des Karisteppichs und des. verwandten Knüpfteppichs
mit der Hoclizeit des Merkur und der Pliilolog'ie in Qued-
linburg. Vor allerri die letzten Werke fügen sicli so
zwanglos in den Zeitstil, daß der Erklärungsvcrsucli
ii'ber karolingische Miniaturen unnötig erscheint. Man
vergleiche für die Figur des Kais.ers die Königsgestalten
am Hildesheimer Oswaldreliquiar, fiir die Farbigkeit
der Rautenrahmung wie die Gesamtkomposition die
Emails von der Maas bis zu Nicolaus von Verdun. Ge-
rade die reifen Arbeiten des großen Verduners zeigen es
ebenso schlagend wie die klassische Monumentalität der
Quedlinburger Teppichallegorien, ebenso wie Reims
oder Bamberg daß mit der Macht eines Naturereignisses
die nordisch-mittelalterliche Menschheit, wenn auch nur
ganz kurze Zcit antikem Geist ganz nahe stand. Dabei
liegt es auf der Haud, daß die Misclmng der äußeren
Voraussetzungen: Ueberlieferung antiker Formen-
sprache durch Bilderhaudschriften, Einfluß erhaltencr
antiker Originale und Umweg iiber Byzanz in jeder
Landscbaft, ja bei jedem Künstler verschleden sein
mußte.
Das Zurücktreten der drei im hohen Mittelalter
herrschenden Mächte: Kaisertum, Kirche und Ritter-
tum bedingte mit dem Heraufkommen der städtisch-
bürgerlichen Kultur eine folgens.chwere soziale Um-
schichtung. Die Wirkkunst wird mancherorts ein pro-
fanes Gewerbe, dessen Erzeugnisse ganz im Gegensatz
zu den großformatigen, höfisch-prunkvollen franko-
flämischen Arbeiten bescheiden anmuten und zum
Schmuck von Kirchen und Klöstern, insonderheit aber
zur Wohnlichmachung von Rats.- und Bürgerhäusern
dienten.
In der Kirche wurden die Bildteppiche als Antepen-
dien, Stuhl- oder Wandbehänge, Rücklacken, als Kis-
sen, Fußteppiche und Pulttücher benutzt. Iu weltlichen
Räumen als Gutschentücher, Bank- oder Stuhllachen,
Bett- oder Tischtücher, Decken, Kissenziechen und
Wandbehänge. Das Fehlen von Wirkarbeiten für das
13. Jahrh. ist mit der Abnahme kirchlichen Bedarfs
durch den Mauerflächenfortfall der großfenstrigen, go-
tischen Kirchen erklärbar. Nach einhundertjähriger
Pause beginnt in der ersten Hälfte des 14. Jahrh. die
zweite, die eigentliche Blütezeit der Teppichkunst. Der
Schwerpunkt hat sich inzwischen nacli dem Süden und
Südwesten Deutschlands verschoben. Die Verfasserin
hat das unübersichtliche Material überzeugend in s.echs
große Zentren geordnet und innerhalb derselben in
chronologischer Abfolge stilistisch gruppiert. Es scheint
nicht belanglos, daß am Anfang die rheinischen
Bildteppiche stehen. Denn hier war doch während des
ganzen Mittelalters ein Qucllgebiet deutscher Kultur.
Dabei merkt man es auch der Geschichte der spät-
gotischen Wirkereien an, daß die Zentren damaliger
bürgerlicher Kultur sich in den großen Städten befan-
den. So läßt sicli gleich die erste, die schweizerische
Gruppe um B a s e 1 vereinen, das nach Urkunden des
15. Jahrh. als Hauptort gewerbsmäßig betriebener
„Heidnischwirkerei“ schon durch R. F. Burkhardts
Basler Bildteppichwerk erkannt wurde.
Von den Fabeltierteppichen um 1430 an, ist die Ent-
wicklung der Schweizer Arbeiten bis in’s 16. Jahrh. klar
verfolgbar. In stilist'ischer Hinsicht bedeutsam bei
dieser Gruppe is.t die dekorative Reihung stilisierter Fi-
guren und Phantasietiere, die in auffälligem Gegensatz
steht zu den naturalistischen Bestrebungen der gleich-
zeitigen Malerei. Es ist der Zwang von Material und
I echnik, der den größten Reiz der Teppiche bedingt.
