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pels oder des italienischen Palastes in jeder Be- lichkeit gegeben wäre, ein neues Wunder des
ziehung ab? Ist etwa das Material sowohl wie Rhythmus zu schaffen, das den Wunderwerken
die Bauart nicht die heute gebräuchliche? Und der mittelalterlichen Dombaumeister, die in
was die Säulenordnungen und das Ornament an- Stein arbeiteten, an die Seite zu setzen wäre,
belangt, so fragt er triumphierend, sind sie etwa
nicht ebenso berechtigt wie die grammatikali- Der vornehme Stil hat zweifellos seine Vor-
sehen Satzteile, in die wir unsere Sprache kleiden? lcilc; aber es wäre relner Humbug> wenn ein
Näher besehen, steht eine solche Verteidigung Architekt behaupten wollte, daß diese Vorteile
auf recht schwachen Füßen. Des Pudeis Kern ästhetische sind. In der Architektur sind wir
ist nämlich, daß alle diese Dinge modern sind, weder Römer noch Griechen noch Florentiner;
weil sie modern sein müssen, und besonders, was aber schlimmer ist, wir sind nicht einmal
weil der Architekt hierbei modern sein muß. ob Amerikaner — oder vielmehr, wir sind Ameri-
er will oder nicht. Er hat weder Zeit noch Ge- kaner, und als solche nur zu gern bereit, unsern
duld, leider aber vor allem nicht die Phantasie, Snobismus, unsere Unsicherheit, unsere Hast und
neu in seinem neuen Material zu denken. So ^sel Mißtrauen in bezug auf unsere Phantasie
verwendet er beispielsweise Stahl als geeignetes zur Schau zu stellen. Wir haben uns noch nicht
Täuschungmittel, um ein veraltetes, ursprünglich zu der Überzeugung durchgerungen, daß auch
für Steinkonstruktion gedachtes Problem zu Kunst eine gute Spekulation ist, während nie-
lösen, während wenn er Liebe für seinen Stahl mand daran zweifelt, daß mit dem vornehmen
oder für sein Mauerwerk fühlen, wenn er seinen Stil ein gutes Geschäft zu machen ist.
Stolz in sein Handwerk setzen würde, die Mög- Übersetzt von Margarete Mautlmer
Ein
kunstgewerbliches Kapitel
Wie man sich in Müncnen die Entwicklung des Kunstgewerbes vor- Zeitinhalts Und ill der fachmännischen LÖSUIIJ? nlF 7FIT
stellt, sagtDr. Paul Danzcr den Lesern der Münch en c r N c u e s te n ,, . , .. „. , • ,. ° l>»ll— ■»
Nachrichten (18. i. s6) in einem Artikel „Dogmen oder Aufgaben», von Matcnalproblemen ihr Ziel sehen wollen...
dem wir folgende Abschnitte entnehmen: oder in der Erfüllung gestellter Aufgaben. e
Das Dogma vom „Zeitausdruck in der Form- itCiTUNU^
enn in Städten, deren Denkweise durch rasende gebung" läuft Gefahr zu verknöchern. Vor allem AUS-
industrielle Entwicklung in die Verirrungen des scheint sich eine Strömung breit zu ms
aenen, ute
SCHNITTE^
Amerikanismus hineingetrieben wird, Erörlerun- diesem Zeitausdruck mehr die äußerlichen Zeil-
gen über die weitere Schemalisicrung der Raum- erscheinungen, wirtschaftliche und soziale Vor-
gestaltung einen breiteren Raum einnehmen, so gänge statt des geistigen und seelischen Inhalts
ist darüber nichts zu sagen. Es ist aber zu über- unserer Zeit zugrunde legen möchte. Dazu
legen, ob München, das bislang theoretischen kommt das Streben der Fachkreise, Material-
Erörterungen gegenüber eine gewisse Zurückhai- problemen zur Lösung zu verhelfen. Gewiß
tung übte und den Vorzug wortkargen Schaf- bieten neue technische Mittel, z. B. der Belon-
fens für sich beanspruchen durfte, sich in sol- bau, neue Möglichkeiten und fordern neue For-
ches Getriebe hineinziehen lassen soll. Man darf men, aber soll deshalb Bau und Innenausstal-
doch nicht übersehen, daß wir in einem noch tung diesen Fragen untergeordnet werden? Den
weitgehend auf Handwerk und Kleinbetrieb ein- geistigen Zeitinhalt bewußt zu ergründen, dazu
gestellten Lande leben, daß die Münchner Art fehlt uns allen der Abstand, die Forderung
eines individuellen Einschlags nicht entbehren nach Wiedergabe des Zeitgeists in der Form
will und deshalb eine erzwungene Orientierung kann schon deshalb ebensowenig zum Angelpunkt
unseres Formschaffens nach der ^Maschinen-In- der Raumgestaltung gemacht werden, wie die
dustrie weder begründet noch ehrlich wäre. Es überwiegend technischen Matenalprobleme . . .
