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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1./2. Augustheft
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Rave, Paul Ortwin: Zeichnungen deutscher Meister in der Nationalgalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0538

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chenkunst sachlicher, sauberer und anmutiger Bürger-
lichkeit. Nebst dem noch formal im Zopf haftenden
aber als Lehrer sehr wichtigen Eberhard Wächter
(„Belisar an der Leiche des Knaben, Capital-Zeich-
nung“) und den anderen Süddeutschen wie Schwan-
tlialer („Verjagung der Freyer aus dem Hause
Ulysses“) und Genelli („B'acchus unter den Seeräu-
bern“, „Kampf der Kentauren und Lapithen“) fesselt
vor allem der Urahn der alten Sachlichkeit Gottfried
Schadow. Leider befindet sicli der Hauptschatz seiner
Zeichnungen, obwohl im Staatsbesitz, nicht in der
Nationalgalerie, wo er hingehörte, und wo bereits vor
Justi über vierzig Schadow-Zeichnungen gesammelt
werden konnten. Immerhin gelang noch der verein-
zelte Ankauf einiger interessanter Blätter, so die aus-
geführte Bildniszeichnung des Bildhauers Hunold aus
Dessau mit Frau und Tochter, eine launige Skizze
„G. der Wetterbeobachter“, ein strichig gezeichneter
Kopf Friedrichs des Großen, Grabmal-Entwürfe für die
Frau von Radziwill u. a. Neben Schadow wirkte damals
an der Berliner Akademie Johann Erdmann Hummel,
von dessen Blättern bei Gelegenheit der Hummel-Aus-
stehung 1924 in der National-Galerie mehrere wert-
volle erworben wurden (Graf Ingenheim, Ansichten von
Wiihelmshöhe und Rom u. a.). Nächst dem wäre Graebs
biedermeierische Ansichten-Kunst zu nennen, farbige
Blätter von den Communs in Potsdam, dem Kronprin-
zenpalais vor dem Strackschen Umbau und Skizzen-
buch-Blätter (Nutters, Narbonne, Palermo). Den Berli-
ner Kunstfreund erinnern schmerzlich einige städtebau-
lich schöne Entwürfe Stülers für den Dom an das heu-
tige Baumonstrum. Bedeutender durften die Erwer-
bungen von Zeichnungen Eduard Gaertners sein, der
bislang nur schwach vertreten war. Da findet man
einen frühen Versuch des Fünfzehnjährigen (wohl unter
Hummels Leitung gemacht): „Das 6te perspektivische
Studium 1816“, dann aber bald hohe Könnerschaft in
farblicher Behandlung bei Ansichten aus Paris (unter
dem Pont de Arts) aus Prag und anderen böhmischen
auch ostpreußischen Städten und vor allem aus Berlin
(Brüderstraße, Schloß Bellevue, Borsigwerke). Als
Meister des Bildnisses wird Franz Krüger vor Augen
geführt, von dem aus den Vermächtnissen Klara Wich-
manns und Fräulein Taglionis einige treffliche Kreide-
bildnisse den Bestand der Galerie nicht unliebsam ver-
mehrten, obwohl gerade Krüger nächst Menzel in der
Handzeichnungen-Sammlungen bereits am besten ver-
trcten war.

Stets haben sich Ankäufe für eine Galerie nach dem
zu richten was schon vorhanden ist. Zu den 6375 Zeich-
nungen Menzels, die sich 1910 im Besitz der National-
Galerie befanden, noch weitere hinzu zu kaufen, war
nur durch ganz besondere Umstände gerechtfertigt, wie
bei den vier Blatt (wie der Deckel zu dem bereits vor-
handenen Kinderalbum), die seitdem noch hinzu kamen.
Dagegen war Marees so gut wie gar nicht vertreten,
mit zwei Blatt; 72 Zeichnungen sind neuer Besitz,
durchweg Vorarbeiten und Entwürfe zu seinen Bildern
(Neapler Fresken, Idylle, Lebensalter, Hesperiden I