Denn bei dem aufrechtstehenden Wirkrahmen durcheilt
der Schußfaden nicht die ganze Breite der Kette wie bei
der Weberei, sondcrn er läuft nur sowelt, wie die be-
treffende Farbe es verlangt und bewirkt so ein mos.aik-
artiges Zusammenfügen der verschiedenfarbigen
Flächen. Solange nun das Bedürfnis blieb, starkfarbige
Kissen mit Dame und Papagei. Schweiz.
3. Viertel 15. Jahrh. — Hamburg, Museum fiir Kunst und Gewerbe
Fiächen aneinanderzureihen, war der eigentliche, der
dekorative Charakter gewahrt; der künstlerische Ver-
fall trat erst dann ein, wenn in Uebersteigerung tech-
nischer Raffiness,en das Wirkbild es dem Gemälde
gleichzutun versuchte. Die Beschränkung alles Figür-
lichen auf die notwendigsten Formkomplexe läßt es be-
greiflich erscheinen, daß erläuternde Schriftbänder —
auch für den formalen Gehalt — eine so große Rolle
spielen.
Eine weitere, in der 1. Hälfte des 15. Jahrh. entstan-
dene Gruppe weltlich-allegorischer Arbeiten, deren
Wildeleute, Jungfrauen und Fabeltiere wie die Sprüche
auf Weltabkelir und Natursehnsucht hinweisen, gipfelt
in denr herrlichen Teppich in Klagenfurt. Auf der um-
fangreichen Gruppe der Wildleuteteppiche wird neben
idyllischem Landleben die Treue verherrlicht, Teppiche
mit satirischen Darstellungen schließen sich an. Her-
vorzuheben ist dann die Gruppe der Minneteppiche, die
wohl gleich den Minnekästclien als Braut- und Hoch-
zeitsgeschenke gedacht waren; gewöhnlich mit Liebes-
paaren bei symboiis.cher Handlung oder in zärtlichem
Beieinander. Meist stehen die Gestaltungen vor gleich-
mäßig und formelhaft liocliziingelnden Ranken, oft vor
52
mit der Hoclizeit des Merkur und der Pliilolog'ie in Qued-
linburg. Vor allerri die letzten Werke fügen sicli so
zwanglos in den Zeitstil, daß der Erklärungsvcrsucli
ii'ber karolingische Miniaturen unnötig erscheint. Man
vergleiche für die Figur des Kais.ers die Königsgestalten
am Hildesheimer Oswaldreliquiar, fiir die Farbigkeit
der Rautenrahmung wie die Gesamtkomposition die
Emails von der Maas bis zu Nicolaus von Verdun. Ge-
rade die reifen Arbeiten des großen Verduners zeigen es
ebenso schlagend wie die klassische Monumentalität der
Quedlinburger Teppichallegorien, ebenso wie Reims
oder Bamberg daß mit der Macht eines Naturereignisses
die nordisch-mittelalterliche Menschheit, wenn auch nur
ganz kurze Zcit antikem Geist ganz nahe stand. Dabei
liegt es auf der Haud, daß die Misclmng der äußeren
Voraussetzungen: Ueberlieferung antiker Formen-
sprache durch Bilderhaudschriften, Einfluß erhaltencr
antiker Originale und Umweg iiber Byzanz in jeder
Landscbaft, ja bei jedem Künstler verschleden sein
mußte.
Das Zurücktreten der drei im hohen Mittelalter
herrschenden Mächte: Kaisertum, Kirche und Ritter-
tum bedingte mit dem Heraufkommen der städtisch-
bürgerlichen Kultur eine folgens.chwere soziale Um-
schichtung. Die Wirkkunst wird mancherorts ein pro-
fanes Gewerbe, dessen Erzeugnisse ganz im Gegensatz
zu den großformatigen, höfisch-prunkvollen franko-
flämischen Arbeiten bescheiden anmuten und zum
Schmuck von Kirchen und Klöstern, insonderheit aber
zur Wohnlichmachung von Rats.- und Bürgerhäusern
dienten.
