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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1/2. Novemberheft
DOI Artikel:
Pazaurek, Gustav Edmund: Der Frankfurter Glasschnitt und die Familie Heß, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0112

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Wenn auch Frankfurt im Dreißigjährigen Kriege
wegen seiner Neutralität glimpflicher weggekommen
war als andere deutsche Städte, wenn es auch als Walil-
uud Krönungsstadt der römischen Kaiser wie als Messe-
stadt bald wieder einen ansehnlichen Aufschwung nahm,
so mochte es unserem Glasschneider docli nicht leicht
geworden sein, sich mit seiner Familie nicht nur durch-
zukämpfen, sondern zu einem sicherlich nicht unerheb-
lichen Wohlstand zu gelangen. Nach seiner Bücherei zu
urteiien, muß er nicht nur ein tief religiöser Mann gewe-
sen sein, sondern auch ein in diesen Kreisen geradezu
überraschendes Interesse für die Wissenschaften und
Künste gehabt und an seiner Allgemeinbildung rege ge-
arbeitet haben. Schade, daß sich sein im Inventar ge-
nanntes Porträt unseres Wissens nicht erhalten hat.

Sein noch vor der Frankfurter Zeit geborener ein-
ziger Sohn J o h a n n B e n e d i k t I. ist bereits am
6. Dezember 1680, also 9 Jahre vor seinem Vater, gestor-
ben. Er mag wohl vornehmlich in der Werkstatt seines
Vaters gearbeitet haben, pflegte aber neben dem Glas-
schnitt auch schon den Edelsteinschnitt. Bei seiner Auf-
nahme unter die Bürger der Stadt am 17. April 1668
zahlt er 6 Reichstaler; sein Familienverkehr ist dem sei-
nes Vaters ähnllch; nur einmal, 1674, bei der Taufe sei-
ner Tochter Johanetta, erscheint als Patin die Tochter
des Frankfurters Johann Jakob Nicken „Bürgers und
Jubelierers“, womit die erste Beziehung zu der hoch in
Blüte stehenden Frankfurter Edelsteinverarbeitung aus-
gesprochen ist.

groß 4° in vier Bänden, Frankforther Reformation in folio,
Gothofredi Fiistoria Antipodum in fol., Schlüsselbergers
Epistel Postil in folio, Cajus Plinius Deutsch in folio, Dr. Luthers
Hauspostill in folio, Promptuarium Exemplorum in folio, teutsche
Apothek Aegerii in folio, Dr. Luthers Corpus Doctrinae Christianae
in folio, Grubers Schaukästlein in 4° in vier Bänden, Gothofredi vier
Monarchien in 4° in einem Band, Holtingischer Christlicher Weg-
weiser in 4°, Seriinisch Beschreibung des Königreichs
Sinae in 4°, Orsetti Gebetbuch in 4°, Sauserii vier Adventpredig-
ten in 4°, Gründlicher Bericht vom h. Abendmahl in 4°, Dr. Probst
Christl. Erinnerungen in 4°, Meister Veiten Dietrich Summaria über
das Alt Testament in 4°, Endlioher Bericht der Leipzischen und
Wittenbergischen Theologorum in 4°, Tractat vom Ursprung
der freyen Künste in4°, [Heinrich] Lautensacks U n t e r -
richt des Circuls und des Rechtscheids in 4°,
Schaedaes Valetpredigt, allerhand in 8° und 12° alte Bticher.

An Zinn: Porzellanene Kriig mit Zinnernen Deckel. 94 Pfund Zinn
an Schiisseln, Tellern, Kandten und anderen Gefässen.

In obgedachter Großen Stuben: 1 großer Hirschkopf, Strohern Mäni-
gen mit 11 papirenen Schildereyen [folgen noch allerlei Möbel etc.J,
alter Tischteppich. Das defuncti Contrefait. [Dann folgt das Lei-
nenzeug.] Grüner dannener Schrank mit 2 Türen, worinnen: 7 glä-
serne Krüg ohne Deckel, 1 groß und kleine viereckicht Schaal,
1 gläserne Lavor sambt Gießkann, 16 große und kleine
Kelch. darunter einer mit einem Deckel, 35 Deckel gesohnitten und
ungesohnitten. — Ein langer grtiner Schrank mit 1 Tiire, worinnen:
1 groß noch unausgemachtes geschnitten Glas mit einem Deckel,
7 große Römer, 2 grtine Fläschen, ein unausgemachter Römer,
4 Christallener Krtig, 1 klein nicht gar ausgeschnitten
Kriigelchen, 6 Kelcli nicht ausgemacht, 2 große Kelch, davon einer
einen Deckel hat, 1 braune Fläsch und 1 weiße Biltflasche,
32 Bticher von allerhand Kupferstticken.

