gung von Gegenständen, die man zum Schmuck herum-
stellt, herumlegt und bestenfalls in Glasvitrinen als
moderne Köstlichkeiten zur Schau bringt, kurzum, der
Schmuck um des Schmuckes willen, an dessen Herstel-
lung sich auch die Liebhaber in so großer Zahl zu betei-
iigen pflegen, ist offenbar für lange Zeit abgetan.“
Es liegt sehr viel Richtiges in diesen Worten; der
berechtigte Spott iiber dieses „Kunstgewerbe“ aber
überträgt sich allzuleicht auf die ganz ernste Sache, die
bisher diesen Namen trug und noch trägt, und bei der
niemals der Schmuck um des Schmuckes willen existiert
hat. Im gleichen Atem nun sagt der eben zitierte Autor:
„Vielleicht ist gerade durch die Unterscheidung und die
Herbeiführung einer Rangordnung auf dem Gebiet der
Herstellung von Gegenständen der allergrößte Schaden
angerichtet worden. Es war falsch anzunehmen, es
gäbe eine „holie“ und eine „niedere“ Kunst, als sei z. B.
die freie Kunst etwas Besseres als die sog. angewandte
Kunst, also die Herstellung von Gegenständen, die Ge-
brauchszwecken zu dienen haben, „und er definiert dann
im Gegensatz zur freien, nicht mit einem Gebrauchs-
zweck verbundenen Kunst die angewandte Kunst so,
daß „alles, was entsprungen ist, dem Gebiet der Zweck-
kunst angehört, die wir als große und kleine Architektur
bezeichnen wollen. Auch hier muß eine irreführende
Begriffsbildung bekämpft werden. Noch immer ist man
geneigt zu unterscheiden zwischen höheren und niederen
Arten der Zweckkunst, etwa als sei ein Architektur-
gebilde etwas Besseres als ein Schrank, und ein Schrank
etwas Besseres als ein Tintenfaß, als sei die Gestaltung
einer Kaffeekanne weniger ernst zu nehmen als
die einer Hausfassade. Ich möchte sagen, für die neue
Gesinnung ist es bezeichnend, daß für sie auf dem Gebiet
der angewandten Kunst eigentlich nur Größenunter-
schiede existieren, hinsichtlich der Bedeutung ftir unsere
gestaltende Tätigkeit jedoch eine Rangordnung von der
Hand gewiesen wird. Der Unterschied zwischen Bau-
kunst und Kunstgewerbe wird somit außer Geltung
gesetzt.“
Diese Sätze möchte ich mit allem Nachdruck unter-
streichen, aber möchte doch zugleich darauf hinweisen,
daß auch in früheren Zeiten dieser Unterschied niemals
existiert hat, also nicht nur für die neue Gesinnung, son-
dern viel mehr für die Gesinnung aller alten Zeiten,
deren Schöpfungen unsere Museen gewidmet sind, Gel-
tung gehabt hat. Nehmen Sie jede schöpferische Epoche
der alten Knnst: stets sehen wir eine unerhört starke
Einheit des künstlerischen Wollens in allen ihren Wer-
ken, in der Malerei, der Plastik, der Baukunst und in
jedcm Erzeugnis des Kunstgewerbes. Und so glaube
ich, daß die Sammlungen des alten Kunstgewerbes, wie
wir sic in den Museen pflegen, auch heute nocli großen
erzieherischen Wert haben — nicht als Vorbilder! —
aber als Zeugnisse für die ungeheure Kraft ungebroche-
'ier und naiv schaffender und dabei doch selbstbewußter
Generationen, die im Stande waren, sich einen eigenen
hlaren Stil zn schaffen, den wir heute krampfhaft suchen,
her aber hcute, bei der vollkommenen Unsicherheit aller
Wert und Werturteile uud bei dem Kampf zwischen
Industrie und Handwerk, bedeutend schwerer zu finden
ist als früher.
Ich glaube, daß wir lieute viel zu viel von dem
reden, was wir schaffen wollen oder sollten. Das naive
Schaffen tut uns not, nicht das Reden. Die stets wie-
derholte Meinung, daß der Historizismus, der als Kind
der letztvergangenenGeneration ganz gesetzmäßig heute
verdammt wird, allein schuld an der Verwirrung sei,
ist absolut nicht zutreffend. Die Verwirrung war vor-
her da, schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts, und der
Historizismus war ein erster — in unseren Augen aller-
dings mißglückter — Heilversuch. Heute ringen wir
— genau wie damals — um einen neuen Stil. Ein Stil
ist aber noch nie durch Reden zustande gekommen, son-
dern ein Stil entsteht und wächst mit Naturnotwendig-
keit nur aus dem Kampf des Schaffenden, sei er Künst-
ler oder Handwerker. selbst mit der Materie und-mit
der eigenen, zeitgebundenen Seele.
