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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Gellhorn, Alfred: Reklame und Stadtbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0181

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Reklame und Stadtbild

VON DR.-ING. ALFRED GELLHORN, BERLIN

idle's kämpft, was an Bestehendes rührt. essen der Verkäufer selbst regulierend ein-
Aber es ist nicht dasselbe, ob sich neue greifen. Wer also die wirtschaftlichen Ver-
Jugend durchsetzen muß, ob rasche Ent- hältnisse des Marktes als gegeben nimmt,
wicklung an der Trägheit der Masse sich muß auch anerkennen, daß dieser sich
stößt oder ob das Gewordene von sich seine eigenen Erscheinungsformen geben
abwehren muß, was ihm von außen her muß.

zugemutet werden soll. Darin unterschei- Verbleibt noch die Frage der Begrenzung,
det sich nämlich das Für und Wider der Wer die Trommel sehlägt und in die Po-
Beklame von den Auseinandersetzungen in saune stößt, hat sich nicht nur nach denen
der Kunst. Und in noch Einem: dem zu richten, an die er sich wendet, sondern
Kräfteverhältnis. Denn während die junge auch nach denen rund herum. Die Be-
Kunst notwendigerweise die Schwächere klame hat an Begleiterscheinungen Lärm
ist, pflegt die Reklame von vornherein im und Licht, und auch ihre Gestalt und
Kampf die Überlegenere zu sein, weil sie Farbe sollen sich mit der Umgebung ver-
aus den gleichen Quellen herstammt wie tragen. Niemand wird auf den Schweizer
das Leben des Bürgers, aus dem Erwerbs- Bergen oder am Canale grande Schilder
betrieb. Und dieser ist heilig. und Plakatwände schätzen, die sich für
Also ein Angriff auf die Reklame? Weit Bahnhofsplatze schicken mögen,
gefehlt! Es handelt sich hier nicht darum Aber auch hier kann man es schlecht
Partei zu ergreifen, sondern Begriffe zu genug machen, und warum sollen wir
bilden. Die Reklame ist da; und sie be- nur von dem Negativen reden, das sich
sitzt eine große Macht. Mit so etwas heißt von selbst verstellt? Suchen wir He-
es sich auseinanderzusetzen und es positiv ber die positiven Möglichkeiten heraus,
auszuwerten. Die Anpreisung der Ware und sorgen wir, daß diese sich entfalten,
gehört zum Handel. Wenn die engen Ver- Kämpfen wir für die richtige, zur Höchst-
hällnisse patriarchalischer Kleinstädte in leistung gesteigerte Reklame gegen den
Großvaterszeilen noch den Ruf eines Hau- Widerstand des Mißverständnisses wie gegen
ses als etwas so allgemein Feststehendes die Unvernunft ihrer eigenen Vertreter,
kannten, daß nach außen hin nichts zu Ganz gleich, wie die Einstellung zum
tun verblieb, wenn damals der Stamm der Wirtschaftsleben bei dem Einzelnen sei:
Kunden stetig war, so ist das durchaus an- als Leben ist es zu bejahen,
ders geworden. Selbst in den kleineren Die Reklame ist keine Kunst, sondern ein
Städten wechseln die Käufer dauernd; Geschäft. Sie kann sich der Kunst be-
denn die Industrie hat das heimatlose Pro- dienen. Aber dann muß die Kunst der
letariat geschaffen, das mit den Kaufleu- Reklame dienen. Sonst täte sie das Gleiche
ten keinen bodenständigen Zusammenhang wie jene Architekten, die einen Profan-
besilzt. Auch dies brachte Gutes, wie alle bau als griechischen Tempel kaschieren.
Entwicklung. Denn Hand in Hand damit Ein großer Irrtum ist es, von der Reklame
ging die Konkurrenz, die die Leistungen Einordnung in die Harmonie eines Stadt-
sleigcrl. Wir wissen freilich, daß die Re- bildes zu verlangen oder gar die Her-
klame oft um so stärker einsetzt, je Stellung einer solchen Harmonie, wo sie
schlechter die Ware ist. Aber dies ist das Bauwesen selbst bisher schuldig geblic-
keineswegs zu verallgemeinern, und im ben ist. Harmonie ist ein ebenso einseili-
übrigen wird es kaum angehen, solche ger Begriff wie Symmetrie oder Schönheit.
Erscheinungen zu verhindern. Hier müssen Unsere Zeit ist viel zu lebendig, als daß
die Bedürfnisse der Käufer oder die Inter- sie mit griechischen Idealen zu erledigen

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