so umständlich
und zeitraubend ist, so durfte sie eben nicht in Frage
kommen. Es wäre Sache der Leitung gewesen, diesen
sich anscheinend zu einem chronischen Zustand aus-
wachsenden Mängeln beizeiten entgegenzutreten. Zu
den dekorativen Schönheitsfehlern gesellt sich in der
Architektur dann noch die verfehlte Gipsdielen-Raum-
kunst des Vestibüls, die verblüffen möchte um jeden
Preis und es auch erreicht, daß die ausgesteliten Gegen-
stände in den kleinen Schaukästen der dreiseitigen, mit
ihrem roten Anstrich sich sehr aufdringlich breit-
machenden Pfeiier völlig um ihre Wirkung gebracht
werden und ein Gesamteindruck der deutschen Abtei-
lung nur nach mühsamen Einzelstudien vom Beschauer
rekonstruiert werden kann.

Man brauchte über diese Aeußerlichkeiten nicht
so viel Worte verlieren, wenn die Verhältnisse, die
hier herrschen, nicht dahin fiihrten, daß eine im Grunde
nicht unwichtige Angelegenheit zur Unfruchtbarkeit in
ihren Auswirkungen sich verurteilt sieht, da auf der
einen Seite Gleichgiltigkeit und kompromisselnde Ener-
gielosigkeit, auf der anderen eine ellenbogenstarke
Aktivität niemals in ein rechtes Verhältnis zueinander
kommen können, um sich in höherer Einheit, dem Dienst
an der Sache, uneigennützig zusammenzufinden. Dage-
gen hat es das Ausland verstanden in den ihm zugewie-
senen Räumen sich so zu präsentieren, daß die nationale
Einheit und Eigenheit sich sachlich ohne Zuhilfenahme
von irgendwelchem dekorativen Brimborium und in
anschaulicher Weise darstellt.

Da, wie aus dem Vorwort des Kataloges hervor-
geht, beabsichtigt war, eine repräsentative Auswahl von
Erzeugnissen des Kunstgewerbes vorzuführen, die das
Streben nach neuen künstlerischen Zielen erkennen
lassen, so durfte erwartet werden, daß die Aufnahme-
Ausschüsse der einzelnen Länder sich an dieses Pro-
gramm hielten. Leider fühlte man sich in Deutschland
veranlaßt, die Grenzen recht weit zu stecken, so daß
das Ausland in jedem Falle, soweit es überhaupt Ver-
ständnis für den Qualitätsbegriff zeigt, sich günstiger,
weil einheitlich, repräsentiert.

Die eindruckvollste und nachdrücklichste Leistung
sind die Räume von Holland und England, deren Kunst-
gewerbe nicht allein in künstlerischer, sondern, wie mir
scheint, auch sehr geschickt in kaufmännischer Be-
ziehung aufgemacht wurde, so daß die Zweige, die
hauptsächlich für den Han'del in Frage kommen, Texti-
lien und Keramik in England, Glas und Keramik in
Holland, besonders gut zur Geltung kommen. Aus glei-

chen Gründen hat'man wohl auch in Dänemark auf die
Vorführung seiner Keramik einen besonderen Akzent
gesetzt, ebenso wie Italien und Schweden mit ihren Glä-
sern als alleinigen Ausstellungsobjekten die besonderen
Werte dieses Kunstgewerbes ersichtlich machen woll-
ten, während Frankreich sich zwar durch eine äußer-
lich wirkungsvolle Inszenierung bemerkbar macht, allein
von einer sachlichen Modernität doch wohl noch recht
weit in der Praxis entfernt zu sein scheint, denn der
artistische kunstgewerbliche Radikalismus, der sich
so gebärdet, als ob er mit aller Tradition gebrochen
hätte, hat, wie aus den zahlreichen Gegenbeispielen
hervorgeht, doch wohl nur eine kleine Gefolgschaft.
Belgien mit ein paar Steinzeugen wirkt sehr beschei-
den, nüchtern die Schweiz. Die Tschechoslowakei ist,
soweit die österreichische Tradition wie beim Glas und
Porzellan noch lebendig ist, durchaus im Sinne des
westeuropäischen Qualitätsgedankens orientiert, läßt
aber nicht verkennen, daß da, wo man an die Erfindung
eines eigenen nationalen Stiles sich gemacht hat, die
grundlegenden westeuropäischen Qualitätsforderungen
noch nicht genügendes Verständnis gefunden haben und
ein Ausgleich noch nicht stattgefunden hat unter die-
sen zentrifugalen Kräften.

Deutschland, das naturgemäß quantitativ am reich-
sten vertreten ist, würde wohl noch besser haben ab-
schneiden können, wenn schärfer von der Aufnahme-
Kommission gesichtet worden wäre. In der Keramik
und beim Spielzeug, um nur diese beiden Kategorien
hervorzuheben, hat man anscheinend stellenweise mehr
als ein Auge zugedrückt, und andererseits wäre es leicht
möglich gewesen, den in den letzten Jahren mit großem
Eifer und Geschmack sich entwickelnden Glasschnitt
eindringlicher vorzuführen, wenn man den Dingen auf-
merksamer nachgegangen wäre. Daß die Ausstellung
von neuem bestätigt, daß die deutsche Keramik seit
zwanzig Jahren der ausländischen zum mindesten eben-
bürtig ist und daß im besonderen die deutsche Porzellan-
kunst das, was das Ausland hier aufgebracht hat, in
den Schatten stellt, gibt noch keine Veranlassung über
Unzulänglichkeiten hinwegzusehen. Nachdem man
glücklich im Porzellan sich zu eigenen Form- und
Dekoranschauungen durchgerungen hat, muß es um so
mehr auffallen, daß die Kunsttöpferei — Ausnahmen
sind Velten, Karlsruhe und Feuerriegel — sich zum
größten Teil mit Haut und Haaren einem Japanismus
verschrieben hat, der, solange er individualisiert in ein-
zelnen Künstlerschöpfungen auftritt, natürlich nicht
ohneBerechtigung ist, aber mehr als unerfreulich wirkt,
wenn fabrikmäßig japanische oder chinesische Formeu
hergestellt werden, seien sie in der Glasur technisch
auch noch so vollkommen. Wo in aller Welt sollen all
diese Schalen und Schälchen, Schüsseln und Väschen
ein Unterkommen finden, die, so sinn- uud zweckvoll
ihre Vorbilder in Ostasien sind, so wenig verwendbar
für uns werden. Kunstgewerbe ist Zweckkunst. Das
scheint man bei uns leider zu vergessen. Dieser Man-
gel an Verständnis fiir die Aufgaben des Kunstgewerbes
wird noch deutlicher beim Spielzeug. Spielzeug ist für

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