DEUTSCHLAND UND DIE INTERNATIONALE
GEWERBEAUSSTELLUNG IN MONZA
VON DR. WALTER
Die deutsche Öffentlichkeit hat sich mit
einer gewissen Leidenschaftlichkeit mit der
Frage beschäftigt, ob es richtig gewesen ist, deut-
sches Kunstgewerbe in diesem Jahr auf der Aus-
stellung in Monza zu zeigen. Man hat diese Frage
mit der Tatsache der Nichtbeteiligung Deutsch-
lands an der Pariser Ausstellung in einen Zu-
sammenhang gebracht, der sachlich in keiner
Weise gerechtfertigt ist. Es ist notwendig, diesen
phantasievollen, oft recht leichtfertigen Aus-
lassungen gegenüber einmal den Sachverhalt in
seiner geschichtlichen Entwicklung darzulegen.
Von der Pariser Ausstellung soll hierbei nicht
gesprochen werden. Denn die Beteiligung in
Paris hat, das sei hier mit aller Entschiedenheit
festgestellt, mit der Frage Monza überhaupt
nichts zu tun: Es hat sich niemals darum ge-
andelt, etwa Paris hinter Monza zurückzustellen,
entweder nach Paris oder nach Monza zu gehen.
Vielmehr war die Frage der Beteiligung in Monza
schon entschieden, als von einer Einladung nach
Paris überhaupt noch gar nicht gesprochen wer-
den konnte.
Italien veranstaltet alle zwei Jahre, abwechselnd
mit der internationalen Kunstausstellung in Ve-
nedig, in dem schönen klassizistischen Schlosse
der alten longobardischen Krönungsstadt zu
Monza, die zu Mailand etwa so gelegen ist wie
Potsdam zu Berlin, eine internationale Kunst-
gewerbeausstellung. Schon 1923 war eine Ein-
ladung Deutschlands geplant, bei der Unklarheit
der politischen Lage und den Schwierigkeiten
der wirtschaftlichen Lage in Deutschland kam es
jedoch zu keinem Abschluß. Als 192/I die Ein-
ladung zu der diesjährigen Ausstellung wiederholt
wurde, hielten es die deutschen amtlichen Stellen
für richtig, die Einladung anzunehmen, zumal
vom deutschen Generalkonsul in Mailand, dem
man ein Urteil in dieser Sache wohl zutrauen
darf, eine deutsche Beteiligung, wenn auch in
kleinem Umfange, für sehr wünschenswert be-
zeichnet wurde. Mit den Vorbereitungen wurde
vom Auswärtigen Amt der Schreiber dieser Zeilen
beauftragt. Er konnte bei den Verhandlungen
an Ort und Stelle von Anfang an feststellen,
daß von italienischer Seite auf die deutsche Be-
teiligung offenbar großer Wert gelegt werde,
daß uns hervorragend günstige Räume zur Ver-
fügung gestellt wurden, und daß — dies war
vielleicht das Wichtigste — auch die innere Vor-
bedingung für eine verständnisvolle Aufnahme
des modernen deutschen Kunstgewerbes gegeben
war. Sowohl in Mailand als auch in Rom war
deutlich zu beobachten, daß der italienische Ge-
schmack, der bis zum Kriege ganz konservativ
IEZLER, STETTIN
eingesteUt war und neben den reinen Nach-
ahmungen alter Dinge höchstens noch den „stilo
floreale", die italienische Abwandlung des Ju-
gendstils als Tagesmode gelten ließ, offenbar in
den letzten zehn Jahren eine starke Wandlung
durchgemacht hatte. Es war also damit zu
rechnen, daß wir auch mit unsern ausgesprochen
modern geformten Dingen Verständnis finden
würden.
