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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 41 - Nr. 50 (17. Februar - 28. Februar)
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hindern. Vielleicht wäre es möglich, die Kosten
nicht unbedingt, sondern nur prozentual mit dem
Streitwerth steigen zu lassen. Der Richterstand
werde sich als ein: feste Stütze der staatlichen
Ordnung bewähren und seine Unabhängigkeit
nach unten ebenso gut zu wahren wissen wie nach
oben. Als ein Mißstand wurde die lange Dauer
vieler Zivilprozesse anerkannt, sowie die willkür-
liche Verlegung der Termine durch die Anwälte
ohne Kenntniß der Parteien; dies bedürse un-
dingt der Abhilfe. Manche Mängel des heutigen
Strafverfahrens würden wohl, wie auch Land-
gerichtspräsident Kamm hervorhob, gemindert
oder beseitigt, wenn man es nicht darauf anlegte,
an einem Vormittag thunlichst viele Fälle zu er-
ledigen. Man müsse den Gerichten voll aus-
reichendes Personal und die Gerichte müßten sich
selbst Zeit und Muße zur Durcharbeitung des
einzelnen Falles gönnen.
Friedrichsruhe 19. Febr. Nach Eintritt der
Dunkelheit begann die glänzende Illumination der
Bahnhofsumgebung und der Gebäude. Gleich nach
dem Empfang und der Verstellung des Gefolges
begann das Diner, aus 12 Gedecken bestehend;
der Kaiser saß zwischen dem Fürsten und der
Fürstin. Nach dem Diner fand eine sehr lebhafte
Unterbaltung statt. Der Kaiser stellte dem Fürsten
zwei Soldaten verschiedener Waffengattungen mit
der neuen leichteren Feldausrüstung vor. Punkt 9
Uhr erhob sich der Kaiser, begleitet vom Fürsten
bis an den Waggon. Hier verabschiedete der
Kaiser sich vom Fürsten durch wiederholtes Hände-
schütteln. Nachdem der Kaiser den Salonwagen
bestiegen, blieb er am offenen Fenster stehen und
grüßte fortwährend mit der Hand winkend, bis 9
Uhr 8 Min. der Zug langsam sich in Bewegung
setzte. Das Publikum durchbrach unter endlosem
Jubel die Absperrungen und kam dicht an den
Wagen, den Fürsten umringend, der dann durch
die Hülfe der Feuerwehrleute in's Schloß zurück-
gelangte. Die Zahl des auf dem kleinen Platze
angesammelten Publikums betrug weit über 1000
Personen.
Ausland.
Paris, 20. Febr. In einem Hotel Garni
der Rue Saint Jacques explodirte in der ver-
gangenen Nacht ein von einem Reisenden zurück-
gelassenes Sprenggeschoß. Die Explosion er-
folgte gerade in dem Augenblick, als die Wirthin
mit einem herbeigehvlten Polizeibeamten daS ver-
schlossene Zimmer öffnen wollte. Die Wirthin
und zwei andere Personen wurden verwundet. Der
Schaden an Material ist gering. Nach dem unbe-
kannten Reisenden wird von der Polizei eifrig geforscht.
Badischer Landtag.
Karlsruhe, 20. Gebruar.
37. öffentliche Sitzung der Zweiten Kammer.
Am Regierungstisch: Geh. Rath Eisenlohr,
Ministerialdirektor Dr. Schenkel, Geh. Ober-
regierungsrath Baa d er und verschiedene Regierungs-
kommissäre.
Präsident Gönner eröffnet die Sitzung um
S-/« Uhr.
Eingelaufen ist eine Bitte der Gemeinde Schiel-
berg, A. Ettlingen, um Gewährung eines Staats-
zuschusses zu den Kosten der Wasserleitung.
Abg. Birkenmeyer kommt beim Titel Mini-
sterium auf seine Aeußerunzen im vorigen Land-
tag über den Hausierhandel zurück und verbreitet
sich dann über verschiedene Punkte, die auch das
Gebiet des Justizwesens berühren (Anerbcrecht,
Unterpfandswesen).
Präsident Gönner unterbricht den Redner:
So könne es, besonders nachdem man 4 Tage
lang eine allgemeine Berathung gehabt, nicht weiter
gehen.
Abg. Rü d t(Soz-): Die Schutzleute in Heidel-
berg seien dienstlich überanstrengt; der Nachtdienst
sei länger, als in Mannheim und Karlsruhe. Die
Leute in Heidelberg wollten lieber in Rußland,
als unter dem Heidelberger Amtmann dienen.

