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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Fischer, Hans W.: Der Neue Tanz in seiner symptomatischen Bedeutung
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0353

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Schule Trümpy-Skoronel: Bogen

Der neue tanz

IN SEINER SYMPTOMATISCHEN BEDEUTUNG

VON HANS W. FISCHER, BERLIN

lie neue Tanzkunst begann mit einer Nega- wissen Heiterkeit. Das große Ballett stellt
tion: der bewußten Abkehr vom Ballett. die Krönung des höfischen Festes dar, an
Dieser letzte große Tanzstil hatte mehr als dem alle Zugelassenen mitwirkten; der
zweihundert Jahre souverän geherrscht und König selbst war Tänzer, die Bühne nur eine
noch zuletzt, im zaristischen Bußland, eine Fortsetzung des Gescllschaftsraumcs. Und
hohe Nachblüte gezeitigt. Die erstaunliche wie auf die Bühne, so drang die tänzerische
Dauerhaftigkeit verdankte das Ballett dem Bewegtheit sogar auch in die Kirche; für
Umstand, daß es tatsächlich reiner und voll- uns Heutige eine Überraschung, wenn wir
endeter Ausdruck einer großen Gesamtkul- ihrer Spur plötzlich einmal begegnen, wo
tur war: des Barocks. Diese Epoche ver- wir sie nicht erwarteten. Ich war einfach
mochte zum letzten Male, allen Künsten ein erschlagen, als ich eines Tags in die Wies-
einheitliches Gepräge zu geben. Sie trium- kirche trat, die einsam zwischen Hochmoo-
phiert in der pompösen Entfallung star- ren Ober-Bayerns liegt: in dieser lichten
ker zentralistischer Mächte: des politischen Pracht von weißem Stuck und Gold alle
und des kirchlichen Absolutismus. Versail- Heiligenfiguren, selbst die würdig-bärtigen,
les und der Jesuitismus gelangten zu ganz in ausgesprochenen Tanzposen, und die Ma-
ähnlichen Ausdrucksformen; sie sind maje- donna eine entzückende Primadonna, die im
statisch, prächtig und doch von einer ge- Spitzentanz auffliegen zu wollen scheint.

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