Damit war die Aufgabe des Leiters der deut-
schen Abteilung klar umschrieben. Es handelte
sich einfach darum, eine Auswahl des Besten zu-
sammenzubringen, was heute auf kunstgewerb-
lichem Gebiet in Deutschland gemacht wird, und
zwar kamen nur Einzelstücke in Betracht, da
ganze Zimmereinrichtungen von hervorragender
Qualität in der kurzen, noch zur Verfügung ste-
henden Zeit nicht zu beschaffen waren und auch
die Umgestaltung der zum Teil sehr schloßmäßig
ausgestatteten Räume in den modernen Wohn-
stil unverhältnismäßig viel gekostet hätte. So
konnte man sich darauf beschränken, den Räu-
men durch Einziehen von Decken und Be-
spannung mit weißem Nessel eine einheitliche
Form zu geben und sie zugleich zur Aufnahme
modernen Kunstgewerbes geeignet zu machen.
Diese Aufgabe hat Adolf G. Schneck von der
Kunstgewerbeschule, Stuttgart, in ausgezeichneter
Weise gelöst. Er hat auch die Möbel des zu-
gleich als Leseraum dienenden Sekretariats, mit
dem wenigstens eine Probe deutscher Wohnungs-
kunst gezeigt werden konnte, entworfen. Nur der
größte Raum der deutschen Abteilung mußte in
seiner Barockdekoration erhalten bleiben. Da-
durch war die Möglichkeit gegeben, auch einige
Beispiele der konservativen Richtung des Kunst-
gewerbes in Möbeln von Gerta Schroedter-Tal-
heim zu zeigen, und so einen Rahmen für die
große Ausstellung der Meißner Porzellan-Manu-
faktur zu schaffen. Um aber auch diesen Raum
in den Organismus des Ganzen einzugliedern,
wurden seine Wände von Walter Roessner (Berlin)
mit dekorativen Bildern geschmückt.
Wir hielten es nicht für richtig, bei der Aus-
wahl der auszustellenden Dinge uns wesentlich
durch die Rücksicht auf den romanischen Ge-
schmack bestimmen zu lassen. Vielmehr war
unser Bestreben, alles zu Worte kommen zu
lassen, was sich heute von lebendigen Kräften
in Deutschland regt, also auch nicht etwa ein-
seitig nur die modernsten Bestrebungen oder
die von mancl, heute aUein noch anerkannte
ornamentlose Form zu berücksichtigen. Das Bild
wäre dadurch zu einseitig geworden und hätte
den Bestrebungen des Werkbundes, mit dem von
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GEWERBEAUSSTELLUNG IN MONZA
VON DR. WALTER
Die deutsche Öffentlichkeit hat sich mit
einer gewissen Leidenschaftlichkeit mit der
Frage beschäftigt, ob es richtig gewesen ist, deut-
sches Kunstgewerbe in diesem Jahr auf der Aus-
stellung in Monza zu zeigen. Man hat diese Frage
mit der Tatsache der Nichtbeteiligung Deutsch-
lands an der Pariser Ausstellung in einen Zu-
sammenhang gebracht, der sachlich in keiner
Weise gerechtfertigt ist. Es ist notwendig, diesen
phantasievollen, oft recht leichtfertigen Aus-
lassungen gegenüber einmal den Sachverhalt in
seiner geschichtlichen Entwicklung darzulegen.
Von der Pariser Ausstellung soll hierbei nicht
gesprochen werden. Denn die Beteiligung in
Paris hat, das sei hier mit aller Entschiedenheit
festgestellt, mit der Frage Monza überhaupt
nichts zu tun: Es hat sich niemals darum ge-
andelt, etwa Paris hinter Monza zurückzustellen,
entweder nach Paris oder nach Monza zu gehen.
Vielmehr war die Frage der Beteiligung in Monza
schon entschieden, als von einer Einladung nach
Paris überhaupt noch gar nicht gesprochen wer-
den konnte.
