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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Riezler, Walter: Deutschland und die Internationale Gewerbeausstellung in Monza
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0018

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unserer Seite aus stets zusammengearbeitet wurde
und dessen Bedeutung für die neue kunstgewerb-
liche Bewegung in Deutschland vor dem Aus-
lande besonders betont werden sollte, nicht ent-
sprochen. (Um Mißverständnissen zu begegnen,
sei aber hier nochmals betont: Auch bei dieser
Ausstellung hat der Werkbund wieder keinen
Unterschied zwischen seinen Mitgliedern und
Außenstehenden gemacht; nur wenig mehr als
die Hälfte der Aussteller sind Mitglieder des
Werkbundes.) Wenn bei der Auswahl fast nur
Gegenstände berücksichtigt wurden, die unmittel-
bar greifbar waren und fast völlig darauf ver-
zichtet wurde, besondere Ausstellungsstücke an-
fertigen zu lassen, so waren dafür nicht nur wirt-
schaftliche Gründe maßgebend, sondern auch die
Überzeugung, daß die normale Produktion des
deutschen Kunstgewerbes völlig ausreiche, um
ein richtiges und eindrucksvolles Bild der ganzen
Bewegung zu vermitteln.

Mit der größten Spannung und einer ge-
wissen Unsicherheit warteten wir auf den Ein-
druck, den die deutsche Abteilung auf die Ita-
liener machen würde. Man darf wohl sagen, daß
alle Erwartungen weit übertroffen wurden. Von
Anfang an, schon während der Einrichtung der
Bäume, konnte man deutlich sehen, daß bei den
Italienern ein ausgesprochenes Verständnis für
das neue deutsche Kunstgewerbe vorhanden sei.
Und zwar wirkten zu unserer eigenen Über-
raschung nicht etwa nur die reicheren und in
konservativen Formen gehaltenen Stücke, wie etwa
der berühmte Schrank von Eduard Pfeiffer,
sondern gerade auch die schlichtesten Gebrauchs-
gegenstände ohne jeden Schmuck und von jener
etwas kargen Knappheit der Form, wie sie heute
bei uns vielfach geschätzt wird. Und als dann mit
einiger Verspätung auch noch ein kleiner Baum
eröffnet wurde, in dem einige Beispiele der
„technischen Form" gezeigt werden, eiserne Öfen,
einfachste Beleuchtungskörper, Solinger Messer
und ähnliche Dinge, fand auch dieser Baum
stärkstes Interesse. Das festzustellen, ist von beson-
derer Wichtigkeit, da bekanntlich ähnliche Dinge,
die im letzten Jahre auf der Werkbundaus-
stellung in Stuttgart gezeigt wurden, nicht nur
vom Publikum, sondern auch von einem Teil
der Kritiker belächelt wurden. Die Italiener ver-
standen mit ihrem klaren Formgefühl (das in
ihrer eigenen kunstgewerblichen Produktion heute
allerdings selten genug in Erscheinung tritt) so-
fort, daß hier eine neue lebendige Form im
Werden ist. Daß sie auf diesem Gebiete auch
schöpferisch sein werden, darf man aus der aus-
gezeichneten Form der italienischen Kraftwagen
schließen. Starken Eindruck machte auch die
künstlerische Energie und Entschiedenheit, mit
der die Gesamtheit der deutschen Bäume durch
den Architekten in eine einheitliche Form ge-
bracht worden war und die Phantasie, mit der
auch schwierige Baum- und Beleuchtungspro-

bleme gelöst waren. Der nur künstlich beleuch-
tete Baum für Gold und Silber und der lange
Korridor, dessen Einbeziehung in den Zusammen-
hang der Bäume zuerst fast unmöglich schien,
gefielen besonders. Daß handwerkliche Feinhei-
ten sofort erkannt wurden, darf nicht wunder
nehmen. Für den großen, nur aus dünnen
Furnieren zusammengebauten Schrank der Deut-
schen Werkstätten (Entwurf Bruno Paul) hat der
Generaldirektor der Ausstellung, der feinsinnige
Kunsthistoriker Cav. Marangoni, das reizende
Wort von der „Stradivari der Möbelkunst" ge-
prägt. Besondere Bewunderung erregten allge-
mein die graziösen Beleuchtungskörper von Max
Krüger (Berlin), die wir dank des Entgegen-
kommens der Mailänder Osram-Gesellschaft in
vollem Glänze des Lichtes zeigen konnten.

Von der größten Wichtigkeit war natürlich das
Verhalten der Presse, zumal da die nicht gerade
freundliche Einstellung vieler Zeitungen zu
Deutschland bekannt genug ist. Wir haben hier
auch manches Unfreundliche zu hören bekom-
men. Aber von weitem schon gaben sich diese
Äußerungen, die auf das sachliche Problem gar
nicht eingehen, so eindeutig als politisch gefärbt
zu erkennen, daß ihre sachliche Wirkung auf
den italienischen Leser, der jede Tendenz seiner
Zeitung zu durchschauen gewohnt ist, nicht stark
gewesen sein kann. Auf der anderen Seite stehen
eine große Anzahl von kürzeren oder ausführ-
licheren Besprechungen der deutschen Abteilung,
die nicht nur höflich das Gebotene loben, son-
dern, manchmal mit sehr offener Kritik im
Einzelnen nicht zurückhaltend, das tiefere
Problem, das dem deutschen Kunstgewerbe zu-
grunde liegt, in einer sehr sachlichen und ge-
bildeten Weise, die manche deutsche Presse-
äußerung in den Schatten stellt, sehr eingehend
behandeln. Zu erwähnen sind hier besonders
einige kurze Aufsätze der hochgebildeten Frau
Sarfalti in Mailand, mehrere Zeitschriftenaufsätze
des Generalsekretärs der Ausstellung Carlo A.
Feiice und ein ausführlicher Artikel des sehr
angesehenen Kunstgelehrten Professor Ugo Ojetti,
aus dem Auszüge bereits in den Mitteilungen des
Deutschen Werkbundes (Nr. 3 vom Juli 192.5)
veröffentlicht worden sind. Ein Satz aus diesem
Artikel darf auch hier noch einmal abgedruckt
werden, weil er das Werkbundproblem in ge-
radezu programmatischer Weise umschreibt: „Der
Wille zum Ausharren, die Hochachtung vor der
eigenen Erfinderidee, die Bedlichkeit und Tüchtig-
keit in der technischen Arbeit und der wachsende
und schließlich feste Glaube an die eigene
Leistungsfähigkeit, alles das zusammen ist in
erster Linie eine moralische und dann erst eine
künstlerische Tat."

Die Frage nach der wirtschaftlichen Aus-
wertung unserer Ausstellung in Monza darf nicht
übergangen werden. Wer einen unmiltelbaren
finanziellen Erfolg erwartet hat, mußte enttäuscht

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