ist noch nicht hinreichend geklärt, ob nicht diese Wird ein Zeilinhalt vorher konstruiert und dann
Umorientierung anderwärts überwiegend als eine unter Nichtachtung der Aufgabe in das Werk hin-
Bemäntelung innerer Leere und ein verküm- eingetragen, so könnten wir dahin kommen, daß ^
mernder Zwang des Industriewesens zu werten der Inwohner in seinen vier kahlen W änden wider
ist, und ohne Not mitzulaufen, das sollte jeden- Willen mit Problemen gequält wird, für die er
falls unbedingt vermieden werden. gar kein Interesse hat, daß dagegen die seelische
Gewiß soll man an dem Schlagwort vom ,,Zeit- Verarmung, die durch eine flache Bilderpresse,
alter des Autos, des Smokings und des Scheck- Magazin-Lektüre, Film, Radio und Grammophon
buchs" nicht achtlos vorübergehen, aber um so schon genügend gefördert wurde, nun auch durch
weniger darf übersehen werden, daß wir gerade die inhaltlose Gestaltung unserer nächsten Um-
deshalb etwas Sinnenfreude und Wärme um so gebung noch weiter getrieben wird. Die „Wahr-
dringender nötig haben, um in der Banalität des haftigkeit'' unserer Lebensformen würde dadurch
heutigen Lebens nicht zu verdorren. Und da nicht gewinnen, namentlich dann nicht, wenn
stehen die Schöpfer unserer Wohnräume und aus Modebedürfnis die mit Nippes angefüllte Nu-
unseres Hausrats, am Scheidewege, ob sie in der delmaier-Wohnung gegen ein aszelisches Würfel-
werkgerechten Verkörperung des vermeintlichen haus verlauscht würde . . .
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pels oder des italienischen Palastes in jeder Be- lichkeit gegeben wäre, ein neues Wunder des
ziehung ab? Ist etwa das Material sowohl wie Rhythmus zu schaffen, das den Wunderwerken
die Bauart nicht die heute gebräuchliche? Und der mittelalterlichen Dombaumeister, die in
was die Säulenordnungen und das Ornament an- Stein arbeiteten, an die Seite zu setzen wäre,
belangt, so fragt er triumphierend, sind sie etwa
nicht ebenso berechtigt wie die grammatikali- Der vornehme Stil hat zweifellos seine Vor-
sehen Satzteile, in die wir unsere Sprache kleiden? lcilc; aber es wäre relner Humbug> wenn ein
Näher besehen, steht eine solche Verteidigung Architekt behaupten wollte, daß diese Vorteile
auf recht schwachen Füßen. Des Pudeis Kern ästhetische sind. In der Architektur sind wir
ist nämlich, daß alle diese Dinge modern sind, weder Römer noch Griechen noch Florentiner;
weil sie modern sein müssen, und besonders, was aber schlimmer ist, wir sind nicht einmal
weil der Architekt hierbei modern sein muß. ob Amerikaner — oder vielmehr, wir sind Ameri-
er will oder nicht. Er hat weder Zeit noch Ge- kaner, und als solche nur zu gern bereit, unsern
duld, leider aber vor allem nicht die Phantasie, Snobismus, unsere Unsicherheit, unsere Hast und
neu in seinem neuen Material zu denken. So ^sel Mißtrauen in bezug auf unsere Phantasie
verwendet er beispielsweise Stahl als geeignetes zur Schau zu stellen. Wir haben uns noch nicht
Täuschungmittel, um ein veraltetes, ursprünglich zu der Überzeugung durchgerungen, daß auch
für Steinkonstruktion gedachtes Problem zu Kunst eine gute Spekulation ist, während nie-
lösen, während wenn er Liebe für seinen Stahl mand daran zweifelt, daß mit dem vornehmen
oder für sein Mauerwerk fühlen, wenn er seinen Stil ein gutes Geschäft zu machen ist.
