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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI Heft:
1/2. Novemberheft
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Aus dem nordischen Kunstleben / Schweizerische Kunstchronik / Ein Landsitz der Kolonialzeit als Museum hergerichtet / Kunstauktionen / Bode und der Hohenzollernvergleich / Die Welt der Kunstgelehrten / Urys Londoner Bilder / Aus der Künstlerwelt / Kunstausstellungen / Rathenaus Bilder im Städel / Die Geschichte der Perspektive / Maler und Holzfäller
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0137

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Ueys tondonce 6i(dcc.

Was London L. c s s e r U r y gegeben hat, sugt der Meister
selbst itn vorliegenden Heft des „Kunstwanderers“. Er sagt es in
s e i n c r Art, unbeeinflußt und temperamentvoll. Und wenn er
Turners Genie preist und hinter Turner gleichsam einen Strich
setzt, indem er Monet nennt, trifft er dcn Kernpunkt dcr Mal-
teclmik von einst und jetzt. Aber eins möchte ich noch hinzufügen:
Turner hat den Monet vorausgeahnt, Monet den Ury.

Ja, der Berliner Lesser Ury hat cinen großcn Schritt vor-
wärts getan. Geistig und technisch. London mit scinen L.icht- und
Nebelschlcicrn hat seine viclgestaltige Palette bereichcrt und bc-
seelt. Keinem andem, auch keinem Engländer, gelang es bisher,
die Atmosphäre der englisohen Weltstadt in dcn heftigsten und
stillsten ilircr koloristischen Eigentümlichkeiten so individuell zu
fassen und zu zwingen wie Ury. Wer London kennt, wird das
zugeben müssen.

So ist diese Ausstellung der jiingsten Uryschen Kunst in der
Kunstkammer (Martin Wasservogel, Bcrlin) für mich ein
neuer Bcweis der Entwicklung des Berliner Ktinstlers, der mit
seinen 65 Jahren rastlos an sich weiterarbeitet. Kein Mißgeschick
konnte ihn hemmen. Und es ist angebracht, daß Franz Servaes
im Vorwort zum Katalog der Ausstellung betont, „kein Geringe-
rer als Lovis C o r i n t h“ habe das „ehrende Werk der Gerech-
tigkeit vollzogen, indem er, in unverhohlener Bewunderung für
das großc Talent des Mitstrebenden, diesen aus seiner umdunkelten
Hintergrundstellung hervorholte und in das helle Tageslicht der
von ihm geleiteten Berliner Sezession rückte.“ Denn wie unver-
dient Lesser Ury an vierzig Jahre lang in den Hintergrund ge-
drängt worden ist, und wic sehr er heute noch angefeindet wird,
o b g 1 e i c h er „ein Kiinder des Ncuen war und ist“ und „Sucher
und Finder zugleich“, habe ich in meinem Buche „L.esser Ury. Seine
Stellung in der modernen deutschen Malerei“ (Verlag Max Perl,
Berlin 1921) ausfiihrlich auseinandergesetzt. Auf diese meine
Darstellung weist Paul F r i e d r i c h in einem Aufsatz hin, den
er fiir den Ausstellungskatalog der Kunstkammer iiber „Lesser
Ury als Maler der Großstadt“ schrieb; er sagt, in meinem Ury-
Buche könne man nachlesen, wie Cornelius Gurlitt (1889)
durch den „Neuerer“ Ury plötzlicli die Richtigkeit sowie Auffas-
sung von einem neuen „Sehen“ der Großstadt bestätigt fand.