Italien veranstaltet alle zwei Jahre, abwechselnd
mit der internationalen Kunstausstellung in Ve-
nedig, in dem schönen klassizistischen Schlosse
der alten longobardischen Krönungsstadt zu
Monza, die zu Mailand etwa so gelegen ist wie
Potsdam zu Berlin, eine internationale Kunst-
gewerbeausstellung. Schon 1923 war eine Ein-
ladung Deutschlands geplant, bei der Unklarheit
der politischen Lage und den Schwierigkeiten
der wirtschaftlichen Lage in Deutschland kam es
jedoch zu keinem Abschluß. Als 192/I die Ein-
ladung zu der diesjährigen Ausstellung wiederholt
wurde, hielten es die deutschen amtlichen Stellen
für richtig, die Einladung anzunehmen, zumal
vom deutschen Generalkonsul in Mailand, dem
man ein Urteil in dieser Sache wohl zutrauen
darf, eine deutsche Beteiligung, wenn auch in
kleinem Umfange, für sehr wünschenswert be-
zeichnet wurde. Mit den Vorbereitungen wurde
vom Auswärtigen Amt der Schreiber dieser Zeilen
beauftragt. Er konnte bei den Verhandlungen
an Ort und Stelle von Anfang an feststellen,
daß von italienischer Seite auf die deutsche Be-
teiligung offenbar großer Wert gelegt werde,
daß uns hervorragend günstige Räume zur Ver-
fügung gestellt wurden, und daß — dies war
vielleicht das Wichtigste — auch die innere Vor-
bedingung für eine verständnisvolle Aufnahme
des modernen deutschen Kunstgewerbes gegeben
war. Sowohl in Mailand als auch in Rom war
deutlich zu beobachten, daß der italienische Ge-
schmack, der bis zum Kriege ganz konservativ
IEZLER, STETTIN
eingesteUt war und neben den reinen Nach-
ahmungen alter Dinge höchstens noch den „stilo
floreale", die italienische Abwandlung des Ju-
gendstils als Tagesmode gelten ließ, offenbar in
den letzten zehn Jahren eine starke Wandlung
durchgemacht hatte. Es war also damit zu
rechnen, daß wir auch mit unsern ausgesprochen
modern geformten Dingen Verständnis finden
würden.
Damit war die Aufgabe des Leiters der deut-
schen Abteilung klar umschrieben. Es handelte
sich einfach darum, eine Auswahl des Besten zu-
sammenzubringen, was heute auf kunstgewerb-
lichem Gebiet in Deutschland gemacht wird, und
zwar kamen nur Einzelstücke in Betracht, da
ganze Zimmereinrichtungen von hervorragender
Qualität in der kurzen, noch zur Verfügung ste-
henden Zeit nicht zu beschaffen waren und auch
die Umgestaltung der zum Teil sehr schloßmäßig
ausgestatteten Räume in den modernen Wohn-
stil unverhältnismäßig viel gekostet hätte. So
konnte man sich darauf beschränken, den Räu-
men durch Einziehen von Decken und Be-
spannung mit weißem Nessel eine einheitliche
Form zu geben und sie zugleich zur Aufnahme
modernen Kunstgewerbes geeignet zu machen.
Diese Aufgabe hat Adolf G. Schneck von der
Kunstgewerbeschule, Stuttgart, in ausgezeichneter
Weise gelöst. Er hat auch die Möbel des zu-
gleich als Leseraum dienenden Sekretariats, mit
dem wenigstens eine Probe deutscher Wohnungs-
kunst gezeigt werden konnte, entworfen. Nur der
größte Raum der deutschen Abteilung mußte in
seiner Barockdekoration erhalten bleiben. Da-
durch war die Möglichkeit gegeben, auch einige
Beispiele der konservativen Richtung des Kunst-
gewerbes in Möbeln von Gerta Schroedter-Tal-
heim zu zeigen, und so einen Rahmen für die
große Ausstellung der Meißner Porzellan-Manu-
faktur zu schaffen. Um aber auch diesen Raum
in den Organismus des Ganzen einzugliedern,
wurden seine Wände von Walter Roessner (Berlin)
mit dekorativen Bildern geschmückt.
Wir hielten es nicht für richtig, bei der Aus-
wahl der auszustellenden Dinge uns wesentlich
durch die Rücksicht auf den romanischen Ge-
schmack bestimmen zu lassen. Vielmehr war
unser Bestreben, alles zu Worte kommen zu
lassen, was sich heute von lebendigen Kräften
in Deutschland regt, also auch nicht etwa ein-
seitig nur die modernsten Bestrebungen oder
die von mancl, heute aUein noch anerkannte
ornamentlose Form zu berücksichtigen. Das Bild
wäre dadurch zu einseitig geworden und hätte
den Bestrebungen des Werkbundes, mit dem von
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