RUNDSCHAU
Dänische Architektur
Ausstellung d. Architekturverlags Ernst Wasmuth.
Dänemark isl ein typisches Agrarland mit ruhigem
Wirtschaftsverlauf. Auf seine geordneten Lebens-
verhältnisse hat seine schwach entwickelte Indu-
strie noch keinen zersetzenden Einfluß ausüben
können. Daher haben sich dort Lebensgewohn-
heilen erhalten, die bei uns längst verschwunden
sind. Ihre Tradition hat sich auch einen tra-
ditionellen architektonischen Ausdruck erhallen:
den Klassizismus, der dort seit seinem Aufkom-
men fast ununterbrochen architektonisches Aus-
drucksmittel ist, als ein natürliches Produkt leben-
diger Tradition. Freilich sehr modifiziert. Denn
dieser dänische Klassizismus, wie ihn etwa Kay
Agerloft, Ivar Bentscn, Kay Fischer, G. B. Hagen,
Edwaard Thomsen und Kaare Klint (Möbel) ver-
treten, bedarf für seine Ziele keines großen ar-
chitektonischen Apparats: Säulen, Pilastcr, Kapi-
tale, Gesimse usw. Im Gegenteil. Er kommt mit
den einfachsten Mitlein, die allerdings die wesent-
lichsten sind, zurecht: Harmonie, Proportionen
und Gleichgewicht der Massen sind seine grund-
legenden Gestaltungsmittel. Der dänische Klassi-
zismus ist somit weniger ein Formenaufwand als
eine geislige Hallung. Im Gegensatz elwa zu den
klassizistischen Strömungen in Deutschland, die
immer einen großen Formenaufwand notwendig
machten. Su sind etwa Messels Bauten im Ver-
gleich zu den dänischen von einer überladenen
Formenfülle. Nur vielleicht Heinrich Tesscnows
Arbeiten können den dänischen gleichgestellt wer-
den. Ihr Gemeinsames ist die fast morbid zu nen-
nende Feinheit der Proportionen und der Har-
monisierung der Massen. Ein sensibler Purismus,
dessen letztes Ziel höchste Geschmacksvollendung
ist.
Damit ist aber auch die Grenze dieses Klassizis-
mus bezeichnet. Die strenge symmetrische Bin-
dung, die ihm zugrunde liegt, macht ihn ungeeig-
net für viele Aufgaben, die die Gegenwart der Ar-
chitektur stellt. Seine Mittel reichen dann einfach
nicht, mehr aus. So sind sowohl Kay Agerloft wie
Ivar Bentsen bei einigen ihrer Entwürfe gezwun-
gen, die Form des durch den Klassizismus gehei-
ligten stehenden Bechleckfensters aufzugeben, um
durch andere Fensterformen eine zweckmäßigere
Beleuchtung zu erreichen. Warum aber dann noch
die rein repräsentative Belastung des Grundrisses
mit Symmetrien, die den Bauorganismus vergewal-
tigen, seinen funktionellen Formenausdruck hin-
dern! Ludwig Hilberseimer.
Bücherschau
Kunstgewerbliche Arbeilen aus den Werkstätten
der Gewerbeschule Zürich. Eugen Rcnlsch, Ver-
lag. Erlenbach und München, 192G, Preis 10.50M.
Eine Auswahl von Abbildungen der besten Stücke
aus den Werkstätten der Zürcher Gewerbeschule,
die in Paris ausgestellt waren, in einem stattlichen
Quartband vereinigt, geben die Gewähr, daß unter
der Aufsicht des Direktors Alfred Allherr gute
und gediegene Arbeil geleistet wird. Altherr ver-
langt von seinen Lehrmeistern, daß sie aus dem
Handwerk hervorgehen und weder durch altes
Kunstgewerbe verbildet, noch auch durch Akadc-
mieunlerrichl verdorben sind. Das Richtige wäre
nach seiner Meinung Aufhebung aller Schulen und
Ersatz durch Werkställen. Bis wir wieder Meister
haben, die in der Werkstatt dem Schüler Technik
und gule Form übermitteln, bleiben die Schulen
noch notwendiges Übel. Was in den Werkställen
der Zürcher Schule auf dem Gebiete der Schrei-
nerarbeil, Keramik, Melallkunst, Texlilkunst. und
nicht zuletzt den Gebieten des Schriftsatzes, Druk-
kes und Bucheinbandes geleistet wird, machte
schon in Paris starken Eindruck und erfreut, auch
jetzt in der mustergültigen Veröffentlichung
durch die unbedingte Gediegenheit und Einfach-
heit, die sich von schlechter Konvention und Über-
treibung gleich fern hält. Baum.
■#
REDAKTIONELLE MITTEILUNG
In dem Werk von Erich Mendelsohn „Amerika-
Bilderbuch eines Architekten", das wir in Heft G
der „Form", Seite 132 besprochen haben, findet
sich die Angabc „mit 77 eigenen Aufnahmen des
Verfassers". Erich Mendelsohn legt Wert auf die
Feststellung, daß diese Angabe ohne seine Auto-
risation erfolgt ist und daß von den 77 Photos die
Nummern 5, 19, 25, 32, 45, 47, 57, 58, 59, 61,
64, 73, 74 Aufnahmen des Architekten Lönberg-
Holm, Detroit sind.
*.
Der bisherige Herausgeber der „Form", Dr.-Ing.
Walter Curl Behrendt, scheidet mit dem Ablauf
des Jahres auf eigenen Wunsch aus der Schrift-
leilung aus.
VERANTWORTLICH FÜR DEN INHALT: DR.-l N G. WALTE R CUBT BEHRENDT, REH LI N W 35
352
Dänische Architektur
Ausstellung d. Architekturverlags Ernst Wasmuth.
