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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Bruhn, Wolfgang: Das Frauenkleid in Mode und Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0371

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AUSSTELLUNGEN

Das Frauenkleid

in Mode und Malerei

Wie das Wohnhaus den Geist und Charakter einer
Zeit und ihrer Menschen in größeren Zügen wie-
derspiegelt, so zieht die Mode in ihrem Formen-
aufbau und ihren Schnitten, in der Oberfläche
ihrer Stoffe, in der Wahl bestimmter Farben und
Musler, in der Anwendung von Schmuckmotiven
und modischen Zutaten die Einzelzügc der
menschlichen Gesellschaft nach, die sie umhüllt.
Die Mode, nicht nur die weibliche, als Ausdruck
eines bestimmten Zcilstiles, einer einheitlich ge-
formten Kultur, läßt sich durch lange Zeiträume
deutlich verfolgen, nicht immer in reiner Über-
einstimmimg mit dem jeweiligen Zeitempfinden,
sondern gelegentlich auch in eigenwilligem Wider-
spruch damit.

Die Septemberausslellung im ehem. Berliner
Kunstgewerbe-Museum hat den Ausschnitt der
letzten zwei Jahrhunderte als Anschauungsmaterial
gewählt, um einmal den Werkstoff der Mode, das
Originalkleid, das erst von dem beginnenden 18.
Jahrhundert her in reicherer Auswahl erhalten ist,
mit den Modedokumenlen der entsprechenden
zeitgenössischen Malerei in corpore zu konfron-
tieren. Auf solche Weise gewinnen wir ein ge-
schlosseneres Bild, eine deutlichere Vorstellung
von der äußeren Erscheinungsform, von dem
Lebensgefühl und der Gesinnung einer Zeit; denn

eines ergänzt das andere: das lote Schncidermodell
gewinnt Leben und greifbaren Zusammenhang erst
durch die verstärkende oder auswählende Darstel-
lung des Malers, und andererseits vermag erst ein
Vergleich mit dem Originalkleide dem Kenner
sachlichen Aufschluß über Konstruktion, Schnitt,
Stoff, Farbe und Musler der gemalten Kleider
zu geben.

Das Spätbarock um 1700 mit seinen steifen Kleid-
formen und prunkhaft schweren Stoffen und
Mustern; der Regence-Stil, der auch in der Mode
alle Formen leichter macht, die Farben und „Des-
sins" auflockert und aufhellt; das reife Rokoko
mit seiner rundlich-volleren Bewegung, seinem
Reichtum an Kontrasten im modischen Umriß, an
Leuchtkraft der Farben und Glanz der stofflichen
Oberfläche; das späte achtzehnte Jahrhundert in
dem Überschwellen der Konturen nach den Seilen
und in die Höhe, in der Häufung der Motive und
der Freude an der Draperie. Gleichzeitig der Ein-
fluß der Naturempfindung und des „sentimcnl"
einerseits sowie des Klassizismus auf der anderen
Seite, die der Mode schon vor der französischen
Revolution einen bürgerlich-gefühlvollen Zug und
bald darauf einen antikisch-idealen Charakter
geben. Schlanke Gestalten in durchsichtigen, leich-
ten Gewändern mit flüssigen Umrissen verkörpern
uns das Modeideal zu Anfang des 19. Jahrhun-
derts. Doch das bürgerlich Behäbige gewinnt rasch
 
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