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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Baumeister, Willi: Neue Typographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0277

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GEGRÜNDET 1834

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EBERSBACH

DEUTSCHE BANK
GÖPPINGEN
OBEBAMTSSPAR KASSE
GÖPPINGEN AN DER FILS

DRAHTANSCHRIFT

GEWERBEBANK KAUFFMANN ___.

EBERS BACH/FILS EBERS BACH.Fl LS DEN

Briefkopf (verkleinert) Salzanordnung: Willy Baumeister, Stuttgart

Gemäldekomposition eine ganz bestimmte Rich-
tung. Im Schriftsatz darf also nicht in erster
Linie der schöne Ausgleich des freien Gleich-
gewichts erstrebt werden, sondern der Fahrt-
linie des Auges muß im gegebenen Fall alles
geopfert werden.

Beim Briefkopf im früheren Stil symmetrisch
dekorierend angeordnet, sind Fabrikzeichen, Me-
daillen in der Mitte oder meistens zu beiden
beiden Seiten angeordnet. Durch Ausgleich ent-
steht Ruhe. Will ich ein Fabrikzeichen oder
einen Textblock als Komplex aktiv machen, so
ist eine nicht axiale Anschiebung durch Zeilen
oder Balken nötig. Der Komplex kommt in eine
Rotation. (Siehe Abb. S. 217, oben.)
Die Bevorzugung von „Groteskschriften" ist darin
zu suchen, daß der exakte Schnitt eine Klarheit
des Wortbildes ergibt, die Pinselschriften, kunst-
gewerbliche Schriften und die Fraktur niemals
erreichen. Der Schriftblock kommt klar zum
Ausdruck, was gegenüber anderen Typen ein
exemplarisches Gestalten ermöglicht. Text in Ver-
salien zu setzen ist falsch. Auch für längere Über-
schriften und Schlagzeilen ist die ausschließliche
Verwendung der Versalien wegen der verminder-
ten Lesbarkeit in Zweifel zu ziehen.
Für die Verwendung von nur kleinen Buch-
staben hat sich ganz früh schon Jakob Grimm
ausgesprochen. Der bekannte Wiener Architekt
Loos, der Vorkämpfer der neuen Architektur in
Europa, hat seine Schriften vor etwa 20 Jahren
in kleinen Buchstaben drucken lassen. Es folg-
ten u. a. Stephan George und das Bauhaus.
Diese Schreibweise würde eine sehr günstige Ver-
einfachung bringen. Die großen lateinischen
Buchstaben werden von uns außerdem als anti-
quiert empfunden. Die kleinen „lateinischen'' Buch-
slaben sind eine Art Bastardschrift mit Bewegungs-
i'luß gegenüber den starr geometrischen der Römer.
Das Gefühl für Statik hat sich im Lauf der
Zeiten geändert. Die Ägypter bauten auf großer
Grundfläche ihre konisch zulaufenden Pyramiden
und Tempel. Der romanische Bogen, der go-
tische Spitzbogen sind Ingenieurkünste, die für
unser Gefühl heute nichts mehr Riskantes an
sich haben. Die Möglichkeiten der Eisenkon-
struktion, besonders aber der Eisenbaubetonweise,
liefern für unser Auge neue Eindrücke.
Weitausragende Terrassen, Gesimse, Vordächer
ohne Stützen. Die reduzierte Basis eines Rad-

fahrers, der steigende Freiballon mit dem großen
Volumen nach oben, Luftschiff und Flugzeug
verändern unser Gefühl für Statik.
Dieses Gefühl macht sich auch in unserer Satz-
anordnung geltend. Wir verlegen den Schwer-
punkt auch zunächst ohne Logik gern nach oben.
Wir sehen daraus, daß das richtig eingestellte
Gefühl immer seine Parallelen im Geist der
Zeil; findet.

Sind zwei gleich lange Zeilen zu setzen, dann
ist bei Blockordnung das Auge gezwungen, nach
Ablesen der oberen Zeile die ganze Länge der
Zeile nach links zurückzulaufen, bis an den An-
fang der nächsten Zeile. Staffelt man dagegen
die untere Zeile nach rechts, so hat das Auge einen
entsprechend kleineren Weg zurückzulegen. Deshalb
ist dieStaffelung gegebenenfalls sehr zuempfehlen:

Das Unterstreichen von Worten halte ich im
Prinzip für falsch, weil der Strich (Balken) wie
jedes Zeichen dekorativ nur sich selbst aus-
drückt. Der Unterslreichungsbalken hebt also
nur indirekt das Wort hervor, dem er als Ver-
stärkung gelten soll. Der Balken verkleinert auch
optisch das Wortbild. Will man etwas hervor-
heben, so begnüge man sich mit dem Mittel der
gesteigerten Größe und Fette. Zweifellos kann
aber ein Balken hin und wieder einen rhyth-
misch-kompositionellen Wert haben.
Die Anordnung senkrecht untereinander gereihter
Zeichen und Worte halte ich in fast allen Fällen
für unrichtig, weil die Lesbarkeit dadurch zu
stark beeinträchtigt wird.

Die unbedruckten Komplexe in der Anzeige
haben eine ganz besondere Funktion. Das pri-
märe Mittel der Kontrastwirkung weiß-schwarz
wird bei der neuen Typographie ganz besonders
herangezogen. Die besten Ornamente aller Zeiten
zeigen uns, wie nicht nur das aufgemalte Orna-
ment, sondern dies erst zusammen mit den leer-
gelassenen Stellen eine Einheit bildet. Das griechi-
scheMäanderornament ist das hervorragendeBeispiel.
Die neuen Tendenzen in der Typographie sind
elementar. Zurückgehend auf die Urforderungen
des Schriftsatzes kann keine andere Anordnung ge-
funden werden als diejenige im Sinne der Bewe-
gungdesLesens, derBewcgungvonlinksnachrechts.

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