Osterreichische und
Schlesische Kunst- und Kunst-
gewerbeausstellung, Breslau
Was an Schöpfungen der Malerei, der Plastik auf
dieser Ausstellung zu sehen war, bot einen gut
gewählten Durchschnitt, aber es fehlte der Veran-
staltung nach dieser Seile hin an einer bestimm-
ten Note. Wenn die Wechselbeziehungen zwischen
österreichischem und schlesischem Kunstgewerbe
und Kunstschaffen dargetan werden sollten, so hat
die Ausstellung besonders im Kunstgewerbe und
in der Architektur gerade die Gegensätze betont.
Diese Gegensätzlichkeit war die eigentliche Note
der Ausstellung, so daß das Interesse des einsich-
tigen Beschauers sich von den Erzeugnissen der
Kunst diesen Gebieten zuwenden mußte. Das
österreichische Kunstgewerbe war mit einer Aus-
wahl dessen vertreten, was man schon auf der
Pariser Ausstellung gesehen hat, reizende Schöp-
fungen einer gefälligen modischen Phantasie,
denen man nicht böse wird, weil sie nichts anderes
sein wollen. Daneben geschmackvoll geordnet
Photographien und Entwürfe von moderner Wie-
ner Architektur, die in ihrer neuzeitlichen Ge-
sinnung eine Brücke zu dem schlagen, was die
Schlesien' an Formgestaltung zeigen. In einem
quadratischen Baum haben Professor Scharoun
und Architekt Lauterbach neben einigen guten
Webereien und ein paar kunstgewerblichen Einzel-
stücken Formschöpfungen aus der Technik zusam-
mengetragen und geschickt aufgestellt. Techni-
sches Porzellan, Maschinenteile, Isolatoren, opti-
sche Instrumente, ein Schrankkoffer und ähnliche
Dinge sollen dem Beschauer zeigen, daß diese For-
men eine neue Schönheit in sich bergen. Mit der
Frage, nach welchen Gesichtspunkten man die für
die Formgestaltung unserer Zeit so wichtigen Er-
zeugnisse der Technik ausstellen soll, wird sieb ja
die geplante Werkbundausslellung 1930 zu be-
schäftigen haben. Soll der Techniker oder der
Künstler sie ausstellen? Sollen sie in ihrer tech-
nischen Funktion oder in ihrer ästhetischen Wir-
kung zum Ausdruck kommen? Oder wo liegt die
beste Vereinigungsmöglichkeit dieser beiden Ge-
sichtspunkte? In Breslau stand das Publikum dem
Schaffen und Wollen der jungen Architektengene-
ration verständnislos gegenüber, trotz mancher
glücklichen Bauschöpfungen von Bading, Lauter-
bach und Effenberger, und es wurde von vielen
Leuten nicht begriffen, daß in einer Kunst- und
Kunstgewerbeausslellung neben den Schöpfungen
künstlerischer Gestallung auch technische Formen
ausgestellt waren. Diesen Leuten einmal zu zei-
gen, daß eine neue Schönheit auch in diesen Din-
gen im Werden ist, war der Beweggrund, den
Baum so aufzubauen, daß mit dem Gerät eine
räumlich und bildhaft gute Wirkung erzielt
wurde. Die farbig geschickte Aufteilung des Bau-
mes dient diesem Gesichtspunkt. Was an ausge-
sprochen kunstgewerblichen Erzeugnissen aus
Schlesien gezeigt wurde, war mit großer Sorgfalt
ausgewählt, es sind durchweg einfache selbstver-
ständliche Formen, die sich dem Gesamtbild gut
anschließen. Durch all diese schlesischen Erzeug-
nisse geht ein Zug von kühler Sachlichkeit und
nüchternem Wirklicbkcilssinn. Das ist es, was die
ältere Generation mit der jüngeren verbindet, und
dieser einheitliche Grundton kommt neben den
österreichischen Erzeugnissen um so stärker her-
Raum für Architektur und technische Formen
302
Schlesische Kunst- und Kunst-
gewerbeausstellung, Breslau
Was an Schöpfungen der Malerei, der Plastik auf
dieser Ausstellung zu sehen war, bot einen gut
gewählten Durchschnitt, aber es fehlte der Veran-
staltung nach dieser Seile hin an einer bestimm-
ten Note. Wenn die Wechselbeziehungen zwischen
österreichischem und schlesischem Kunstgewerbe
und Kunstschaffen dargetan werden sollten, so hat
die Ausstellung besonders im Kunstgewerbe und
in der Architektur gerade die Gegensätze betont.
