Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 8./9.1926/27
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0163
DOI issue:
1/2. Dezemberheft
DOI article:Schweinfurth, Philipp: Altrussische Malerei in Berlin
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0163
finden. 1 n dem umfangreichsten Denkmal der nord-
russischen Wandmalerei des 12. Jahrhunderts, der
Kirche von Nereditza bei Nowgorod, sind diese orien-
talischen Einfliisse ebenfalls zu verspüren. Es treten
aber dort noch konstantinopolitanische nnd allem An-
scheine nach auch romanische Einflüsse liinzu. Von
Groß-Nowgorod aus (am Ilmensee im N. W. Rußland,
und nicht zu verwechseln mit dem erst später zur Be-
deutung gelangten Nishni-Nowgorod im zentralen Ruß-
land) hat die altrussische Wandmalerei gelegentlich
auch nach Gotland hinübergegriffen, wovon heute noch
Denkmäler erhalten sind.
Zu den kunstgeschichtlich interessantesten russi-
schen Wandmalereien des 14. Jahrhunderts gehören
der Kirche des heiligen Theodoros Stratelates. Wenn
die Beteiligung nationaler russischer Meister an der
monumentalen Wandmalerei Rußlands schwer feststell-
bar ist, und in den meisten Fällen die Frage offen bleibt,
wieweit sich hier die Tätigkeit der von Byzanz nach
Rußland gekommenen griechischen Künstler erstreckt,
so tritt in der mittelalterlichen Tafelmalerei das natio-
nale Element mit weit größerer Deutlichkeit, besonders
vom 14. Jahrhundert ab, zutage. Aus der Sammlung
von Professor Winkler-Königsberg sowie aus dem Be-
sitze des Kaiser-Friedrich-Museums wies die Ausstel-
lung einige schöne Stiicke auf, die von der klassischen
Nowgoroder Ikonenkunst eine Vorstellung geben konn-
ten. Der von dem großen Andreij Rublew herkommende
Abb. 3
Der Emanuel
Moskauer Ikone
des 16.—17. Jahrh.
Besitzer: Geh. Rat
Brandt, Berlin
ebenfalls in Nowgorod die urkundlich 1379 in der dorti-
gen Verklärungskirche von dem Griechen Theophanes
ausgeführten Fresken, von denen ein Teil in den letzten
Jahren freigelegt wörden ist. Die künstlerische Freiheit
der byzantinischen Spätphase äußert sich in ihnen (wenn
man nicht annehmen will, daß ein Teil der Farben auf
trockenem Grunde aufgetragen war und herunter-
gefallen ist, welcher Beobachtung indes mancherlei
Gründe widersprechen) schon rein äußerlich in einer
merkwürdigen Tonmalerei, die an einen rotbraunen,
weiß gehöhten Burgkmaier’schen Farbenholzschnitt er-
innern könnte. Mit diesen Arbeiten verwandt, aber in
Zeichnung und Farbe durchaus Eigencharakter zeigend,
sind die überaus kühn bewegten, dabei höchst dekora-
tiven Wairdmalereien von Volotovo bei Nowgorod.
Finen dritten Höhepunkt der erlialtenen Nowgorodcr
Wandmalerei des 14. Jahrhunderts bilden die Fresken
seit dem 16. Jahrhundert sich indes stark veräußer-
lichende und nacli der Seite des Prunkvollen abgleitende
Moskauer Stil, der auf seiner Höhe zwischen Nowgorod
und Moskau die Mitte haltende Stil der Stroganoff-
schule, mit seiner Neigung zur miniaturmäßigen Wir-
kung, waren ebenfalls in Beispielen vertreten. Auch die
italo-griechische Schule, die nach dem Falle von Kon-
stantinopel vor allem in Venedig, und im venezianischen
Herrschaftsgebiet besonders auf Kreta aufblüht, war ge-
nügend vertreten. Trotz des hilflosen Durcheinander
byzantinischer und renaissancemäßiger Formen, das
sich in dieser merkwürdigen Kunstprovinz bildet, ist uns
die italokretische Sclrule ebenso wegen ihres Finflusses
auf Rußland, als wegen ihres Milieus, das den großen,
sicli freilich nacli Westen wendenden Greco erzeugt, be-
merkenswert. Die russische Ikonenkunst, die der italo-
griechichen mancherlei Motive entlehnt, ist ihr bis ins
144
russischen Wandmalerei des 12. Jahrhunderts, der
Kirche von Nereditza bei Nowgorod, sind diese orien-
talischen Einfliisse ebenfalls zu verspüren. Es treten
aber dort noch konstantinopolitanische nnd allem An-
scheine nach auch romanische Einflüsse liinzu. Von
Groß-Nowgorod aus (am Ilmensee im N. W. Rußland,
und nicht zu verwechseln mit dem erst später zur Be-
deutung gelangten Nishni-Nowgorod im zentralen Ruß-
land) hat die altrussische Wandmalerei gelegentlich
auch nach Gotland hinübergegriffen, wovon heute noch
Denkmäler erhalten sind.