Die Rolle der Kunstgewerbe-Museen als „Vorbilder-
sammlung“ also ist endgiltig ausgespielt; ihre kunst-
erzieherische Wirkung im höheren Sinne aber bleibt
bestehen. Weiter aber haben sie andere Aufgaben, die
ich nur mit kurzen Schlagworten beleuchten will. Sie
haben kulturgeschichtliche, kunstwissenschaftliche und
ästhetische Aufgaben. Und schließlich haben sie eine
Aufgabe, aie der heutigen Zeit besonders stark einge-
hämmert zu werden verdient: die Aufgabe, an gewisse
Verpflichtungen der Ehrfurcht, der Achtung auch gegen-
über alten, heute nicht mehr geltenden Kunstanschau-
ungen zu erinnern, Verpflichtungen, die in unserer viel-
leicht allzuvorurteilslosen und hemmungslosen Zeit ver-
loren zu gehen scheinen.
Dieselben Geftihlsmomente, dieselbe „Romantik“,
die man anderen Geistes- und Kunstschöpfungen ver-
gangener Zeit bewilligt, nehme ich auch für die
Schöpfungen des alten Kunstgewerbes in Anspruch.
Kein moderner Maler denkt daran, sich die Malweise
und die künstlerische Sonderart etwa Rembrandts zu
eigen zu machen — und trotzdem ist die Achtung vor
dem Schaffen Rcmbrandts heute vielleicht größer als je.
Gerade in diesen Tagen hat die ganze Kulturwelt
den 100jährigen Todestag Beethovens gefeiert; die
modernste Musik hat thematisch und instrumental kaum
nocli etwas mit Beethovens Schaffen gemeinsam; fällt
es aber irgend jemand ein, Bcethoven deshalb zum alten
Eisen zu werfen?
Die neue Sachlichkeit unserer Baukunst ist allen
alten Baustilen von Grund aus entgegengesetzt. Und
doch sind gerade die denkmalpflegerischen Neigungen
unserer Zeit ganz besonders stark.
Solltc da wirklich nur das alte Kunstgewerbe, dic
„kleine Architektur“, eine Ausnahme machen und ver-
dammenswert sein? Nein, ich glaube im Gegenteil, daß
es keine andere künstlerische Emanation des mensch-
lichen Geistes gibt, die für die Erkenntnis des kulturellen
Ablaufs der geschichtlichen Epochen wichtiger und auf-
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stellt, herumlegt und bestenfalls in Glasvitrinen als
moderne Köstlichkeiten zur Schau bringt, kurzum, der
Schmuck um des Schmuckes willen, an dessen Herstel-
lung sich auch die Liebhaber in so großer Zahl zu betei-
iigen pflegen, ist offenbar für lange Zeit abgetan.“
Es liegt sehr viel Richtiges in diesen Worten; der
berechtigte Spott iiber dieses „Kunstgewerbe“ aber
überträgt sich allzuleicht auf die ganz ernste Sache, die
bisher diesen Namen trug und noch trägt, und bei der
niemals der Schmuck um des Schmuckes willen existiert
hat. Im gleichen Atem nun sagt der eben zitierte Autor:
„Vielleicht ist gerade durch die Unterscheidung und die
Herbeiführung einer Rangordnung auf dem Gebiet der
Herstellung von Gegenständen der allergrößte Schaden
angerichtet worden. Es war falsch anzunehmen, es
gäbe eine „holie“ und eine „niedere“ Kunst, als sei z. B.
