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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Rundschau
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RUNDSCHAU

BERLINER KALEIDOSKOP

Die Wahl eines neuen Stadtbaurats steht vor
der Tür. Daß sich nicht spontan drei oder vier
Namen von Architekten auf die Lippen drängen,
die als gleichwertige Kandidaten für diesen wich-
tigen Posten in Vorschlag kommen könnten, be-
stätigt nicht nur aufs neue den beängstigenden
Mangel an überragenden Persönlichkeiten, unter
dem alle Berufe in dieser talenlarmen Zeit
leiden. ; Auch die Aufgaben des Stadtbau-
rats müssen -sich grundlegend geändert haben,
wenn zu ihrer Lösung die Kenntnis und Erfah-
rung selbst bekannter und bewährter Speziali-
sten nicht mehr zu genügen scheint.

Die Aufgaben der Stadtwirtschaft sind längst
über ihren begrenzten Bezirk hinaus- und in die
größeren Aufgaben der Staats- und Weltwirt-
schaft hineingewachsen. Darum kann auch die
Stadt als bauliches Gebilde nicht länger mehr
als eine abgeschlossene Einheit behandelt wer-
den, sondern die Stadtplanung hat in unmit-
telbare Beziehung zur gesamten Landesplanung
zu treten. Für diese umfassende und neuartige
Aufgabe, von deren glücklicher Lösung die künf-
tige Entwicklung Berlins entscheidend abhängt,
bedarf es nun einer eigens befähigten Per-
sönlichkeit besonderen Formats, die mit siche-
rem Instinkt die eigentümliche Berufung der
Großstadt Berlin erkennt und ihrer organischen
Entwicklung mit festem Griff den Weg zu ebnen
vermag. Der neue Stadtbaurat muß eine Syn-
these der modernen Siedlungsidee in sich tragen
und von ihr das Gesetz seines Handelns empfan-
gen. Statt sich, wie sein Vorgänger, auf die
Bearbeitung architektonischer Einzelaufgaben zu
beschränken und seine gesamte Kraft in Plan,
Entwurf und Detail der städtischen Bauten zu
verzehren. Was ist übrigens von dieser in
ihrer geistigen Basis so schmalen, in ihrem
Umfang so breiten Leistung Ludwig Hoff-
manns noch übrig geblieben? Die unzähligen
Bauten, die er in allen Teilen der Stadt er-
richtet hat, verschwinden vollständig in dem
Jläusermeer der Großstadt und die einst viel
gerühmten „Geschmacksinseln" vermögen sich
gegen ihre trostlose Umgebung nicht zu be-
haupten. Auch ist es damit nicht gelungen die
nächstliegende und für eine so betont tradi-
tionell eingestellte Kunslauffassung unmittelbar
aktuelle Aufgabe zu lösen: die Begründung
einer auf den örtlichen Ueberlieferungen des
Backsteinbaucs fußenden Berliner Bauschule. Es
ist eine bemerkenswerte Tatsache, daß unter den
Architekten der jüngeren Generation gerade die
wertvollsten Kräfte, die mit ihren Arbeiten be-
deutsam in die Zukunft weisen, Baumeister wie
Bruno Taut, Alfred Fischer, Hugo lläring, um
waldlos einige Namen herauszugreifen, in der

Werkstatt Theodor Fischers ihre Lehre empfangen
haben. Während andrerseits Ludwig Hoffmann,
trotz seines großen und stets vielbeschäftigten
Ateliers, eigentlich niemals Schule gemacht hat.
Ein Beweis mehr, wie gering der Gehalt an
lebendigen und zukunftsträchligen Ideen in die-
sem Werk ist, das in der Tat mit seiner. Voll-
endung auch bereits der Vergangenheit angehört.
Der letzte Ueberrcst, der von diesem umfangrei-
chen Lebenswerk noch in unsere Tage hinein-
ragt, ist.' die fatale Ruine der Museumsbauten
am Kupfergraben, die, wie die letzten Debat-
ten im Prcußenparlament wieder gezeigt haben,
ein ewiger Zankapfel für alle Beteiligten, für
Bauleitung, Museumsverwaltung und Kunstbe-
hör'de zu werden droht.

Inzwischen wird die bauliche Entwicklung Ber-
lins, die hoffentlich in naher Zukunft durch
eine vom Glück begünstigte Stadtbaurats wähl
eine starke einheitliche Leitung finden wird,
munter und dircktionslos von den verschieden-
sten Seiten diskutiert, beeinflußt und praktisch
betrieben. Die Kaufleute, Grundstücksmagnaten
und Realitäter empfehlen zur Hebung des Frem-
denverkehrs einen großzügigen Ausbau der City
nach amerikanischem Musler und plädieren, na-
türlich im Interesse des Fortschritts, für eine
weitere Vermehrung der Stockwerke, für
Straßenverbreiterung, Anlage von Doppelstraßen
und radikale Durchbrüche unter schonungsloser
Aufopferung vorhandenen Baumbestandes. Dane-
ben wirbt das Fremdenverkehrsbüro der Stadt
Berlin auf seine Weise für den Besuch der
Reichshauptstadt mit einer Broschüre, deren schä-
bige typographische Aufmachung die entlegenste
Provinzstadt erröten ließe und die im übri-
gen auch mit der ungeschickten Auswahl der
beigefügten Abbildungen die ihr obliegende
Aufgabe gründlich verfehlt. Eine Städtebauzeit-
schrift, die Anspruch darauf erhebt, als füh-
rendes Fachorgan zu gelten, ventiliert eifrig die
Frage, welches zur Zeit die wichtigste Bauauf-
gabe Berlins sei, und beweist, daß auch auf dem
Gebiet des Städtebaues Tracht und Dekoration
noch immer wichtiger genommen werden als
Körper und Wesen, wenn sie gleichzeitig die
Ausgestaltung der Straße Unter den Lin-
den zum Gegenstand eines internationalen
Wettbewerbs macht. Wobei dem Herausgeber
dann noch das tragikomische Mißgeschick zu-
stößt, daß eigens ein Vertreter der jungen hol-
ländischen Bauschule, deren interessante Ver-
suche er in seiner Zeitschrift mehrfach zur
Zielscheibe seines billigen Spottes gemacht hat,
als erster Sieger aus diesem Wettbewerb hervor-
ging. Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeu-
tung. Die Wolmungsfürsorgegesellschaft der
Stadt Berlin erstattete vor kurzem öffentlichen

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