kleinbürgerlichen Verhältnissen der Heimath auf-
kommen lassen, in denen er einst eine so gar bescheidene
Rolle gespielt, während man in der Fremde dem
solk-iuuäo-inus mit höchstem Respekt begegnete.
War es Heimweh gewesen, jenes unbegreiflichen
Kranken nach dem Fleckchen der Erde, auf dem
seine Wiege stand? Hatte er der alten braven
Frau, die so viel für seine Jugend gethan, und
der er das so reichlich von dem Augenblick ver-
golten, wo er den ersten überflüssigen Schilling in
der Tasche trug, noch einmal die runzelige Hand
drücken, noch einmal ihr in die freundlichen alten
Augen sehen wollen? Und nun war er doch zu
spät gekommen. Die lieben, guten Augen hatten
sich für immer geschlossen, der einzige Mensch auf
der weiten Welt, der wahren, warmen Antheit an
seinem Geschick genommen, der mit mütterlichem
Stolz sich seines Emporkommens . gefreut hätte,
war dahin. In Bremen hatte die Depesche ihn
schon erwartet. Selbst zur Bestattung der ehr-
würdigen Greisin kam er zu spät. Ganz zwecklos
kam ihm Plötzlich diese, umständliche Reise ins
Vaterland vor, und er selber sich so überflüssig und
entbehrlich, daß er mit tiefem Seufzer die Stirn
in die Hand drückte.
Nein, ganz zwecklos war sein Leben doch nicht.
Hatte er nicht eine Aufgabe übernommen, eine
Freundespflicht, die ebenso schwer als nothwendig
war?
Aber nun hinaus, die Brust frei sich machen
von dem unverständlichen Druck, der auf ihm lastet,
feit er den Heimathsort wieder betreten.
Es ist wohl seine Pflicht, Christine aufzusuchen,
so wenig ihn sein Gefühl dahin treibt.