Lesser Ury sah L.ondon anders als er Berlin sah und sieht.
In Berlin malte und malt er, abgesehen von den Luft- und Licht-
Stimmungen, die ihn, den Lyriker der Farbe, immer locken, das
W e r d e n der Großstadt, ihr immerzu anschwellendes Straßen-
getriebe und ilire immerzu wachsenden Kreise des künstlichen
Lichts. In London stand er, so fühle ich, der alten Weltstadt-
T r a d i t i o n gegeniiber. Die großen Bauten, die Palais, die
Häuscrbiocks tauchen wie Märchen vor ihm auf, sind ihm nur
Silhouetten inmitten der Luftspiegelungen, die an der Themse aus
Wasser, Sonne und Wasserdampf geboren werden. Dieses fremd-
artige der Londoner Luft berauscht ihn, dieses Hauchige, Matt-
silbrige, dieses Melancholische der Stimmung, die iiber Straßcn.
Brücken und Menschen schwebt, reißt ihn mit, zeigt ihm neue
Wege. Und Können und Genie meistern hier die schwierigsten
Malprobleme. In den zwei großen Bildern der Berliner Se-
zession— von dem allgcmein guten künstlerischen Niveau der
Sezessionsausstellung wird noch demnächst zu sprechen sein -
bringt Ury mit die stärksten Proben seiner Londoner Ernte. Und
die Ausstellung in der Kunstkammer mit ihren zwanzig
Qelstücken und Pastellen schließt wundersam dicse einzigartige
L.ondon-Folge.

A d o 1 p h D o n a t h.

Aus dcv KClnfflGtiwelt.

Die Deutsche Bücherei in Leipzig hat in ihrer
Abteilung fiir künstlerische Drucke die Statuette „Bücherwurm“ von
.Tacob Plessncr, dcm Berliner Bildhauer aufgestellt. Von
Plessners Werk (Originalgröße etwa 40 cm, in echter Bronze
mit Marmorsockel) sind genaue Verkleinerungen von etwa 30 und
23 cm ausgefiihrt worden, dic jedoch nicht im öffentlichen Kunst-

handel erscheinen. Jedcs Exemplar wird unter der Leitung des
Künstlers ziseliert und ist signiert. Die Statuette, die besonders fiir
die Büchcrfreunde von Interesse sein diirfte, ist im Atelier des
Kiinstlers in Bcrlin, Briickenallee 31, ausgestellt.

*

Dcr Maler-Radierer L.eo Arndt in Berlin beging am 6. No-
vernber seinen siebzigsten Geburtstag. Unter seinen tech-
niscli vorziiglichen und künstlerisch fein empfundenen Blättern sind
in erster Linie seine Berlirier Ausschntte und seine Volkstypen-
Darstellungen aus Dalmatien zu nennen.

Lawrence, „Miß Mary Moulton Barrett“ oder „Pinkie“
Auktion der Sammlung Lord Michelham bei Hampton & Sons, London

Kunkausffchungcn.

Bßcttru

Die Schau der jüngsten Bilder von H u b e r t W i 1 m bei
G u r 1 i 11 erwärmt uns. Hier spricht ein Maler zu uns, der sich
ungeschminkt zur Natur bekennt, kein Himmelstürmer zwar (und
vorläufig), doch ein echter Malermensch mit der Liebe zur Sache
und voll der Begabung fiir die Ziele der Farbe. Und dabei einer
von jenen nicht zahlreichen Kiinstlern, die niemals mit sich zufrieden
sind, weil sie die Kraft spüren, fiir ihre Kunst weiterzukämpfen.
Aber es ist eigentlich das erstemal, daß wir hier Bildcr des Münch-
ners kennenlernen. Er war von Jahren als Graphiker zu uns ge-
kommen und er hatte damals bewiesen, daß er nicht bloß sein
Handwerk beherrscht, sondern ein Mann von Phantasie ist und von
Esprit. Wenn man in seinen Exlibris geblättert hat, merkt man
sofort den intellektuell eingestellten Graphiker. Um so überraschen-
der wirkt er heute als Maler. Die Phantasie ist von der Impression
der Farbe verdrängt worden und die Impression wächst aus der
den Maler umgebenden Landschaft heraus, die er fixiert. Seine Art
ist schnell zupackend. Er liebt den Rhein und er malt ihn so wie
er sich ihm gibt, an den hellen und an den trtiben Tagen, bei Mor-
gensonne und in der Dämmerung. Diese Rheinlandschaften Hubert

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