Stolz in sein Handwerk setzen würde, die Mög- Übersetzt von Margarete Mautlmer
Ein
kunstgewerbliches Kapitel
Wie man sich in Müncnen die Entwicklung des Kunstgewerbes vor- Zeitinhalts Und ill der fachmännischen LÖSUIIJ? nlF 7FIT
stellt, sagtDr. Paul Danzcr den Lesern der Münch en c r N c u e s te n ,, . , .. „. , • ,. ° l>»ll— ■»
Nachrichten (18. i. s6) in einem Artikel „Dogmen oder Aufgaben», von Matcnalproblemen ihr Ziel sehen wollen...
dem wir folgende Abschnitte entnehmen: oder in der Erfüllung gestellter Aufgaben. e
Das Dogma vom „Zeitausdruck in der Form- itCiTUNU^
enn in Städten, deren Denkweise durch rasende gebung" läuft Gefahr zu verknöchern. Vor allem AUS-
industrielle Entwicklung in die Verirrungen des scheint sich eine Strömung breit zu ms
aenen, ute
SCHNITTE^
Amerikanismus hineingetrieben wird, Erörlerun- diesem Zeitausdruck mehr die äußerlichen Zeil-
gen über die weitere Schemalisicrung der Raum- erscheinungen, wirtschaftliche und soziale Vor-
gestaltung einen breiteren Raum einnehmen, so gänge statt des geistigen und seelischen Inhalts
ist darüber nichts zu sagen. Es ist aber zu über- unserer Zeit zugrunde legen möchte. Dazu
legen, ob München, das bislang theoretischen kommt das Streben der Fachkreise, Material-
Erörterungen gegenüber eine gewisse Zurückhai- problemen zur Lösung zu verhelfen. Gewiß
tung übte und den Vorzug wortkargen Schaf- bieten neue technische Mittel, z. B. der Belon-
fens für sich beanspruchen durfte, sich in sol- bau, neue Möglichkeiten und fordern neue For-
ches Getriebe hineinziehen lassen soll. Man darf men, aber soll deshalb Bau und Innenausstal-
doch nicht übersehen, daß wir in einem noch tung diesen Fragen untergeordnet werden? Den
weitgehend auf Handwerk und Kleinbetrieb ein- geistigen Zeitinhalt bewußt zu ergründen, dazu
gestellten Lande leben, daß die Münchner Art fehlt uns allen der Abstand, die Forderung
eines individuellen Einschlags nicht entbehren nach Wiedergabe des Zeitgeists in der Form
will und deshalb eine erzwungene Orientierung kann schon deshalb ebensowenig zum Angelpunkt
unseres Formschaffens nach der ^Maschinen-In- der Raumgestaltung gemacht werden, wie die
dustrie weder begründet noch ehrlich wäre. Es überwiegend technischen Matenalprobleme . . .
ist noch nicht hinreichend geklärt, ob nicht diese Wird ein Zeilinhalt vorher konstruiert und dann
Umorientierung anderwärts überwiegend als eine unter Nichtachtung der Aufgabe in das Werk hin-
Bemäntelung innerer Leere und ein verküm- eingetragen, so könnten wir dahin kommen, daß ^
mernder Zwang des Industriewesens zu werten der Inwohner in seinen vier kahlen W änden wider
ist, und ohne Not mitzulaufen, das sollte jeden- Willen mit Problemen gequält wird, für die er
falls unbedingt vermieden werden. gar kein Interesse hat, daß dagegen die seelische
Gewiß soll man an dem Schlagwort vom ,,Zeit- Verarmung, die durch eine flache Bilderpresse,
alter des Autos, des Smokings und des Scheck- Magazin-Lektüre, Film, Radio und Grammophon
buchs" nicht achtlos vorübergehen, aber um so schon genügend gefördert wurde, nun auch durch
weniger darf übersehen werden, daß wir gerade die inhaltlose Gestaltung unserer nächsten Um-
deshalb etwas Sinnenfreude und Wärme um so gebung noch weiter getrieben wird. Die „Wahr-
dringender nötig haben, um in der Banalität des haftigkeit'' unserer Lebensformen würde dadurch
heutigen Lebens nicht zu verdorren. Und da nicht gewinnen, namentlich dann nicht, wenn
stehen die Schöpfer unserer Wohnräume und aus Modebedürfnis die mit Nippes angefüllte Nu-
unseres Hausrats, am Scheidewege, ob sie in der delmaier-Wohnung gegen ein aszelisches Würfel-
werkgerechten Verkörperung des vermeintlichen haus verlauscht würde . . .
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