Gavarni, Modezeichnung Frankreich um 1830
DER MODENZEICHNER von f. a. lutz, berlin
Der Modenzeichner, als Chronist der Mode, hat
dementsprechend keine andere Aufgabe, als den
Menschen seiner Zeit in Kleidung, Haltung und
Umgebung darzustellen, unbefangen von Über-
lieferungen und der Weisheit von Schulen und
Akademien. In seiner höchsten Bedeutung stellt
er immer einen Chronisten des Lebens selbst dar,
sowie etwa Constanlin Guys, den Baudelaire in
so unvergleichlicher Weise als »Le peintre de la
vie moderne« feierte, oder wie Gavarni, dessen
Modeblätter wir ebenso schätzen wie seine vielen
Zeichnungen — Sittenschilderungen seiner Zeit.
Aus den Darstellungen solcher Chronisten gewinnen
wir ein wesentlich anderes Bild der Menschen
vor uns, als die mit Vorurteilen überladene
„Geschichte" es darstellt,
Der Chronist der Mode sucht und lindet überall
die flüchtige, vergängliche Schönheit der eigenen
Zeit, wie sie ihm in der Stunde, ja im Augenblick
des Erlebens sich darbietet. Da er immer nur das
darstellt, was sich als Wirklichkeit vor seinen Augen
abspielt und er immer nur den Ausdruck eines Er-
lebnisses darstellt und nicht einen Eindruck zu ver-
arbeiten sucht, so ist für ihn die Umhüllung des
Menschen,die Kleidung.belonend oder vortäuschend,
als Kähmen oder Folie, das wichtigste Motiv.
Der Modenzeichner, als wahrer Chronist, fühlt
sich überdies immer zugehörig der menschlichen
Gesellschaft, deren Lebensäußerungen er .darstellt.
Er ist mit ihrem Denken und Empfinden, ihren
Gewohnheiten, Absichten und Wünschen, in jeder
Beziehung verknüpft. Wie Constantin Guys das
High life, Low life, die Gavaliers, Chevaux,
Voitures, Filles usw. seiner Zeit darstellte, in
wunderbaren Blättern, auf denen die Menschen
mehr als Kostüme, als Mannequins, in Erscheinung
treten, so stellt der Chronist von heute das Leben
der menschlichen Gesellschaft dar, wie dieses sich
in unseren Tagen in öffentlicher Schaustellung
darbietet: in den Hallen großer Hotels, beim 5-Uhr-
Tee; im Thealer, bei der Premiere; auf einem Ball,
auf Maskeraden, in der Bar, beim Kennen, an der
See, auf den großen, internationalen Treffpunkten
der mondänen Welt und nicht zuletzt beim Sport.
Und wiederum ist auch für den Chronisten von heute
das Kostüm das Hauptmotiv seiner Darstellung und
die Menschen nur Mannequins, die nacheinander
auftreten im großen Schauspiel des Lebens.
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DER MODENZEICHNER von f. a. lutz, berlin
Der Modenzeichner, als Chronist der Mode, hat
dementsprechend keine andere Aufgabe, als den
Menschen seiner Zeit in Kleidung, Haltung und
Umgebung darzustellen, unbefangen von Über-
lieferungen und der Weisheit von Schulen und
Akademien. In seiner höchsten Bedeutung stellt
er immer einen Chronisten des Lebens selbst dar,
sowie etwa Constanlin Guys, den Baudelaire in
so unvergleichlicher Weise als »Le peintre de la
vie moderne« feierte, oder wie Gavarni, dessen
Modeblätter wir ebenso schätzen wie seine vielen
Zeichnungen — Sittenschilderungen seiner Zeit.
Aus den Darstellungen solcher Chronisten gewinnen
wir ein wesentlich anderes Bild der Menschen
vor uns, als die mit Vorurteilen überladene
„Geschichte" es darstellt,
Der Chronist der Mode sucht und lindet überall
die flüchtige, vergängliche Schönheit der eigenen
Zeit, wie sie ihm in der Stunde, ja im Augenblick
des Erlebens sich darbietet. Da er immer nur das
darstellt, was sich als Wirklichkeit vor seinen Augen
abspielt und er immer nur den Ausdruck eines Er-
lebnisses darstellt und nicht einen Eindruck zu ver-
arbeiten sucht, so ist für ihn die Umhüllung des
Menschen,die Kleidung.belonend oder vortäuschend,
als Kähmen oder Folie, das wichtigste Motiv.
Der Modenzeichner, als wahrer Chronist, fühlt
sich überdies immer zugehörig der menschlichen
Gesellschaft, deren Lebensäußerungen er .darstellt.
Er ist mit ihrem Denken und Empfinden, ihren
Gewohnheiten, Absichten und Wünschen, in jeder
Beziehung verknüpft. Wie Constantin Guys das
High life, Low life, die Gavaliers, Chevaux,
Voitures, Filles usw. seiner Zeit darstellte, in
wunderbaren Blättern, auf denen die Menschen
mehr als Kostüme, als Mannequins, in Erscheinung
treten, so stellt der Chronist von heute das Leben
der menschlichen Gesellschaft dar, wie dieses sich
in unseren Tagen in öffentlicher Schaustellung
darbietet: in den Hallen großer Hotels, beim 5-Uhr-
Tee; im Thealer, bei der Premiere; auf einem Ball,
auf Maskeraden, in der Bar, beim Kennen, an der
See, auf den großen, internationalen Treffpunkten
der mondänen Welt und nicht zuletzt beim Sport.
Und wiederum ist auch für den Chronisten von heute
das Kostüm das Hauptmotiv seiner Darstellung und
die Menschen nur Mannequins, die nacheinander
auftreten im großen Schauspiel des Lebens.
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