Unten im Hause: Eine Weinkelter sambt Zubehör.

In dem Saal: Tannenmöbel.

Im Kuhstall eine Kuh, im Schweinestall 3 Schweine.

Dieser Johann Benedikt I. hatte außer zwei Töch-
tern auch drei Söhne, von denen zwei in die Fußtapfen
des Vaters bzw. Großvaters traten, nämlich J o h a n n
Benedikt II. (1672 — 1736) und Sebastian
(1676—1731). Der letztere, der den Namen seinem Tauf-
paten, dem Medicinae Dr. Schöffer verdankt, blieb ledig;
er wird sich wohl vorwiegend als Mitarbeiter seines
älteren Bruders betätigt haben. Dieser Bruder, Johann
Benedikt II., der beim Tode seines Vaters erst acht
Jahre und beim Tode seines Großvaters auch erst 17
Jahre alt war, bekommt erst neun Jalire später, am 28.
üktober 1698 das Bürgerrecht und heiratet auch im
gleichen Jahre. In der Zwischenzeit mag er bei einem
Edelsteinschneider gearbeitet haben, der ihn nach einer
anderen Richtung lenkte. Seine Hhe ist sehr kinderreich;
unter den Paten finden wir außer seinem Schwieger-
vater, dem Maurer Peter Gernhardt, auch die Frau des
Juris Doktors J. J. Moorsen, seinen Schwager, den deut-
schen Schul- und Rechenmeister J. D. Stupplins, sowie
den Goldarbeiter Carl Alexander Clausius. — Johann
Benedikt II. stirbt am 16. Oktober 1736; unter seinen
neun uns bekannten Kindern kommt für uns nur sein
zweiter Sohn P e t e r (geboren den 5. Dezember 1709)
in Betracht. Während noch dessen Vater und Groß-
vater urkundlich nur als „Glasschneider“, der Vater auch
eimnal gelegentlich (am 3. Juli 1701 bei der Taufe sei-
ner Tochter), der Großvater im Bürgermeisterbuch 1643
f. 72 auch als „Kunstglasschneider“ erwähnt werden, ist
Peter lediglich Edelsteinschneider, aber auch Stein-
mosaizist, als welcher er nach Cassel übersiedelt,
wo er am 25. Februar 1746 als Hofedelstein-
schneider oder „Hof-Lapidaire“' des kunstliebenden,
aber nicht gerade skrupulösen Landgrafen Fried-

An Briefschaften befanden sich: Wehrbriefe iiber das Sterbehaus. —
Geburtsbrief den defunctum betreffend. — Quittung von Benedikt
Hessen [Sohn] von 200 Reichstaler an seiner Aussteuer. — Verleih-
brief zwischen dem alten und jungere Hessen seeligen. — Quittung
von 200 R. von Adam Geil [wohl der Schwiegersohn] auf Abschlag
seines Heuratsgutes. — Sonst allerlei Scriptura . . . Schriftlicher
Vergleich zwischen Johann Hessen ,seel. und Susanna Jacob Mtillers
seel. Wittiben, als seiner Hausfrau, die Einkindschaft ihrer beyder
zusammengebrachten Kinder betreffend.

Liegende Güther: Behausung im Ludwigsland Z u m
Hir schsprung genannt, beyderseits frei gelegen, hinten auf
den Schoalirischen Garten stoßend, jährlichen hiesigem Almosen-
kastenhaus armer Leuth zinsend 9 Schilling und 1 Huhn, ist fiir
3500 R. verkauft worden, hingegen beschwert mit einem Insatz
von 750 R., der Meyerischen Frau Wittiben in der Arch getan. —
1 Behausung auf der Kalbächer Gassen . . . zins-
frei, ledig und eigen, und ist verkauft worden für 50 R. — 1 Viertel
Morgen Ackers. — 1 Anhang Bänkelchen in der Kirche zu St.
Cathrinen gegen der Canzel über.

A c t i v a : Sebastian Müller hat empfangen 835 R. — Johann Moritz
Hartmanns Wittib 300 R. — Adam Geil uxo’ris nomine 300 R. —
Johann Benedict Hessen Wittib 300 R.

P a s s i v a : Von Frau Mayerin in der Arch gelehnt auf eine Hand-
schrift, so zur Begräbnus kommen, 200 R. — Auf der Schatzung
55 R. — Interesse von 750 R. Kapital, so auf dem Haus steht, wie
obgemalt, zwei Jahre R. 60. —• D e m G 1 a s e r 8 R.“ —

(Von einem Brauereibetrieb oder einer Färberei ist keine
Rede; Hüsgen (a. a. O. S. 212) und nach ihm Gwinner a. a. O. S. 203)
muß hier eine Verweohslung mit einem anderen Namensvetter unter-
laufen sein.)

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