Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 8./9.1926/27
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0506
DOI Heft:
1./2. Juliheft
DOI Artikel:Müller, Walter: Aus der Dresdner Skulpturen-Sammlung
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und der in vielen anderen, frei nachgebildeten Venus-,
Diana- und Nymphenstatuen der glatten, römischen
Antike sehr nahe gekommen ist. Wer, wie er, überdies
noch Dutzende von Frauengestalten, Allegorien der
Flüsse, Städte und Tugenden, im engsten Anschluß an
das damals vergötterte „Griechentum“ geschaffen hat,
kann wohl einem jugendlichen Frauenkopf nicht mehr
unbefangen gegenübers.tehen, selbst wenn die Darge-
stellte es gewollt hätte. Uubewußt ist der Franzose
hier griechisch, denn auch der Grieche verlangte vom
Frauenporträt zuerst Schönheit, nicht Charakteristik.
Wer Madame de la Ravois war, vermag ich nicht zu
sagen. Möglich, daß in dem Amor-Relief am Sockel
eine versteckte Anspielung liegt, ähnlich wie die auf-
gehende Sonne an der Büste Ludwigs. XIV. und der
Delphin an der des Thronfolgers ihre Bedeutung haben.
Coysevox ist in Dresden noch ein paarmal ver-
treten, nicht durch ein Originalwerk, sondern durch drei
Bronzeverkleinerungen. Diese Popularisierung be-
rühmter Marmorwerke durch Bronzereduktionen war
ja bei den Bekanntesten des, Versailler Kreises wie
Girardon, Marsy u. a. sehr beliebt. Die Dresdner
Sammlungen bewahren eine Serie vorzüglicher Bronze-
güsse nach diesen französischen Meistern auf, a'ber bei
den meist dekorativen Arbeiten von Coysevox kamen
Reduktionen weniger in Frage. Die Porträts s.cheiden
hier natürlich aus. Eine Ausnahme machen nur die bei-
den Werke, die von den Zeitgenossen am meisten be-
wundert wurden, die kauernde Venus und die Rosse,
die großen Marmorgruppen im Park der „Ermitage“,
die Ludwig XIV. sich in seiner letzten Regierungszeit
Künsiler 1704 im Salon ausgestellt hat und das die Lite-
ratur als „disparu“ bezeichnet. Auch das große Pracht-
werk, welches Keller-Dorian 1920 zum 200jährigen
Todestag von Coysevox herausgegeben hat und in dem
nun das Gesamtwerk in vorzüglichen Lichtdrucken vor-
liegt, weist das Porträt nicht nach.2) An der Identität
der beiden Stücke ist nicht zu zweifeln, der kleine
Ueberlieferungsfehler bei Steinhäuser „Rovoy“ statt
„Ravois“ fällt nicht ins Gewicht.
Für die Bildniskunst Coysevox hat der neugewon-
nene Kopf insofern Wert, als wir bekanntlich fast nur
männliche Bildnisse von ihm besitzen; den rund sechs.
Dutzend Männerporträts stehen kaum fünf bis sechs
weibliche gegenüber. Nicht mit Unrecht; sie sind die
schwächeren. Die gewisse Eintönigkeit, die durch all
die repräsentativen Männerköpfe geht, tritt bei den
Frauen noch mehr hervor. Es ist niclit nur die Wieder-
liolung der äußeren Mittel, die sich z. B. auch bei dem
Kopf der Madame Du Vaucela) wiederfinden, die stereo-
type Seitenwendung, die scharfgebohrten und „schielen-
den“ Augen, der Zopf auf der Schulter und die Haar-
behandlung. Es ist vielmehr die Neigung, diese Frauen,
die nichts als. schön sein wollten, zu idealisieren. Durch
einen Kopf wie den Dresdner, der nur in Nase und Mund
ieichte, persönliche Züge trägt, schaut der Künstler
durch, der für die Gärten de.s Königs die Venus von
Medici und die Gruppe von Ildefonso kopieren mußte,
Abb. 4
-) IF. S. 42, Vgl. Jouin, Antoine Coysevox S. 142 und 245.
