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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1./2. Juniheft
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Clemen, Paul: Hubert Wilm
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0454

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Und nun kommt dies Umwerfen des Hebe'ls: die
Entdeckung der malerischen Welt. Ganz bescheiden
standen früher die Staffeleibilder in seinem Lebenswerk,
nur als Versuche in allen Techniken, als Rechenschafts-
bericht sich selbst gegenüber. Es war das malerische
Schaffen eines nicht allzu langen Zeitraumes, das zwei
große Sonderausstehungen in Berlih und München zeig-
ten. Keine aufregenden Objekte — die einfachsten
Landschaftsmotive und Blumenstücke, bestimmt durch
ein hohes Gefiihl der Ehrfurcht vor der Natur und getra-
gen von dem Suchen, die Ganzheit eines solchen farbigen
Erlebnisses zu erfassen. Was so lebendig und zwingend
fiir diese Biider einnimmt, ist das Gefiihl der absoluten
Echtheit dieser kiinstlerischen Interpretation. Sie gehört
durchaus zu der Wclt des Impressionismus — und wer
nach abgegriffenen Schlagworten sich einstellt, mag
sagen, daß der Maier hier an eine überwundene Linie
ankniipft. Aber es ist die Linie der guten Malerei an
sich, zu der alle Großen des 19. und 20. Jahrhunderts
sich bekannt haben. Erinnerungen an Monet werden
lebendig, aber ebenso an Corinth. Die große Kühnheit
und Sicherheit der Farbenbehandlung in den Rheinland-
schaften, den sonnenflimmernden wie den nebelverhiill-
ten, mag an Reiniger, aber auch an Slevogt erinnern.
Die frischesten Stücke sind ein paar prachtvolle spritzige
Landschaftsvisionen vom Spitzingsee, in einem Jubel-
duo von Kobaltblau und Kanariengelb. Welch starke
und herbe Anreize hat der Maler hier aus dieser Land-
schaft heraus erweckt, die schon in den Zeiten Weng-
leins und Schleichs zu dem Herrschaftsbezirk der Mün-
chener Landschaft gehörte. Und dann das ewig neue
Thema der großen Blumenmalerei, mächtige Sträuße
einfarbiger Blumen oder von höchster Buntheit der
Mischung, immer geschlossener, konzentrierter in der

farbigen Darstellung. Da ist ein Strauß von Gladiolen
und Lilien, von Campanula und Rittersporn, den der
Künstler zweimal ganz verschieden und abweichend
sieht, so wie Monet seine Seerosen. Nur durch leise
Drucker im Materiellen der Farbe geformt erscheinen
die iippigen Fliederzweige. Zu den wundervollsten
Schöpfungen moderner Stillebenkunst mag man die
Sträuße von Wiesenblumen rechnen oder die graziösen
einzelnen Rosen, in denen die fabelhafte Frische und
Leuchtkraft dieser glänzenden ä la prima Malerei
kulminiert.

Es ist eine sehr ernsthafte und männliche Kunst, dic
sich hier ausspricht, ein höchst selbständiger Sinn für
klare und starke Akkorde. Die Hand des Graphikers
schien noch durch vielfache sichtbare und unsichtbare
Bande mit einer ganzen Welt von Vorgängern verknüpft.
Diese malerische Kunst scheint eher irgendwie zeitlos
zu sein und außerhalb der Schultradition zu stehen. Das
ist das, was ihre Stärke und Eigenart ausmacht. Fast
al'lzu leicht scheint jetzt die malerische Form zu sein —
man wird abwarten müssen, ob und nach welcher Rich-
tung das malerische Problem sich vertiefen wird. Wie
der Kiinstler beileibe kein Superlativiker ist, sondern
ein ehrlich Suchender und Strebender, so ziemt ihm auch
keine Würdigung in einem vorzeitigen Nekrologton.
Aber man möchte auch heute die Worte unter sein Bild
setzen, mit denen vor einem Jahrzehnt E. W. Bredt die
Porträtzeichnung des Dreißigers begleitete: Ein unab-
hangiger Meister durch künstlerische Selbstzucht, der
die Pose des Virtuosentums oder des Versuchers glei-
chermaßen verschmäht; bestärkt von Erfolg, gefeit
gegen die Gefahren der Höhe, wird er seinen Weg ver-
folgen. Fernerhin begleite ihu das Glück!

Hubert Wilm, Spitzingsee, Abendsonne

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