Redner habe in Heidelberg bei der Reichstagswahl
über 1000 Stimmen erhalten. Davon seien nur
500 sozialdemokratische gewesen. Unter den anderen
500 befänden sich Leute der besseren Kreise, die
gleichfalls mit dem Amtmann sehr unzufrieden
seien wegen seiner Grobheit. Der Bezirksamtmann
in Heidelberg verstehe die Pfälzer nicht, die Bürger-
nicht und die Arbeiter nicht. Er wolle dem Herrn
nicht zu nahe treten (stürmische Heiterkeit), allein
er hoffe, daß der Minister mit seinem Scharfsinn
und seiner Gerechtigkeit Abhilfe schaffen werve.
Redner verbreitet sich über das studentische Rowdie-
thum. In Heidelberg werde ein Haus von
Studenten, oder deren Sendlingen, fortgesetzt mit
faulen Eiern und Tinte beschmutzt. Im Stadt-
garten sei der Neptun demolirt und die Thäter
nur gering bestraft worden. Die preußischen Junker,
überhaupt der 8. 0., hatten im Theater Skandale
provozirl und die Polizei sei machtlos gewesen.
Schärfere Ueberwachung der Studentenschaft sei
nothwendig. Die Rowdies der höheren Gesellschaft
hätten auf offener Straße ein Kätzchen ihren
Hunden zum Zerreißen vorgeworfen. Wenn ein
solcher Rowdy General geworden sei, greife er
auch zum Revolver, um wehrlose Bürger niederzu-
knallen, wie man das schon erlebt habe. Der
Bezirksamtmnnn beschäftige sich auch zu sehr mit
der sozialistischen Volksstimme und der Ueberwachung
sozialistischer Versammlungen. Auch eine Beschwerde
von sozialdemokratischer Seite habe der Amtmann
ungehörig behandelt. Er sei sonst ein fleißiger,
strebsamer Mann. Man solle ihn zum Minifterial-
rath machen. Das Zeug dazu habe er. (Heiterkeit.)
Der Bezirksamtmann von Triberg habe sich gegen
Geck einer Polizeiquälerei schuldig gemacht. Etwas
Aehnliches sei in Offenburg passirt, wo der Wacht-
meister die Frauen aus der Versammlung der
Sozialdemokraten gewiesen habe.
Geh. Rath Eisenlohr: Es sei ein auf-
fallender Widerspruch, daß in Heidelberg Dinge
passiren sollen, die zu der Ansicht führten, daß
die Polizei dort schlaff gehandhabt werde, während
Rüdt andererseits den Amtmann als einen wahren
Tyrannen geschildert habe. Von anderer, sehr zu-
verlässiger Seite sei ihm mitgetheilt worden, daß
der Amtmann sich sehr gut in die Heidelberger
Verhältnisse eingelebt habe. (Schluß folgt.)
Deutscher Reichstag.
Berlin, 20. Februar.
Bei Fortsetzung der Berathung des Etats für
das Schutzgebiet Kamerun verurtheilt Abg. Dr.
Lieber (Centr.) die Vorgänge in Kamerun im
Jnteresfe der vom Centrum unterstützten Kolonial-
politik.
Abg. Schall (kons.) tritt für die protestan-
tische Mission in den Schutzgebieten ein und hofft,
daß der von der Regierung zugesagte Schutz der
protestantischen wie der katholischen Mission gleich-
mäßig gelte.
Geheimrath Dr. Kayser erklärt: Zweifellos
darf kein Deutscher in den Schutzgebieten Sklaven
halten, unmöglich aber kann sonstiges Sklaven-
halten plötzlich beseitigt werden. Wir gehen
schrittweise vor und haben zunächst das Züchtigen
und Tödten von Sklaven verboten. Soweit eine
Lücke in der Gesetzgebung über die Sklaverei be-
steht, ordnete der Reichskanzler bereits die Aus-
arbeitung eines Gesetzentwurfs an. Zwischen den
katholischen und protestantischen Missionen wird
kein Unterschied gemacht.
Graf Arnim (Reichsp.) hätte die Suspen-
dirung des Kanzlers Leist erwartet.
Reichskanzler Graf v. Caprivi erwidert, es
wäre dem Interesse der Kolonieen gefährlich, Be-
amte wegen etwaiger Mißerfolge abzuberufen.
Dabei gingen alle Erfahrungen verloren. Daß
Leist die Meuterei nicht vorhersah, werde dadurch
erwiesen, daß er das Kriegsschiff „Hyäne", seine
einzige tüchtige Kraft, habe fortfahren lassen.
Die weitere Debatte zwischen Bebel, Lieber
und Schall verbreitete sich über die Stellung des

Er und die Stiefschwester, die dem Alter nach
seine Mutter sein könnte, sind zu grundverschiedene
Naturen, um sich nicht gegenseitig abzustoßen. Sie
leben jetzt auch in zu verschiedenen gesellschaftlichen
Sphären, um noch viel Erfreuliches von diesem
Wiedersehen erwarten zu können. Aber er möchte
doch hören, was den Tod der rüstigen alten Groß-
mutter so plötzlich herbeigeführt. Er schlüpft in
den Pelz und zieht den Biberkragen vorsichtig in
die Höhe. Seine Konstitution hat sich in dem
warmen Klima doch verweichlicht, denn die nor-
dische Luft schlägt ihm empfindlich entgegen,
als er die Hotelstufen hinab in das Menschen-
gewimmel der Großstadt schreitet. Wie hat sich
alles verändert seit damals! Die Stadt ist
glänzender, prächtiger geworden, die Menschen find
ihm alle fremd.
Der Platz hat sich gestreckt nach allen Rich-
tungen. Bescheidene Häuser, die ihm als Mark-
steine der Erinnerung dienen sollten, find ver-
schwunden und haben Prachtbauten Platz gemacht.
Er findet sich kaum mehr zurecht, und doch mag
er nicht fragen und noch weniger einen Wagen
nehmen.
Unwillkürlich zuckt er zusammen, da er nach
einem halbstündigen Marsch sich vom blinden Zu-
fall — oder war's innerer Instinkt? — in jene
stille Straße tragen läßt, die für ihn so reich an
schmerzlichen Erinnerungen ist.
Da liegt das vornehme zweistöckige Haus
mit der breiten Fayade, — damals in seiner
majestätischen Ruhe mit der gewölbten Wagen-
auffahrt für ihn wenigstens der Inbegriff aller
Vornehmheit.