Dänemark isl ein typisches Agrarland mit ruhigem
Wirtschaftsverlauf. Auf seine geordneten Lebens-
verhältnisse hat seine schwach entwickelte Indu-
strie noch keinen zersetzenden Einfluß ausüben
können. Daher haben sich dort Lebensgewohn-
heilen erhalten, die bei uns längst verschwunden
sind. Ihre Tradition hat sich auch einen tra-
ditionellen architektonischen Ausdruck erhallen:
den Klassizismus, der dort seit seinem Aufkom-
men fast ununterbrochen architektonisches Aus-
drucksmittel ist, als ein natürliches Produkt leben-
diger Tradition. Freilich sehr modifiziert. Denn
dieser dänische Klassizismus, wie ihn etwa Kay
Agerloft, Ivar Bentscn, Kay Fischer, G. B. Hagen,
Edwaard Thomsen und Kaare Klint (Möbel) ver-
treten, bedarf für seine Ziele keines großen ar-
chitektonischen Apparats: Säulen, Pilastcr, Kapi-
tale, Gesimse usw. Im Gegenteil. Er kommt mit
den einfachsten Mitlein, die allerdings die wesent-
lichsten sind, zurecht: Harmonie, Proportionen
und Gleichgewicht der Massen sind seine grund-
legenden Gestaltungsmittel. Der dänische Klassi-
zismus ist somit weniger ein Formenaufwand als
eine geislige Hallung. Im Gegensatz elwa zu den
klassizistischen Strömungen in Deutschland, die
immer einen großen Formenaufwand notwendig
machten. Su sind etwa Messels Bauten im Ver-
gleich zu den dänischen von einer überladenen
Formenfülle. Nur vielleicht Heinrich Tesscnows
Arbeiten können den dänischen gleichgestellt wer-
den. Ihr Gemeinsames ist die fast morbid zu nen-
nende Feinheit der Proportionen und der Har-
monisierung der Massen. Ein sensibler Purismus,
dessen letztes Ziel höchste Geschmacksvollendung
ist.
Damit ist aber auch die Grenze dieses Klassizis-
mus bezeichnet. Die strenge symmetrische Bin-
dung, die ihm zugrunde liegt, macht ihn ungeeig-
net für viele Aufgaben, die die Gegenwart der Ar-
chitektur stellt. Seine Mittel reichen dann einfach
nicht, mehr aus. So sind sowohl Kay Agerloft wie
Ivar Bentsen bei einigen ihrer Entwürfe gezwun-
gen, die Form des durch den Klassizismus gehei-
ligten stehenden Bechleckfensters aufzugeben, um
durch andere Fensterformen eine zweckmäßigere
Beleuchtung zu erreichen. Warum aber dann noch
die rein repräsentative Belastung des Grundrisses
mit Symmetrien, die den Bauorganismus vergewal-
tigen, seinen funktionellen Formenausdruck hin-
dern! Ludwig Hilberseimer.
Bücherschau
Kunstgewerbliche Arbeilen aus den Werkstätten
der Gewerbeschule Zürich. Eugen Rcnlsch, Ver-
lag. Erlenbach und München, 192G, Preis 10.50M.
Eine Auswahl von Abbildungen der besten Stücke
aus den Werkstätten der Zürcher Gewerbeschule,
die in Paris ausgestellt waren, in einem stattlichen
Quartband vereinigt, geben die Gewähr, daß unter
der Aufsicht des Direktors Alfred Allherr gute
und gediegene Arbeil geleistet wird. Altherr ver-
langt von seinen Lehrmeistern, daß sie aus dem
Handwerk hervorgehen und weder durch altes
Kunstgewerbe verbildet, noch auch durch Akadc-
mieunlerrichl verdorben sind. Das Richtige wäre
nach seiner Meinung Aufhebung aller Schulen und
Ersatz durch Werkställen. Bis wir wieder Meister
haben, die in der Werkstatt dem Schüler Technik
und gule Form übermitteln, bleiben die Schulen
noch notwendiges Übel. Was in den Werkställen
der Zürcher Schule auf dem Gebiete der Schrei-
nerarbeil, Keramik, Melallkunst, Texlilkunst. und
nicht zuletzt den Gebieten des Schriftsatzes, Druk-
kes und Bucheinbandes geleistet wird, machte
schon in Paris starken Eindruck und erfreut, auch
jetzt in der mustergültigen Veröffentlichung
durch die unbedingte Gediegenheit und Einfach-
heit, die sich von schlechter Konvention und Über-
treibung gleich fern hält. Baum.
■#
REDAKTIONELLE MITTEILUNG
In dem Werk von Erich Mendelsohn „Amerika-
Bilderbuch eines Architekten", das wir in Heft G
der „Form", Seite 132 besprochen haben, findet
sich die Angabc „mit 77 eigenen Aufnahmen des
Verfassers". Erich Mendelsohn legt Wert auf die
Feststellung, daß diese Angabe ohne seine Auto-
risation erfolgt ist und daß von den 77 Photos die
Nummern 5, 19, 25, 32, 45, 47, 57, 58, 59, 61,
64, 73, 74 Aufnahmen des Architekten Lönberg-
Holm, Detroit sind.
*.
Der bisherige Herausgeber der „Form", Dr.-Ing.
Walter Curl Behrendt, scheidet mit dem Ablauf
des Jahres auf eigenen Wunsch aus der Schrift-
leilung aus.
VERANTWORTLICH FÜR DEN INHALT: DR.-l N G. WALTE R CUBT BEHRENDT, REH LI N W 35
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