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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Häring, Hugo: Zwei Städte: eine physiognomische Studie, zugleich ein Beitrag zur Problematik des Städtebaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0224

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Arch. Le Corbusier, Paris Schema einer Großstadt (Aus „Stavba")

Zwei städte

Eine Physiognomische Studie, zugleich ein Beitrag zur Problematik des Städtebaus

VON HUGO HÄRING, BERLIN

Neue Versuche zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit
dem Gestaltungsprohlem Stadt" wurden in letzter Zeit von den
Architekten Le Corbusier, Paris und L. Hilberseimer, Berlin unter-
nommen. Mit ihren Vorschlägen und Plänen setzt sich nachstehend
ein dritter Architekt auseinander. Mit dieser Auseinandersetzung
liefert er zugleich einen eigenen Beitrag zu diesem aktuellen Prohlem.

Die Schriftleilung.

I. nehmen. Und trotzdem haben sie alle mehr

as Problem der Großstadt ist für beide, für Licht und Luit. Würde damit der Verkehr auch
Le Corbusier, wie für L. Hilberseimer: wie nur auf ein Fünftel oder sogar auf noch weniger
ordnet man die Dinge, welche Millionen Men- verringert, so wäre die Wirkung verlockend,
sehen brauchen, um zu wohnen, zu leben, zu ar- Die einzelnen Baublöcke dieser Städte werden zu
heilen, sich zu unterhalten, sich zu belehren, Betriebseinheiten von der Größe einer Klein-
sich zu erholen, wie ordnet man diese Dinge Stadt, sagen wir von 8000 Einwohnern. Riesen-
so, daß sie einem höchsten Maß von Ordnung hotels, Großschiffe — aber ohne Meer. Unbe-
entsprechen, das alle zugestandenen Ansprüche dingt eine Belriebscrsparnis für alle Beteiligten,
der Einzelnen an Raum, Luft, Hygiene, Bequem- Beiden ist Selbstverständlichkeit: Höchste Voll-
lichkeil erfüllt, daß der Lebenslauf zwischen die- kommenheit im Technischen, Großzügigkeit in
sen Dingen ein reibungsloser und geregelter, ja den Ausmaßen und die Lust an all dem und an
vielleicht sogar ein angenehmer und wohltuender der Phantastik daraus.

ist und daß all dieses in einer Harmonie mit der Das Ästhetische? Bei Hilberseimer das Nebenbei
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einzelnen einer blitzsauberen Denk- und Willensleistung,
sicli befindet. Beiden winkt die Lösung dieser weder ziel- noch wesenhaft; bei Corbusier die
Aufgabe der Einrichtung, Verpackung, Versor- Ausstrahlung einer gereinigten Welt der geome-
gung und Betriebsführung in der Konzentrierung Irischen Kulturen, gesteigert um den Reiz der

der Massen auf engstem Raum durch die Ent- technischen Dinge. Nicht ohne eine Verbeugung

wicklung der Städte in die Höhe, weil vor allem vor der Monumentalität, der pathetischen Majestät

der Verkehr sich verringert, wenn die Notwendig- des Lateiners. Doch, was narrt ihn, Autos durch

keit behoben wird, lange Wege zu machen. (Ver- Triumphtore zu lenken? Müssen sie unbedingt?
ringert Fernseher, vollkommenes Radio und ähn- IL

liehe Dinge später einmal die Notwendigkeit des Also die Gestalt der Stadt das Ergebnis einer

Verkehrs überhaupt auf ein Minimum, so liegt Ordnungsschaffung in Hinsicht auf Wirtschaft-

Auflösung der Städte näher, womit wir dann lichkeit, Lebenslauf, Betriebsführung. Fprdismus.

Bruno Taut näherkommen werden.) Ein Berli- Wozu solche Slädle?

ner Arbeiter belastet durchschnittlich am Tage III.

2 mal 59 Minuten ein Verkehrsmittel, nur um Verdrängungen:

zur und von der Arbeit zu kommen. In den a) Der Mensch. Sofern er außerhalb seiner

Städten Hilberseimers und Corbusiers geht er geistigen Konstruktionen, außerhalb seines An-

5 Minuten zu Fuß oder fährt im Lift aus dem teils an der Bildung Masse, außerhalb seines

37. Stock in den fünften. Hilberseimer bringt Eingeordnetseins in Wirtschaft, Betrieb und

5 Millionen Menschen auf einem Fünftel des Fortschritt, noch Mensch ist, wohnt er besser

Raumes unler, den sie im heutigen Berlin ein- anderswo. Aus der Stadt Iis. ist dieser Mensch

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