Christenthums zur Sklavereifrage. Schließlich
wird der Etat für Kamerun bewilligt, ebenso der
Etat für Togo.
Bei dem Etat für Südwestafrika kritisirt Dr.
Hamm ach er das Verhalten des Majors v.
Franyois, wodurch Hoffnungen auf diese aus-
sichtsreichste Kolonie auf absehbare Zeit zerstört
worden feien.
Abg. Bebel hält die Kolonie überhaupt für
aussichtslos, was Graf Arnim bestreitet, der
Verstärkung und auderweite Dertheilnng der Ko-
lonialtruppe wünscht.
Geheimrath Dr. Kayser betont, die Ruhe
fei in Südwestafrika wiederhergestellt. „Mögen
die Auswanderer in dieser unsere beste Kolonie
den Muth nicht verlieren!" Der Etat wird
bewilligt.
Morgen Initiativanträge.

Aus Wuy und Jern.
* Mannheim, 20. Febr. Hiesige Blätter
brachten die Nachricht, daß die hiesige Artillerie-
Abthcilung nach den Manövern verlegt werde. An
zuständiger Stelle rst hiervon nichts bekannt. —
Das Verschwinden des Bankiers Nadenheim
beschäftigt noch immer die hiesige Eiwohnerschaft
und gibt zu verschiedenen Muthmaßungen Anlaß.
Vielfach hört man die Ansicht, daß Nadenheim
keinen Selbstmord verübt, sondern seine Sachen
nur zur Irreführung an das Rheinufer gelegt habe.
Demgegenüber erfahren wir, daß durch die Gen-
darmerie festgestellt ist, daß Nadenheim die Rhein-
fähre in der Nähe von Rohrhof nicht benutzt hat
und auch nicht vom Schwetzinger Bahnhof abge-
fahren ist, so daß also die Annahme, Nadenheim
sei nicht ins Wasser gegangen, als völlig unbe-
gründet erscheint.
' Mannheim, 19. Febr. Gestern Nachmittag
fand dahier die Generalversammlung der Ritter
des eisernen Kreuzes im Großherzogthum Baden
statt. Die gut besuchte Versammlung wurde ge-
leitet von dem Vorsitzenden des badischen Vereins,
Herrn Ingenieur Götz von hier. Die Eröffnungs-
rede hielt Herr Hauptlehrer Droll von Offenburg,
worauf der Jahres- und der Kassenbericht verlesen
wurden. Die Einnahmen des Vereins betrugen
1097 Mk. 23 Pfg., während die Ausgaben sich
auf 1379 Mk. 67 Pfg. beliefen; sonach hat der
Verein ein Weniger von 282 Mk. 44 Pfg. Von
den weiteren Punkten der Tagesordnung ist zu er-
wähnen, daß für den am 4., 5. und 6. August
in Karlsruhe stattfindcnden Delegirtentag die um-
fassendsten Vorbereitungen getroffen find und die
Stadt Karlsruhe Alles aufbieten wird, den Gästen
den Aufenthalt daselbst so angenehm als möglich
zu machen. Den Schluß der Veranstaltungen soll
ein Ausflug nach dem Schlachtfcldc von Wörth
bilden.
* Kehl, 19. Febr. Heute verunglückte der
verheirathete Küfer Brau« von hier dadurch, daß
ihm beim Pischen eines Fasses in der Brauerei der
Gebr. Fingado durch Explosion der rechte Arm
abgeschlagen wurde. Der Verunglückte wurde sofort
in's Krankenhaus übergeführt.
* Lehengericht (Amt Wolfach), 17. Februar.
Gestern verunglückte in der Ludwig Wolber'schen
Mühle in Wclschdorf bei Schiltach auf cigenthüm-
liche Weise der Obcrmüller Josef Mergendorfer.
Derselbe hatte in Folge von Zahnschmerzen ein
Tuch um den Kopf gebunden und war gerade da-
mit beschäftigt, einen Transmissionsriemen aufzu-
legen, als ihn dieser an dem Tuche erfaßte und
hinaufzog. Noch rechtzeitig wurde das Unglück
entdeckt und das Werk von einem Müllerburschen
abgcstellt. Dennoch zog sich der Bedauernswerthe
schwere Quetschungen des Halses wie auch eine
heftige Erschütterung des Gehirns und des Rücken-
markes zu. Die Verletzung wird wohl zwar nicht
den Tod, doch aber voraussichtlich bleibende Nach-
theile zur Folge haben, Mergendorfer gilt als ein
braver Mann.
* Aus Vaden, 20. Febr. Die Kienruß-