Zu den kunstgeschichtlich interessantesten russi-
schen Wandmalereien des 14. Jahrhunderts gehören
der Kirche des heiligen Theodoros Stratelates. Wenn
die Beteiligung nationaler russischer Meister an der
monumentalen Wandmalerei Rußlands schwer feststell-
bar ist, und in den meisten Fällen die Frage offen bleibt,
wieweit sich hier die Tätigkeit der von Byzanz nach
Rußland gekommenen griechischen Künstler erstreckt,
so tritt in der mittelalterlichen Tafelmalerei das natio-
nale Element mit weit größerer Deutlichkeit, besonders
vom 14. Jahrhundert ab, zutage. Aus der Sammlung
von Professor Winkler-Königsberg sowie aus dem Be-
sitze des Kaiser-Friedrich-Museums wies die Ausstel-
lung einige schöne Stiicke auf, die von der klassischen
Nowgoroder Ikonenkunst eine Vorstellung geben konn-
ten. Der von dem großen Andreij Rublew herkommende
Abb. 3
Der Emanuel
Moskauer Ikone
des 16.—17. Jahrh.
Besitzer: Geh. Rat
Brandt, Berlin
ebenfalls in Nowgorod die urkundlich 1379 in der dorti-
gen Verklärungskirche von dem Griechen Theophanes
ausgeführten Fresken, von denen ein Teil in den letzten
Jahren freigelegt wörden ist. Die künstlerische Freiheit
der byzantinischen Spätphase äußert sich in ihnen (wenn
man nicht annehmen will, daß ein Teil der Farben auf
trockenem Grunde aufgetragen war und herunter-
gefallen ist, welcher Beobachtung indes mancherlei
Gründe widersprechen) schon rein äußerlich in einer
merkwürdigen Tonmalerei, die an einen rotbraunen,
weiß gehöhten Burgkmaier’schen Farbenholzschnitt er-
innern könnte. Mit diesen Arbeiten verwandt, aber in
Zeichnung und Farbe durchaus Eigencharakter zeigend,
sind die überaus kühn bewegten, dabei höchst dekora-
tiven Wairdmalereien von Volotovo bei Nowgorod.
Finen dritten Höhepunkt der erlialtenen Nowgorodcr
Wandmalerei des 14. Jahrhunderts bilden die Fresken
seit dem 16. Jahrhundert sich indes stark veräußer-
lichende und nacli der Seite des Prunkvollen abgleitende
Moskauer Stil, der auf seiner Höhe zwischen Nowgorod
und Moskau die Mitte haltende Stil der Stroganoff-
schule, mit seiner Neigung zur miniaturmäßigen Wir-
kung, waren ebenfalls in Beispielen vertreten. Auch die
italo-griechische Schule, die nach dem Falle von Kon-
stantinopel vor allem in Venedig, und im venezianischen
Herrschaftsgebiet besonders auf Kreta aufblüht, war ge-
nügend vertreten. Trotz des hilflosen Durcheinander
byzantinischer und renaissancemäßiger Formen, das
sich in dieser merkwürdigen Kunstprovinz bildet, ist uns
die italokretische Sclrule ebenso wegen ihres Finflusses
auf Rußland, als wegen ihres Milieus, das den großen,
sicli freilich nacli Westen wendenden Greco erzeugt, be-
merkenswert. Die russische Ikonenkunst, die der italo-
griechichen mancherlei Motive entlehnt, ist ihr bis ins
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