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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI Heft:
1./2. Augustheft
DOI Artikel:
Sachse, Albert: Die Professorenecke im Leipziger Südfriedhof
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0550

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digung, die so dicht umschlossen nur noch im Gottes-
hause anzutreffen ist. Hier muß die Seele Frieden fin-
den und, weich zurückschlagend in den Alltag, dem sie
entronnen ist, aufhorchen und sich besinnen.

Einer der schönsten seiner mannigfachen, geradezu
reizenden Plätze ist die Professorenecke in der zweiten
Abteilung. Hier liegen die Koryphäen der Leipziger
Hochschule alle beieinander und ihre Grabmäler erzäh-
len von ihrem Beruf und Lebensernst. Beginnen wir mit
Clara Kretzschmers feinem Grabma'l: Eine Muse, die
Leier in der Hand, überschaut das Gefilde ihrer Sehn-
sucht, die Welt, in der sie lebt, in der jetzt im Tode Ein-
zug gehalten hat.

Neben diesem Denkmal ein wuchtiges Kreuz auf
felsigem Grund. ,,Der Herr ist mein Hirte.“ Der Theolo-
gieprofessor Georg Heinrici liegt hier begraben. In un-
mittelbarer Nähe der Gedenkstein für Maria Wachs-
muth: eine stilisierte Blüte im Sonnenlicht.

Auch Georg Rietschels Grab ist beachtenswert. In
einem einzigen kurzen Worte „Vivit!“ = Er lebt! ist
der Glaubensinhalt dieses ernsten Theologen und muti-
gen Streiters für die Kirche zusammengeballt.

Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich, Kraft sie
zu fühlen, zu genießen. Nicht kalt staunenden Besuch
erlaubst du mir, vergönntest mir, in ihre tiefe Brust wie
in den Busen eines Freunds zu schauen.“

Nordwärts liegt des Mathematikers Rohn Grab. Im
Giebelfelde seines Monuments ruht eine Schlange, zum
Kreis geformt, das Unendliche in treffender Symbolik
darsteliend. Darunter ein Dreieck. Mit kurzen Strichen
ist Rohns Beruf veranschaulicht.

Im Gange nach Süden liegt sein Spezialkollege
Scheibner begraben. Vier kleine Würfel tragen einen
großen, und dieser kündet den Namen des Mannes,
dessen Wirkungsfeld von den „Drei Dimensionen“ um-
schlossen war. Ebenso sinnig ist Wülkers Grabmal.
Ein schlichtes Kreuz, bei uns in Deutschland kaum zu
sehen. Auf englischen Friedhöfen steht es massenhaft.
Wülker war Lehrer der englischen Sprache. Nichts
konnte besser seinen Beruf kennzeichnen als dieses
Kreuz.

Ebenso trefflich schildert Pfeffers Grabstein die
Lebensarbeit des Gelehrten. Mit vollsaftigen Blüten-
köpfen schlingt sich ein Distelstrauch zum Lichte

Neben ihm ruht Dr. Schreiber, der Direktor des
Städtischen Museums. Das Pfarrerwort aus Goethes
„Hermann und Dorothea“ ziert seinen Stein: „Des Todes
rührendes Bild steht nicht als Schrecken dem Weisen
und nicht als Ende dem Frommen. Jenen drängt es ins
Leben zurück und lehret ihn handeln; diesen stärkt es
zu künftigem Heil, im Trübsal die Hoffnung, beiden wird
zum Leben der Tod“.

Daneben steht Soltmanns feines Denkmal. Man muß
es im Mittagsonnenlicht betrachten. Dann erwacht der
Stein, und die Kinderchen, die innig für den Meister
bitten, gewinnen Leben und neigen sicli dem zu, der
ihnen einst ihr Leben gerettet hat. Soltmann war
Leipzigs großer Kinderarzt und Direktor des Städtischen
Krankenhauses.

Neben ihm ruht sein Fachkollege Rabl. Er hat sich
die Sphinx zum Symbol gewählt, das Zeichen des Son-
nengottes, nach Westen schauend, wo der Tag sich
neigt und die Nacht geboren wird, deren Schleier der
Weise schon oft hat heben mögen, doch nie hat lüften
dürfen. Und unter der großen Rätselgestalt des grauen
Altertums der Spruch aus Goethes Faust: „Erhabner
Geist, du gabst mir, gabst mir alles, worum ich bat . . .

empor. Blatt und Krone sind gesund. Sie wurzeln in
einem Erdreich, an dessen Eingangstoren die Wissen-
schaft Wache hält. Finster blicken ihre Symbole, zwei
Eulen, in den Tag hinein. Geschlossenen Auges, ganz
nach innen gekehrt, gehen sie, unbeeinflußt von der
Tagesmeinung, den Weg, den die Wahrheitsliebe ihnen
vorschreibt.

Ebenso sinnig ist Seeligers Grabmal: „Per aspera
ad astra!“ Durch Kreuz zum Kranz! Durch Nacht zum
Licht! Die staubigen Urkunden waren sein Reich. Sie
seinen Schülern in ernster Lehrerarbeit zu erschließen,
war sein hochgestecktes Ziel, das er voll erreicht hat.
Und nicht weit davon im Waldesdunkel Riemanns Ge-
denkstein. Zwei musizierende Englein verkünden mit
ihren Schalmeien und Zithern den Spruch von der be-
ständigen Liebe, von jener Kunst, die uns befreit, wenn
sie uns ganz in ihren Bann gezogen hat. Der Meister
der Töne greift herüber ins Religiöse, wo ebenso Frei-
heit und Fessel die erquickliche Harmonie eingehen, die
so viele suchen und doch nicht finden.

An der Breitseite des Mittelfeldes schließlich noch
des Theologen Haupt liegendes Grabmal: „Nascimur ut
moriamur, moriamur ut vivamus!“ Wieder ein Glaubens-

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