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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Just, Arthur: Die Schöne Zeitung
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0270

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gegebene senkrechte Gliederung der Seite kann da-
durch betont oder unterbrochen werden. Durch
Einfügung von Querlinien in verschiedener Stärke
und Zusammenstellung und durch die horizontal
laufenden Überschriften, für welche die Möglich-
keit besieht, sie auch über mehrere Spalten oder
über die ganze Seite laufen zu lassen, kommt
dann die eigentliche Einteilung zustande. Der
Schriftgrad und der Charakter der Auszeichnungs-
schrift, sowie die Länge der Überschriften ver-
vollständigen die Möglichkeiten, welche die typo-
graphische Technik dem den Umbruch vor-
nehmenden Zeilungsmann in die Hand gibt.

Je mehr Spalten eine Zeilungsseite hat, deslo mehr
Abwechslungsmöglichkeitcn ergeben sich für die
Gestaltung eines charakteristischen Bildes. Je
reichhaltiger der Vorrat an Auszeichnungsschrif-
ten ist, deslo leichler wird es möglich sein, Zweck-
mäßigkeit mit ästhelischer Wirkung zu einer Ein-
heil zu verbinden. Die Titelseite der Zeitung ver-
dunit besondere Sorgfalt, vor allem dann, wenn
der Leser als Käufer, und folglich zunächst als
Beschauer der einzelnen Zeitungsnummer in Frage
kommt. Dabei ist zu beachten, daß die Zeitung
in den Verkaufssländen und beim Händler in den
allerseltensten Fällen ganz ausgebreitet vorliegt,
vielmehr meist auf die Häufte zusammengelegt ist.
Das Sireben muß also dahin gehen, das Bild der
oberen halben Seile, die den Titel trägt, plakal-
hafl wirksam zu gestalten, ohne es so zu beschwe-
ren, daß der untere Teil beim Anblick der ganzen
Seite unbeachtlich bleibt. Durch die Herunter-
ziehung eines Millelkastens auf die untere Hälfte
der Seite wird diese Wirkung gewöhnlich erreicht.
Der kompresse Satzblock kann mit Begleiten
durchschossen werden. Dieses einfache Mittel,
einen bestimmten Teil der Seite leichter zu ge-
stalten, wird leider nur selten verwandt. Sper-
rung und Durchschuß erzeugen helle Flächen,
während Feltsatz dunkle Schatten gibt. Die aus-
gewogene Verteilung fetter Satzslücke über die
Seile ist eins der ersten Erfordernisse ästhetischer
Wirkung. Die Gewohnheit, eine Überschrift über
mehr als eine Spalte laufen zu lassen, den dazu
gehörigen Text aber nur auf eine einzige zu be-
schränken, ist ebenso ein logischer wie ein ästhe-
lischer Fehler. Durch Einstellen eines Untertitels
unter die Überschrift und Anwendung von Durch-
schuß oder Sperrsalz würde häufig eine bessere
Wirkung zu erzielen sein, als durch den belieb-
ten Fettsalz, der in großen Stücken stets erdrük-
kend wirkt. Dazu muß sich der Bedakteur aber,
schon bevor er das Manuskript in Satz gibt, ein
ungefähres Bild von der Placierung und Gliede-
rung der Seile machen. Der Fachmann wird ge-
neigt sein, eine solche Forderung als völlig un-
möglich abzulehnen. Wenn aber wirklich ein
künstlerischer Gestaltungswillc vorhanden ist, wird
mancher Erfolg zu erreichen sein. Wenn der Ge-
danke, daß eine gute Zeitung auch eine schöne
Zeitung sein muß, erst so Allgemeingut jedes Her-
.•uHgehers geworden ist, wie das beim Bucliverleger
bereits der Fall ist, eröffnen sich für die im

Wesen einer Zeilung ruhenden Wirkungen unge-
ahnte neue Möglichkeilen. Das jeden Tag in der
Zeilung neugeformte Spiegelbild der gegenwärti-
gen Welt soll nicht nur inhaltlich, sondern auch
räumlich aus Papier und Druckerschwärze vor-
dem Leser und Beschauer entstehen.

Illustrationen

Durch die technische Vervollkommnung in der
Herstellung von Druckstöcken in so kurzer Zeit,
daß deren aktuelle Verwendung als Illustration
der Tagesereignisse möglich wird, sind nicht nur
dem Photographen, sondern besser noch dem
Zeichner die Voraussetzungen geschaffen, seine
Arbeit in den Dienst der Presse zu stellen. Da die
Verwendung von Bildern im Textteil der Zeilung
erst eine Errungenschaft der allcrneuesten Zeit
ist, und dabei besonders große Anforderungen an
die geschmacklichen Fälligkeiten des Umbrucnrc-
dakleurs oder Metteurs gestellt werden, kommt
es dabei am häufigsten zu Entgleisungen. Die
Wiedergabe der notwendig in grobem Basier ge-
haltenen Autotypien auf holzhaltigem Zeitungs-
druckpapier ist meist so unvollkommen, daß Bil-
der mit vielen Details nicht einmal erkennbar wer-
den und unförmige schwarze Flecke bilden, die
das Gesamtbild einer Zeilungsseite zugrunde rich-
ten. Nur wenn mit dem Baum nicht allzu spar-
sam umgegangen wird und bei der Anordnung der
Bilder auch einmal eine weiße Fläche gewagt wer-
den kann, gelingt es, unter Abwägung von Bild-
größe, Überschrift und Länge der benachbarten
Salzslücke eine einigermaßen harmonische Wir-
kung zu erzielen. Viel organischer vermag es der
seines Zwecks bewußte Zeilungszeichner, sein Pro-
dukt den Gegebenheiten anzupassen. Der Karika-
turist und Illustrator weiß, in welchen Bahmen
seine Zeichnung gestellt wird und kann sich da-
nach richten. Leider gibt es in Deutschland außer-
ordentlich wenige Künstler, die ihre Begabung er-
folgreich der Zeitung zur Verfügung stellen kön-
nen. Je mehr es gelingt, zeichnerische Talente
für die Zeilung heranzuziehen, desto nützlicher
wird dies für die ästhetische Gestaltung des Zei-
lungsbildes sein. Bedauerlicherweise wertet das
Publikum heute noch die objektive Arbeit des Pho-
tographen in bezug auf Glaubwürdigkeit höher
als eine noch so flott gezeichnete Illustration. In
dieser Hinsicht aber könnte das Publikum am ehe-
sten durch die Zeitung selbst erzogen werden.
Die bildliche Ausgestaltung des Textteils der Zei-
lung mit anderen, als den genannten gewöhnlichen
und täglichen typographischen Mitteln erfolgt
nur in ganz seltenen Ausnahmen. So ist es z. B.
üblich, Fest- und Jubiläumsnummern mit figür-
lichen Vignetten zu zieren, die von den Schrift-
gießereien in mehr oder weniger künstlerisch voll-
endeter Form fabrikmäßig hergestellt werden.
Nur seilen entspricht der Charakter der Kopf-
und Bahmenleislen dem des Schrift- und Satz-
bildes der Zeitung. So entsteht dann zwar eine
auffällige, aber keine ästhetische Wirkung. Völ-
lig unbekannt ist im deutschen Zeilungswesen die

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