und II, Huldigung, Werbung, Der Sieger, Bacchus,
C-hiron und Achill, Ulyss, Ganymed). Ueberhaupt nichts
war von Thoma da, dessen wundervolle von ihm selbst
lang gehütete und ungern abgegebene Landschafts-
zeichnungen nun ein Hauptstolz der Galerie sind: frühe
vom Oberrhein aus den 60er Jahren (Bernau, St. Bla-
sien, Säckingen, Lauffenberg, Mainau etc.), ferner aus
den 80er und 90er Jahren, sowohl mit italienischen An-
sichten oder Baumstudien (Ponte Molle, Pincio,
Sorrento, Florenz, Gardone, Cargnaco etc.) wie mit
solchen aus der Umgebung Frankfurts (Rödelheim,
Oberursel, Heddernheim, Ginnheim etc.). Anschlies-
send findet man die späteren Deutsch-Römer beisam-
men, namentlich von Feuerbach wären ein paar wert-
volle Blätter zu nennen wie ein jugendliches Selbst-
bildnis, eine kindliche Phantasie „Der zervauberte
Fibkelsen“ 1850, Putten, tanzende Satyrn. Ferner von
Böcklin eine Ansicht Ariccias im Stil der kürzlich in
Amerika aufgetauchten Landschafts-Studien von 1851,
die von Schweizer Seite angezweifelt wurden. Dazu
konnte soeben auf einer Amsterdamer Versteigerung
ein wahrer Schatz der Galerie gesichert werden:
90 Zeichnungen aus den frühesten Entwicklungsjahren
Böcklins, die für sein künstlerisches Werden äußerst auf-
schlußreich sind. Die Flamm, Ludwig von Hofmann,
Tuaillon, Klinger, Greiner, Boehle fehlen nicht, ebenso
nicht Zeugnisse des Leiblkreises, von Leibl selbst,
Viktor Müller, Trübner, Hagemeister, Bernt Grönvold
und Otto von Faber du Faur. Mit Ausnahme Grön-
volds, auf den man sonst nur noch in ausländischen
Sammlungen trifft, und Faber du Faurs, den erst die
Ausstellung der National-Galerie im vorigen Jahre einer
allgemeineren Bekanntheit wieder zugeführt hat, hatte
Leibl und sein Kreis schon zu Tschudis Zeiten Einzug
in die National-Galerie gehalten, daher hier die Erwer-
bungen spärlicher sein durften. Desgleichen konnte
man bei den zahlreichen Angeboten von Werken
Lenbachs, Kaulbachs, Anton von Werners und anderer
ihrer Art mit gutem Gewissen verzichten, nur eine
große Tuschzeichnung des 17jährigen A. von Werner
(nach der Fritz Reuterschen Erzählung „Ein gräflicher
Geburtstag“) war wertvoll genug, nebst einigen sehr
persönlich und unmittelbar wiedergegebenen Darstel-
lungen des alten Kaisers, um der Sammlung eingereiht
zu werden. Daß Ludwig Pietsch, der leidenschaftliche
Kunstschreiber für die Vossische Zeitung, ebenfalls
Zeichner war und mit ausgezeichneten Skizzen wäh-
rend des Feldzuges 1870 kriegsberichtete, muß hier
erwähnt werden, wie man denn an den Einfällen noch
anderer Illustratoren sich ergötzen mag, denen Hose-
manns, Wilhelm Buschs und Zilles.

Mit Marees und Thoma beginnen die großen Namen
der neuesten noch lebendigen Kunstgeschichte, deren
Einzug und Sichtbarmachung in der National-Galerie
erst den letzten Jahrzehnten zu verdanken ist. Die
führenden Meister des Impressionismus stellen sich
geschlossen dar: Liebermann, Corinth, Slevogt.
Slevogt war — in der Koje neben dem eingebauten
Gartenliaus aus Neu-Cladow mit seinen Wandmale-

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