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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1./2. Juliheft
DOI Artikel:
Waldmann, Emil: Max Liebermann: Zum 80. Geburtstage am 20. Juli
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0490

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Fahnen, mit den hell und bunt gekleideten Menschen
vor dem blitzenden Wasser und dem leuchtenden Him-
mel und mit den Reitern am Meer zu malen. Und nun
malte er, jahrelang:, immer Strandbilder und Reiter am
Meer, immer wieder dies und scheinbar nichts Anderes.
Der Laie, vorschnell im Urteil, meinte wohl, Lieber-
manns Kunst finge an ein wenig' monoton zu werden.
Aber er hörte das alles nicht, sondern malte wieder ein
halbes Dutzend solcher Bilder, bis er fertig war mit dem
„Problem“, bis er von allen Seiten wußte und in jeder
Beziehung ausgeschöpft hatte, was ihm dieses Problem

hätte man vielleicht auch heute noch den nötigen Ab-
stand nicht gewonnen, um sich klar zu machen, was es
mit dieser Fülle von einander im Motiv ähnlichen Bil-
dern eigentlich auf sich hatte. Man hätte dann am Ende
gemeint, es sei der gleiche Fall wie mit Claude Monets
Serienmalerei, mit den Heuschobern oder Kathedralen,
den Pappeln oder Seerosen — eine etwas artistische
Abwandlung des einmal gefundenen Gegenstandes unter
dem Druck eines allmächtig gewordenen, starren, dok-
trinären Prinzips. So aber, wo dann noch zwei Jahr-
zehnte eines schier unübersehbar reichen Schaffens

Ausstellung der iGalerie
J. Casper in Berlin
Mit Genehmigung
von Bruno Cassirer
in Berlin

malerisch zu sagen hatte. Und als er damit fertig war,
mit dem Problem, fing er ein paar Jahre drauf, wäh-
rend er eigentlich damals „Judengassen in Amsterdam“
malte, wieder von vorn an mit Sandburgen am Bade-
strand. Der Laie war inzwischen zur Brücke über-
gegangen. Nach den Judengassen kamen die Tennis-
plätze (zweiter Zustand) und dann kamen wieder Bier-
gärten (dritter Zustand) und führten dann zur „Oude
Vinck“ und dann kamen Alleen mit Bäumen, und da der
Krieg die Hollandreise unmöglich machte, die Kohlfelder
und die Wannseegärten; inzwischen war auch der Laie
von der Brücke zurückgekehrt. Hätte Liebermann da-
inals, als er das Problem der Strandbilder bis zu einem
bestimmten, wenn auch nur vorläufigen Abschluß ge-
trieben hatte, sich künstlerisch zur Ruhe gesetzt, so

von immer neuen und und immer überraschenderen
Dingen folgte, bekamen seine Serien und „Variationen
über ein Thema“ Proportion zum Gesamtschaffen. Man
hat Distanz genug um zu begreifen, daß diese Frucht-
barkeit in der Darstellung des scheinbar gleichen Motivs
nicht Verbreiterung, sondern Vertiefung des Problems
bedeutet. Der Gegenstand muß in allen seinen Möglich-
keiten erschöpft werden, und jedes Strandbild ist nicht
eine andere „Stunde“, sondern von Grund auf jedesmal
ein anderes Bild. Ganz anders als Claude Monets
„Heuschober Nr. 6“ oder Trübners „Stiftsgarten in
Neuenburg, Wiederholung Nr. 3“.

Wenn die jungen Kunsthistoriker von anno 1965
erst einmal der Ergiebigkeit des Themas „Liebennann
und das Motiv“ erkannt haben, werden sie die über-

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