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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1/2. Novemberheft
DOI Artikel:
Voss, Hermann: Ein unbekanntes Frühwerk Correggios
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0108

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der Cappella del Mantegna von S. Andrea zu Mantua er-
scheint es verwunderlich, wenn ein in Komposition und
Helldunkel so vorgeschrittenes Werk wie die Vermäh-
lung der hl. Katharina in Detroit als früliestes. Oelbild
angesehen wird, während die viei primitivere, fast
schülerhaft mantegneske Fassung des gleichen Gegen-
standes in der Sammlung Frizzoni in eiue wesentliche
spätere Schaffensperiode verlegt wird (etwa gleich-
zeitig mit der Geburt Christi in der Brera). Wir geden-
ken allerdings auf diese Einzelprobleme hier nicht wei-
ier einzugehen, können aber doch nicht umhin, unser
Befremden zu äußern, daß der längst als venezianisch
erkannte „Flötenblasende Faun“ in Miinchen von Ven-
turi immer noch als Correggio geführt und Alles, was
dagegen von der Forschung vorgebracht wurde, igno-
riert wird.

Ueberhaupt muß das geringe Interesse für fremde
wis.senschaftliche Ergebnisse — insbesondere solche der
deutschen Forschung —, die durchgehends bei Venturi
zu bemerken ist, Verwunderung erregen. Den Lesern
dieser Zeitschrift ist der schlagende, von I. Kunze 1925
geführte Nachweis in Erinnerung, daß die von Venturi
schon früher Correggio attribuierte „Madonna del
Latte“ (Sammlung Borromeo, Isolabella) eine Kopic
nach Agostino Carracci ist, wie übrigens, auch olme
Kenntnis des von I. Kunze nachgewiesenen zeitge-
nössischen Stiches, schon aus dem Stil hätte gefolgcrt
werden s.ollen. In Venturis neuem Werk ist nun hiervon
auch nicht eine Zeile zu lesen; die Carraccikopie figu-
riert vielmehr weiter als Arbeit Correggios, ohne irgend
eine andere kritische Bemerkung als die höchst gleich-
gültige Notiz: War bisher Francesco Mazzola zuge-
schrieben.

Aehnlich verhält es sich mit der früher als Lelio
Orsi geführten Halbfigur der „Mansuetudine“ in der
Wiener Galerie, die Venturi unvers.tändlichcrweise ein-
mal Correggio genannt hat und auf deren Attribution
er auch jetzt beharrt, obwohl von mir (Kunstchronik
1921, S. 681) der stilkritische und historische Beweis
geführt worden ist, daß es sich um einen für den Kar-

Abb. 5: Riickseite der Mansuetudine mit der Signatur Bilivertis

Abb. 6: Francesco Furini (nicht Correggio), Eva
London, L. C. Nicholson

dinal Leopoldo dei Medici gemalten und von diesem dem
Kaiser geschenkten Giovanni Biliverti handelt. Ich ver-
sage es mir, meine von allen Seiten als, schlüssig aner-
kannte Argumentation 4) liier zu wiederholen und be-

4) G. Gltick war der Einzige, der zunächst nocli gewisse Zwei-
fel zunr Ausdruck braclite, mir später aber (Mai 1925) mitteilte,
„daß sicli Ilrre Bestimmung unserer ,Allegorie der Sanftmut1 auf
Biliverti voll bestätigt.“ — Ich wiirde es iibrigens begriißen, wenn
das schon seit längerer Zeit in Wien unsichtbar gewordene Bild
wieder ausgestellt würde, das soiviele Debatten iiber seinen Meister
entfaltet hat und dessen Urheber jetzt so eindeutig feststeht. Es
war immer ein vielbeachtetes Werk und sollte es nach Bestimmung
seines wirklichen Meisters noch mehr als vorher sein.

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