In der Kirche wurden die Bildteppiche als Antepen-
dien, Stuhl- oder Wandbehänge, Rücklacken, als Kis-
sen, Fußteppiche und Pulttücher benutzt. Iu weltlichen
Räumen als Gutschentücher, Bank- oder Stuhllachen,
Bett- oder Tischtücher, Decken, Kissenziechen und
Wandbehänge. Das Fehlen von Wirkarbeiten für das
13. Jahrh. ist mit der Abnahme kirchlichen Bedarfs
durch den Mauerflächenfortfall der großfenstrigen, go-
tischen Kirchen erklärbar. Nach einhundertjähriger
Pause beginnt in der ersten Hälfte des 14. Jahrh. die
zweite, die eigentliche Blütezeit der Teppichkunst. Der
Schwerpunkt hat sich inzwischen nacli dem Süden und
Südwesten Deutschlands verschoben. Die Verfasserin
hat das unübersichtliche Material überzeugend in s.echs
große Zentren geordnet und innerhalb derselben in
chronologischer Abfolge stilistisch gruppiert. Es scheint
nicht belanglos, daß am Anfang die rheinischen
Bildteppiche stehen. Denn hier war doch während des
ganzen Mittelalters ein Qucllgebiet deutscher Kultur.
Dabei merkt man es auch der Geschichte der spät-
gotischen Wirkereien an, daß die Zentren damaliger
bürgerlicher Kultur sich in den großen Städten befan-
den. So läßt sicli gleich die erste, die schweizerische
Gruppe um B a s e 1 vereinen, das nach Urkunden des
15. Jahrh. als Hauptort gewerbsmäßig betriebener
„Heidnischwirkerei“ schon durch R. F. Burkhardts
Basler Bildteppichwerk erkannt wurde.
Von den Fabeltierteppichen um 1430 an, ist die Ent-
wicklung der Schweizer Arbeiten bis in’s 16. Jahrh. klar
verfolgbar. In stilist'ischer Hinsicht bedeutsam bei
dieser Gruppe is.t die dekorative Reihung stilisierter Fi-
guren und Phantasietiere, die in auffälligem Gegensatz
steht zu den naturalistischen Bestrebungen der gleich-
zeitigen Malerei. Es ist der Zwang von Material und
I echnik, der den größten Reiz der Teppiche bedingt.
Denn bei dem aufrechtstehenden Wirkrahmen durcheilt
der Schußfaden nicht die ganze Breite der Kette wie bei
der Weberei, sondcrn er läuft nur sowelt, wie die be-
treffende Farbe es verlangt und bewirkt so ein mos.aik-
artiges Zusammenfügen der verschiedenfarbigen
Flächen. Solange nun das Bedürfnis blieb, starkfarbige
Kissen mit Dame und Papagei. Schweiz.
3. Viertel 15. Jahrh. — Hamburg, Museum fiir Kunst und Gewerbe
Fiächen aneinanderzureihen, war der eigentliche, der
dekorative Charakter gewahrt; der künstlerische Ver-
fall trat erst dann ein, wenn in Uebersteigerung tech-
nischer Raffiness,en das Wirkbild es dem Gemälde
gleichzutun versuchte. Die Beschränkung alles Figür-
lichen auf die notwendigsten Formkomplexe läßt es be-
greiflich erscheinen, daß erläuternde Schriftbänder —
auch für den formalen Gehalt — eine so große Rolle
spielen.
Eine weitere, in der 1. Hälfte des 15. Jahrh. entstan-
dene Gruppe weltlich-allegorischer Arbeiten, deren
Wildeleute, Jungfrauen und Fabeltiere wie die Sprüche
auf Weltabkelir und Natursehnsucht hinweisen, gipfelt
in denr herrlichen Teppich in Klagenfurt. Auf der um-
fangreichen Gruppe der Wildleuteteppiche wird neben
idyllischem Landleben die Treue verherrlicht, Teppiche
mit satirischen Darstellungen schließen sich an. Her-
vorzuheben ist dann die Gruppe der Minneteppiche, die
wohl gleich den Minnekästclien als Braut- und Hoch-
zeitsgeschenke gedacht waren; gewöhnlich mit Liebes-
paaren bei symboiis.cher Handlung oder in zärtlichem
Beieinander. Meist stehen die Gestaltungen vor gleich-
mäßig und formelhaft liocliziingelnden Ranken, oft vor
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