Die alles nivellierende Zeit scheint auch hier
ihr Werk vollbracht zu baben. Bureaux nehmen
die Parterrewohnung ein. An dem Hausflur prangen
Schilder von: Stubenbohner, Musiklehrer, Mo-
distin, Wäscherin.
Da, wo verschleierte Astrallampen ihr sanftes
Licht in die Straße entsandten, leuchtet jetzt über
hochbeinigen Pulten die plebejische Gasflamme.
Wo sich die vornehmste Gesellschaft einst leise be-
wegte, stelzen steifnackige Bureaubeamte jetzt umher
und räumen die Akten zusammen. Wie im Traum
stiert Herbert Droysen durch die Scheiben in die
altmodischen Patrizierräume, die ihm einst das
Höchste und Hehrste der Welt bedeuteten. Er sucht
die hoch aufgerichtete, imponierende Gestalt im be-
quemen Jnterimsrock, die lässig elegante, die dort
im Mittclzimmer der langen Paterrewohnung im
Sessel zu ruhen pflegte, und dann spähen die
Augen noch nach einer dritten umher, die hier im
kleinen Blumenzimmer an der Staffelei gar oft zu
sehen war und ... Er seufzt auf, als an Stelle
des wunderschönen Madonnenkopfes Plötzlich das
seehundartige, kurzgeschorene Haupt irgend eines
Aktenmenschcn sich an die Scheiben drückt und
zwei bebrillte Augen ihn fixieren.
Nichts mehr von der Vergangenheit ist da,
auch die Hinterhäuser mit den weitgehenden schattigen
Gärten sind verschwunden — ihm zeigt's ein
flüchtiger Blick in den offenstehenden Thorweg.
Eine neue Straße scheint dort sich mit dem Rücken
an den winzigen Ueberbleibsel der Hofräume anzu-
lehnen, denn himmelhohe Häuser machen das
Winkelchen stockfinster.
Vorbei, alles vorbei! Wenn sich die Ver-

Keuoi' t. H u. II.

Inssrnts u. VolcunntmaobunZon utlsr/Vrt, äis
im n^^eutzn aut'AvAobon
ivsräen, ^8inä 8tot8 von ArÖ88tom unä clureii-
8obIuASncl8tomHokolAo bsxloitot. Lei Wioäor-
tiolunAon Fodonveir

brenncrei des Otto Welle in Schupbach ist ab-
gebrannt. - Im sogenannten Silberdobel bei
Freiburg wurde die Leiche des Karl Binder,
der sich erschossen hatte, gefunden. — Ein junger
Mann erschwindelte sich in einer Konstanzer
Musikalienhandlung eine Akkordzither. — Auf
dem Weg zwischen Meersburg und Stetten
wurde an einer Frau, die Brot nach Meersburg
brachte ein Sittlichkeitsverbrechen verübt. — In
Bilfingen ist am 18. Februar früh I Uhr
das Anwesen des Bahnarbeiters Johann Wössinger
niedergebrannt. — Letzten Freitag stürzte ein
Arbeiter vom Gerüst der Rheinbrücke bei Winters-
dorf und verletzte sich schwer.
* Stockholm, 19. Febr. Gestern ist bier
nach langem schweren Leiden der in krematitzisches
Kreisen scbr bekannte und geschätzte Oberst E-
Klingcnstierna gestorben. Derselbe war ein eifriger
Förderer der Einführung der Feuerbestattung in
Schweden. Als Jsgenieuroffizier hat er einen
besonderen Feuerbestattungsofen konstruirt, nach
welchem System außer in Schweden auch die
Krematorien in Heidelberg und Offenbach ge-
baut sind.