Audin bei Thieme-Becker VIII, 31. Brinckmann, Barock-
skulptur 336 ff.
3) Keller-Dorian II pl. 140.
Abb. 3
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Diana- und Nymphenstatuen der glatten, römischen
Antike sehr nahe gekommen ist. Wer, wie er, überdies
noch Dutzende von Frauengestalten, Allegorien der
Flüsse, Städte und Tugenden, im engsten Anschluß an
das damals vergötterte „Griechentum“ geschaffen hat,
kann wohl einem jugendlichen Frauenkopf nicht mehr
unbefangen gegenübers.tehen, selbst wenn die Darge-
stellte es gewollt hätte. Uubewußt ist der Franzose
hier griechisch, denn auch der Grieche verlangte vom
Frauenporträt zuerst Schönheit, nicht Charakteristik.
Wer Madame de la Ravois war, vermag ich nicht zu
sagen. Möglich, daß in dem Amor-Relief am Sockel
eine versteckte Anspielung liegt, ähnlich wie die auf-
gehende Sonne an der Büste Ludwigs. XIV. und der
Delphin an der des Thronfolgers ihre Bedeutung haben.
Coysevox ist in Dresden noch ein paarmal ver-
treten, nicht durch ein Originalwerk, sondern durch drei
Bronzeverkleinerungen. Diese Popularisierung be-
rühmter Marmorwerke durch Bronzereduktionen war
ja bei den Bekanntesten des, Versailler Kreises wie
Girardon, Marsy u. a. sehr beliebt. Die Dresdner
Sammlungen bewahren eine Serie vorzüglicher Bronze-
güsse nach diesen französischen Meistern auf, a'ber bei
den meist dekorativen Arbeiten von Coysevox kamen
Reduktionen weniger in Frage. Die Porträts s.cheiden
hier natürlich aus. Eine Ausnahme machen nur die bei-
den Werke, die von den Zeitgenossen am meisten be-
wundert wurden, die kauernde Venus und die Rosse,
die großen Marmorgruppen im Park der „Ermitage“,
die Ludwig XIV. sich in seiner letzten Regierungszeit
Künsiler 1704 im Salon ausgestellt hat und das die Lite-
ratur als „disparu“ bezeichnet. Auch das große Pracht-
werk, welches Keller-Dorian 1920 zum 200jährigen
Todestag von Coysevox herausgegeben hat und in dem
nun das Gesamtwerk in vorzüglichen Lichtdrucken vor-
liegt, weist das Porträt nicht nach.2) An der Identität
der beiden Stücke ist nicht zu zweifeln, der kleine
Ueberlieferungsfehler bei Steinhäuser „Rovoy“ statt
„Ravois“ fällt nicht ins Gewicht.
Für die Bildniskunst Coysevox hat der neugewon-
nene Kopf insofern Wert, als wir bekanntlich fast nur
männliche Bildnisse von ihm besitzen; den rund sechs.
Dutzend Männerporträts stehen kaum fünf bis sechs
weibliche gegenüber. Nicht mit Unrecht; sie sind die
schwächeren. Die gewisse Eintönigkeit, die durch all
die repräsentativen Männerköpfe geht, tritt bei den
Frauen noch mehr hervor. Es ist niclit nur die Wieder-
liolung der äußeren Mittel, die sich z. B. auch bei dem
Kopf der Madame Du Vaucela) wiederfinden, die stereo-
type Seitenwendung, die scharfgebohrten und „schielen-
den“ Augen, der Zopf auf der Schulter und die Haar-
behandlung. Es ist vielmehr die Neigung, diese Frauen,
die nichts als. schön sein wollten, zu idealisieren. Durch
einen Kopf wie den Dresdner, der nur in Nase und Mund
ieichte, persönliche Züge trägt, schaut der Künstler
durch, der für die Gärten de.s Königs die Venus von
Medici und die Gruppe von Ildefonso kopieren mußte,
Abb. 4
-) IF. S. 42, Vgl. Jouin, Antoine Coysevox S. 142 und 245.
Audin bei Thieme-Becker VIII, 31. Brinckmann, Barock-
skulptur 336 ff.
3) Keller-Dorian II pl. 140.
Abb. 3
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