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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Sackur, R.: Der Klubsessel
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0040

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mäßige Bestuhlung vorgenommen wird, ist
seine Art das Gegebene.

Das Wesen dieses Handwerks besteht
darin, für jede Art der Ruhelage den
Sitz zu finden, der sich zum vollkom-
menen Diener des menschlichen Kör-
pers macht. Ich weise auf den Patentstuhl
hin, der ein Muster technischer Leistungs-
fähigkeit darstellt. Er gestattet eine Maß-
anfertigung für verkrüppelte und empfind-
same Körper in einer Sitzfeldgröße von
zehn Quadratzentimetern. Mit dieser tech-
nischen Beweglichkeit nähern wir uns dem
Ziel des Architekten, der eine Stuhlform
durch den in eine weiche Masse, z. B.
Ton, sich einwerfenden Körper erzwingen
will.

Stuhl und Klubsessel

Sprachen wir oben von der zeitlichen
Bedeutung des Klubsessels, so wollen wir
uns auch um seine Entstehung bemühen,
denn jedes Ding im Kunsthandwerk, auch
ein Klubsessel, hat einen Zusammenhang
mit Geschaffenem. Bei diesem seltsamen
Möbel suchen wir allerdings vergeblich die
historische Linie. Wir müssen schon auf
die natürlichen Erfindungen zurückgreifen,
die bereits bei den primitiven Völkern den
genialen Sitztechniker erkennen lassen, der
dem angeborenen Hang zum Faulenzen
Rechnung trägt. Als Beispiel zeigen wir
hier ein Bild, das wir der Freundlichkeit
des Reichsverbandes der Deutschen Leder-
und Polstermöbel-Fabrikanten verdanken.
Der Forscher Du Ghaillu hat darauf den
König Obindschi der Aschira in Afrika
dargestellt, auf seinem königlichen Klub-
sessel der Ruhe pflegend.

Im Vergleich zu unserem Gegenstand er-
wähnten wir oben den Stuhl, und wir
müssen hier zur Generalabrechnung sein
Wesen abschildern, um zu verstehen, inwie-
weit der Klubsessel original ist oder, gleich
jenem, nur ein repräsentatives Möbel vor-
stellt.

Die Klasse „Stuhl" entwickelt sich mit
allen Arten folgerecht zur Freude des Hi-
storikers oder Stillehrebeflissenen vom ein-
fachen Sitz mit Kastenunterbau bis zum
Stuhl mit hoher Rücklehne gleichmäßig

als ein Möbel, dessen innere Struktur sich
nicht verändert, dessen aufbauendes Bei-
werk aber in den schmückenden Zierfor-
men sich wandelt. Seine Erscheinung wird
immer an den alten Scharrfuß, die Reve-
renz mit salbungsvoller Geste erinnern,
doch bitte Platz zu nehmen, aber anständig
und grade zu sitzen. Auch die Polsterung
ändert nichts an der unbequemen Haltung
der repräsentativen Stühle.

Ursprünglich oder Formal

Der Klubsessel will in mancher Beziehung
hier mitmachen. Die gefallsüchtige Re-
präsentation ist auch für ihn die Klippe
seiner Originalität. So kommen wir zu
dem eigentlichen Wesen unseres Möbels,
das sich nach der formalen oder nach der
originalen Seite entwickelt. Der Klubsessel
kann gleichfalls die äußerliche Pracht sei-
nes Materials in unendlich vielen feinen
Spielformen beweisen. Ich sehe es nicht
als meine Aufgabe an, alle Formen des
modischen Geschmacks und darin irgend
eine beliebige Gestalt als das anzusprechen,
was man jetzt eigentlich machen muß, um
das importierte englische Ideal zu erreichen
oder zu übertreffen.

Ich zeige an einem Konstruktionsbei-
spiel, an welches Schema die beiden Arten
der Konzeption gebunden sind, welche
Grenzen der elegant formalen Gestalt ge-
zogen sind, und in welcher schöpferischen
Weise der ganze Inhalt des im Handwerk
Gegebenen ausgenutzt werden kann.

Die Abbildungen auf Seite 25 zeigen
eine Polsterung in englischer Manier sowie
die jetzt gebräuchliche Herstellung. Ich
vermeide es, einen Gegensatz zwischen
deutscher und englischer Garnierung zu
zäsieren, da auch das Ausland diesen ernsten
Weg beschreitet, den wir nach unserer Art
methodisch verfolgen.

Das englische Möbel hat eine freie un-
gebundene Federung, auf die sich die
Nesselunterlage und eine wattierte Pol-
sterung mit einer nach außen sichtbaren
Lederschale staffelt. Dieser Überzug be-
dingt eine karoartige Heftung, um die
Lagen gegen Verschiebung zu sichern, die
bei langem Gebrauch nicht immer vermie-

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