Diese Gegensätzlichkeit war die eigentliche Note
der Ausstellung, so daß das Interesse des einsich-
tigen Beschauers sich von den Erzeugnissen der
Kunst diesen Gebieten zuwenden mußte. Das
österreichische Kunstgewerbe war mit einer Aus-
wahl dessen vertreten, was man schon auf der
Pariser Ausstellung gesehen hat, reizende Schöp-
fungen einer gefälligen modischen Phantasie,
denen man nicht böse wird, weil sie nichts anderes
sein wollen. Daneben geschmackvoll geordnet
Photographien und Entwürfe von moderner Wie-
ner Architektur, die in ihrer neuzeitlichen Ge-
sinnung eine Brücke zu dem schlagen, was die
Schlesien' an Formgestaltung zeigen. In einem
quadratischen Baum haben Professor Scharoun
und Architekt Lauterbach neben einigen guten
Webereien und ein paar kunstgewerblichen Einzel-
stücken Formschöpfungen aus der Technik zusam-
mengetragen und geschickt aufgestellt. Techni-
sches Porzellan, Maschinenteile, Isolatoren, opti-
sche Instrumente, ein Schrankkoffer und ähnliche
Dinge sollen dem Beschauer zeigen, daß diese For-
men eine neue Schönheit in sich bergen. Mit der
Frage, nach welchen Gesichtspunkten man die für
die Formgestaltung unserer Zeit so wichtigen Er-
zeugnisse der Technik ausstellen soll, wird sieb ja
die geplante Werkbundausslellung 1930 zu be-
schäftigen haben. Soll der Techniker oder der
Künstler sie ausstellen? Sollen sie in ihrer tech-
nischen Funktion oder in ihrer ästhetischen Wir-
kung zum Ausdruck kommen? Oder wo liegt die
beste Vereinigungsmöglichkeit dieser beiden Ge-
sichtspunkte? In Breslau stand das Publikum dem
Schaffen und Wollen der jungen Architektengene-
ration verständnislos gegenüber, trotz mancher
glücklichen Bauschöpfungen von Bading, Lauter-
bach und Effenberger, und es wurde von vielen
Leuten nicht begriffen, daß in einer Kunst- und
Kunstgewerbeausslellung neben den Schöpfungen
künstlerischer Gestallung auch technische Formen
ausgestellt waren. Diesen Leuten einmal zu zei-
gen, daß eine neue Schönheit auch in diesen Din-
gen im Werden ist, war der Beweggrund, den
Baum so aufzubauen, daß mit dem Gerät eine
räumlich und bildhaft gute Wirkung erzielt
wurde. Die farbig geschickte Aufteilung des Bau-
mes dient diesem Gesichtspunkt. Was an ausge-
sprochen kunstgewerblichen Erzeugnissen aus
Schlesien gezeigt wurde, war mit großer Sorgfalt
ausgewählt, es sind durchweg einfache selbstver-
ständliche Formen, die sich dem Gesamtbild gut
anschließen. Durch all diese schlesischen Erzeug-
nisse geht ein Zug von kühler Sachlichkeit und
nüchternem Wirklicbkcilssinn. Das ist es, was die
ältere Generation mit der jüngeren verbindet, und
dieser einheitliche Grundton kommt neben den
österreichischen Erzeugnissen um so stärker her-
Raum für Architektur und technische Formen
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