die freie Kunst etwas Besseres als die sog. angewandte
Kunst, also die Herstellung von Gegenständen, die Ge-
brauchszwecken zu dienen haben, „und er definiert dann
im Gegensatz zur freien, nicht mit einem Gebrauchs-
zweck verbundenen Kunst die angewandte Kunst so,
daß „alles, was entsprungen ist, dem Gebiet der Zweck-
kunst angehört, die wir als große und kleine Architektur
bezeichnen wollen. Auch hier muß eine irreführende
Begriffsbildung bekämpft werden. Noch immer ist man
geneigt zu unterscheiden zwischen höheren und niederen
Arten der Zweckkunst, etwa als sei ein Architektur-
gebilde etwas Besseres als ein Schrank, und ein Schrank
etwas Besseres als ein Tintenfaß, als sei die Gestaltung
einer Kaffeekanne weniger ernst zu nehmen als
die einer Hausfassade. Ich möchte sagen, für die neue
Gesinnung ist es bezeichnend, daß für sie auf dem Gebiet
der angewandten Kunst eigentlich nur Größenunter-
schiede existieren, hinsichtlich der Bedeutung ftir unsere
gestaltende Tätigkeit jedoch eine Rangordnung von der
Hand gewiesen wird. Der Unterschied zwischen Bau-
kunst und Kunstgewerbe wird somit außer Geltung
gesetzt.“
Diese Sätze möchte ich mit allem Nachdruck unter-
streichen, aber möchte doch zugleich darauf hinweisen,
daß auch in früheren Zeiten dieser Unterschied niemals
existiert hat, also nicht nur für die neue Gesinnung, son-
dern viel mehr für die Gesinnung aller alten Zeiten,
deren Schöpfungen unsere Museen gewidmet sind, Gel-
tung gehabt hat. Nehmen Sie jede schöpferische Epoche
der alten Knnst: stets sehen wir eine unerhört starke
Einheit des künstlerischen Wollens in allen ihren Wer-
ken, in der Malerei, der Plastik, der Baukunst und in
jedcm Erzeugnis des Kunstgewerbes. Und so glaube
ich, daß die Sammlungen des alten Kunstgewerbes, wie
wir sic in den Museen pflegen, auch heute nocli großen
erzieherischen Wert haben — nicht als Vorbilder! —
aber als Zeugnisse für die ungeheure Kraft ungebroche-
'ier und naiv schaffender und dabei doch selbstbewußter
Generationen, die im Stande waren, sich einen eigenen
hlaren Stil zn schaffen, den wir heute krampfhaft suchen,
her aber hcute, bei der vollkommenen Unsicherheit aller
Wert und Werturteile uud bei dem Kampf zwischen
Industrie und Handwerk, bedeutend schwerer zu finden
ist als früher.
Ich glaube, daß wir lieute viel zu viel von dem
reden, was wir schaffen wollen oder sollten. Das naive
Schaffen tut uns not, nicht das Reden. Die stets wie-
derholte Meinung, daß der Historizismus, der als Kind
der letztvergangenenGeneration ganz gesetzmäßig heute
verdammt wird, allein schuld an der Verwirrung sei,
ist absolut nicht zutreffend. Die Verwirrung war vor-
her da, schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts, und der
Historizismus war ein erster — in unseren Augen aller-
dings mißglückter — Heilversuch. Heute ringen wir
— genau wie damals — um einen neuen Stil. Ein Stil
ist aber noch nie durch Reden zustande gekommen, son-
dern ein Stil entsteht und wächst mit Naturnotwendig-
keit nur aus dem Kampf des Schaffenden, sei er Künst-
ler oder Handwerker. selbst mit der Materie und-mit
der eigenen, zeitgebundenen Seele.
Die Rolle der Kunstgewerbe-Museen als „Vorbilder-
sammlung“ also ist endgiltig ausgespielt; ihre kunst-
erzieherische Wirkung im höheren Sinne aber bleibt
bestehen. Weiter aber haben sie andere Aufgaben, die
ich nur mit kurzen Schlagworten beleuchten will. Sie
haben kulturgeschichtliche, kunstwissenschaftliche und
ästhetische Aufgaben. Und schließlich haben sie eine
Aufgabe, aie der heutigen Zeit besonders stark einge-
hämmert zu werden verdient: die Aufgabe, an gewisse
Verpflichtungen der Ehrfurcht, der Achtung auch gegen-
über alten, heute nicht mehr geltenden Kunstanschau-
ungen zu erinnern, Verpflichtungen, die in unserer viel-
leicht allzuvorurteilslosen und hemmungslosen Zeit ver-
loren zu gehen scheinen.
Dieselben Geftihlsmomente, dieselbe „Romantik“,
die man anderen Geistes- und Kunstschöpfungen ver-
gangener Zeit bewilligt, nehme ich auch für die
Schöpfungen des alten Kunstgewerbes in Anspruch.
Kein moderner Maler denkt daran, sich die Malweise
und die künstlerische Sonderart etwa Rembrandts zu
eigen zu machen — und trotzdem ist die Achtung vor
dem Schaffen Rcmbrandts heute vielleicht größer als je.
Gerade in diesen Tagen hat die ganze Kulturwelt
den 100jährigen Todestag Beethovens gefeiert; die
modernste Musik hat thematisch und instrumental kaum
nocli etwas mit Beethovens Schaffen gemeinsam; fällt
es aber irgend jemand ein, Bcethoven deshalb zum alten
Eisen zu werfen?
Die neue Sachlichkeit unserer Baukunst ist allen
alten Baustilen von Grund aus entgegengesetzt. Und
doch sind gerade die denkmalpflegerischen Neigungen
unserer Zeit ganz besonders stark.
Solltc da wirklich nur das alte Kunstgewerbe, dic
„kleine Architektur“, eine Ausnahme machen und ver-
dammenswert sein? Nein, ich glaube im Gegenteil, daß
es keine andere künstlerische Emanation des mensch-
lichen Geistes gibt, die für die Erkenntnis des kulturellen
Ablaufs der geschichtlichen Epochen wichtiger und auf-
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