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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Ewald, Kurt: Die Schönheit der Maschine
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0154

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In der Geschichte des Maschinenbaues
heben sich deutlich drei Entwicklungsstu-
fen hervor, deren technische Merkmale von
entscheidender Bedeutung für die Beur-
teilung des Schönheitsbegriffes sind. Der
erste Abschnitt beginnt mit dem Versuch,
die Gedankengänge, auf denen sich die ge-
dachte Maschine aufbauen soll, zum ersten
Male zu verwirklichen; er währt über ver-
schiedene mißlungene, aber stets verbes-
serte Versuchsbauarten hinweg bis zu dem
Augenblick, wo man vom zuverlässigen
Arbeiten der jüngsten Ausführung über-
zeugt ist. Die Dampfmaschine von Watt,
das Dampfschiff von Fulton oder Stephen-
sons Lokomotive „Bocket" sind offensicht-
lich als derartige Zielpunkte aufzufassen,
die am Ende einer mehr oder minder lan-
gen Versuchsreihe stehen. Ist man bisher
zufrieden gewesen, wenn die Maschine
überhaupt störungsfrei arbeitel, so suchr
man sie fortan mit dem Ziele auszubauen
und zu vervollkommnen, höchste Leistung
mit geringsten Mitteln zu erzeugen: Das
Bingen um den Wirkungsgrad der Ma-
schine bildet die zweite Entwicklungsstufe.
Der Wirkungsgrad steigt ständig und
nähert sich mehr und mehr einem theore-
tisch ermittelten, jedoch niemals erreich-
baren Wert; er erklimmt schließlich eine
Höhe, die bereits an die Grenze des prak-
tisch Möglichen heranreicht und nur im
Laufe einer verhältnismäßig langen Wei-
terentwicklung um ein Geringes wird über-

boten werden können; Die Schöpfung der
Maschine ist im großen und ganzen voll-
endet. Man kann nun daran denken, sich
des gewonnenen Hilfsmittels in größtem
Maßstabe zu bedienen. Es beginnt die Zeit
der Ernte, in welcher man sich die bis-
herigen Erfahrungen in großzügigster
Weise zunutze macht. Die rein maschi-
nentechnischen, rechnerisch - konstruktiven
Fortschritte werden von Zielpunkten volks-
wirtschaftlicher Art überstrahlt: Der dritte
und vorläufig letzte Abschnitt in der Ge-
schichte des Maschinenbaues steht im Zei-
chen der Reihenfertigung, Normalisierung
und Typisierung.

Ohne Zweifel befinden sich weiteste Ge-
biete des Maschinenbaues bereits tief in
diesem letzten Entwicklungsabschnitt. Es
steht fest, daß die meisten neuzeitlichen
Maschinen in uns jenes Gefühl erwecken,
welches Kant als das Kriterium des „Schö-
nen" ansieht. Die gute moderne Maschine
ist also ein Gegenstand von hohem ästheti-
schen Wert — das empfinden wir. Wir
dürfen sie nach landläufiger Bedeweise
als „schön" bezeichnen — der Philosoph
wägt die Begriffe sorgfälliger ab und nennt
sie „erhaben", denn ihr Anblick erregt
keineswegs eine angenehme Empfindung,
die „fröhlich und lächelnd" ist, er rufl
ein AN ohlgefallen „mil Grausen" hervor.
Mit welchen Mitteln sie wirkt, läßt sich
nur gefühlsmäßig erfassen; wir schöpfen
die Erkenntnis von solchen Beispielen,

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