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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Döcker, Richard: Zum Bauproblem der Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0093

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im Bauproblem der zeit

VON ARCHITEKT DR.-ING. RICHARD DOCKER STUTTGART

Auf keine Weise können nach unserer Meinung die Gestaltungsprobleme der Zeit
besser und eindringlicher geklärt werden als dadurch, daü die gestaltenden Kräfte
selbst darlegen, wie sie diese Probleme sehen. Nachdem im ersten Heft unserer Zeit-
schrift der Architekt Hugo Häring seine „Wege zur Form" aufgezeigt hat, setzen
wir die begonnene Aussprache mit den nachsiehenden Ausführungen fort. Eine
eigene zusammenfassende Stellungnahme behalten wir uns zu einem späteren Zeit-
punkt vor, nachdem das Problem von verschiedenen Seiten beleuchtet sein wird.

Die Schriftleitung.

^ie großen Ereignisse des späten ] 9. und des dokumentieren in ihren Taten den Willens-
begonnenen 20. Jahrhunderts auf dem Ge- ausdruck der Zeit und ihres Geistes,
biet wissenschaftlicher Forschungen und Wenn die beängstigende, unfaßbare und
technischer Erfindungen haben, als Wand- grenzenlose Unendlichkeit des Welten-
lungfürdienahe Gegenwart und Zukunftim raums den Menschen die Gestaltung von
Vergleich zu den Gepflogenheiten jüngster räumlich begrenzten und bestimmten Ge-
Vergangenheit, neue Gesetze und Probleme bilden von menschlichem Maßstab suchen
für die Formgestaltung geschaffen. ließ und Schöpfungen der Architektur,

Die Wissenschaft (Elektrizität, Chemie als der Mutter aller Künste, als der ein-
usw.) als Ausgangspunkt, zigen räumlichen Wirklichkeit mensch-

dieMaschine(Eisenbahnen,Automobile, lichen Geistes brachte> 50 läßt sich heute

Flugzeuge, Kino, Photographie usw. als Aus- schon erkennen, daß die scheinbar so fest

wirkun ; begründete formale und konstruktive, sta-

, ,. . i r n- 1 1 1 * tische und dynamische Erscheinungsform

und die wirtschaftlichen undpoli- . _ . J . , :? „.

_ . . . ,. ,t , der Bauwerke ins Wanken geraten ist. Die

tischen Entwicklungsstad 1 en (mdu- , , ., . °. , , x

. 0 . so gut gelernte und allseits in den letzten

striahsierung,Weltkriege,Revolutionen,so- T .° . ° . . . , . ,

*?7 f 7 Jahrzehnten und auch heute noch so sicher

ziale Umschichtungen) als Ergebnis ... , , . , . , .

to ' & geübte Methode, Arclntektur zu machen,

bedeuten die Wirklichkeit der scneint für die Zukunft grundsätzliche Än-
Gegenwart. derungen erfahren zu müssen. Überall
Die Sehnsucht der Eroberung von etwas sind Versuche zu Neugestaltungen in Ar-
Neuem, — chitektur, Plastik, Malerei und Kunstge-
der Drang nach unbekümmerter und werbe festzustellen.

voraussetzungsloser Ehrlichkeit und abso- Zum allergrößten Teil allerdings von
luter Wahrheit einer von Gefühlsduselei falschen Voraussetzungen ausgehend
und Vergänglichkeiten befreiten reinen von denen der spielerischen Laune oder
Sachlichkeit, der gedankenlosen Wiederholung der Kon-
der Wille, die Blickbeschränktheit vor- vention, von denen der ganz privaten, in-
gezeichneter Grenzen für nichts zu achten, dividuellen und Original sein wollenden
um die Dinge selbst zunächst zu denken 0der vielfach weit- und zeitfremden
und zu umfassenderen Erkenntnissen zu Einstellung des Schöpfers — zeigt sich,
gelangen, setzen sich als unbürgerliche Er- neben dem Kampf mit der Tradition seit
scheinungen in Gegensatz zu der bürger- Beginn der Umwälzung schöpferischen zeit-
lichen Nachahmung bereits vorhandener gemäßen Erlebens — dem Jugendstil —
gedachter und gelebter und damit ver- ejn nahezu systemloses Tasten und Suchen
brauchter Normen-Konvention. einer neuen Formensprache, einer Verwirk-
Die Aktivität, die Jugend und dieLe- lichung neuer Gesinnung. Die Einheitlich-
bensbejahung der schöpferischen Kräfte keit bestand vorläufig darin, mit allem Her-

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