I^abutt, obonso auoll bei
allen ancloron Arö880i-6U uktiä^on. 8t!U8S6
u. IIan8nurumor, ol)6U80 ckon ^I?itol uns. Bluttes
bitten ^virAonau^uboaokton. üitzUxpeckitiov.

22 Hg,upt8trn888 22 Huupt8tru886 22«

WermischLes.
— Ueber den Aluminium-Beschlag für
Pferde theilt die Zeitschrift „Oe Feenie eivil"
die Ergebnisse gründlicher Studien mit, welche
über diesen Gegenstand angestellt worden sind und
denen wir folgendes entnehmen: Ein vollständiger
Aluminium-Beschlag wiegt ungefähr den vierten
Theil eines solchen von Eisen; legirt mau das
Aluminium mit 10 pCt. andern Metalles (den
Widerstand leistet eine Legierung von 90 pLt.
Aluminium mit 10 pCt. Neusilber, das 33pCt.
Nickel enthält, doch muß von dieser Legierung
das Dreifache der erforderlichen Masse zuerst in
Platten geschmiedet und dann auf das gewünschte
Maaß verringert werden, da die direkt gegossenen
Eisen so zerbrechlich wie Glas sind), so wiegt der
ganze Beschlag immer noch nicht mehr wie ein
gewöhnliches Hintereisen. Die Aluminium-Huf-
eisen öffnen sich leicht in dem Maße wie der
Huf wächst, dir Entfernung zwischen den Stollen
erweitert sich in zehn Tagen um 2—3 mm. Da
sich das Metall vermöge seiner Dehnbarkeit
der natürlichen Form des Hufes aupaßt,
so lassen sich durch Anwendung desselben
viele Lahmheitsurfachen verhüten. Die Eisen
müssen kalt unterlegt werden, weil sie durch
nochmalige Erhitzung nach der Verarbeitung
leicht 30 bis 40 pCt. an Widerstands-
fähigkeit verlieren. Die Nägel dürfen keinen
Spielraum in den Löchern haben, weil sie sonst
sehr bald brechen. Durch Zersetzung — sei es
in Folge der Berührung des Metalles mit der«
Hufe, sei es unter dem Einflüsse der Stallstreu
und ihrer Verunreinigung — bildet sich an der
Berührungsfläche das Aluminiumsalz, das etwa
33 pCt. organische Bestandtheile enthält. Man
glaubt aber dies dadurch verhindern zu können,
qanqenheit doch auch so spurlos aus der Seele ver-
wischen ließe, wie jene allen Plätze am Erdboden
geschwunden, jene Plätze, an die sich die seligsten
Jugenderinnerungen knüpfen!
Mit welcher Macht die alten Bilder wieder
erscheinen. Er glaubte doch alles in sich gestorben
und begraben oder wenigstens zur Ruhe gesungen -
Wie lebendig alles wieder in ihm wird!
Gewaltsam will er sich losreißen. An der
nächsten Gasflamme sucht er in seiner Brusttasche
nach Christinens Adresse. Das Begegnen mit
dieser nüchtern alltäglichen Frau wird ihn am
besten von all den Gefühlsschwelgereien kurieren,
über die er selber verächtlich die Schultern zuckt
und die ihn doch unwiderstehlich anpacken, da er
zum ersten Mal wieder dem Orte gegenüberstebt,
auf dem seine ganze Jugend verflossen. Berg-
straße 11, drei Treppen. Zum Glück steht Süd-
west dabei, er hätte sonst keine Ahnung gehabt,
wo er die Straße suchen sollte.
Er schlendert noch eine Weile die Straße ent-
lang, dann immer weiter und weiter. Plötzlich
helbmt er überrascht den Fuß vor einem höchst
geschmackvollen kleinen Palais im Renaissancestil-
Das vornehme Häuschen hat nur Hochparterre und
erste Etage mit weitbauchigem Erkerbau. Durch
die breite Spiegelscheibe der Haus- und Hofthür
sicht man auf matt beleuchtete, jetzt freilich gan?
entlaubte Baumkronen, inmitten deren eine monu-
mentale Figur aus einem Marmorbecken aufzU-
steigen scheint.
(Fortsetzung folgt.)
 
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