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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0319

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nach betritt, zu Vergleichen zwischen den verschie-
denen Zeitperioden und den verschiedenen Sonder-
gebieten der Spielzeugerzeugung angeregt wird.
Einen schroffen Gegensatz bildet zur historischen
in gewisser Beziehung die Abteilung für das
moderne Modellspielzeug. Aber auch nur in ge-
wisser Beziehung; denn die vollendete Nach-
ahmung der Technik im Großen durch die Tech-
nik im Kleinen, die hier geboten wird, ist doch
nur ein anderer Ausdruck jenes Strebens nach
Sachlichkeit und Gründlichkeit, das schon im
ersten Baume als echter deutscher Charakterzug so
plastisch in die Erscheinung tritt. Unverkennbar
tritt in den nächsten Sälen, die ebenfalls modernes
Spielzeug begreifen, von neuem der Kampf um die
Form, d. h. der Selbstbehauptungswille des Künst-
lers auf dem Gebiete der Spielzeuggestaltung, in
den Vordergrund; eins der beliebtesten Schauob-
jekte ist die Dorfschmiede-Szene der Firma Mar-
garete Steiff in Giengen a. Br. Von dem ausländi-
schen Spielzeug wirken durch ihre Originalität
besonders die strohgeflochtenen Hirsche aus
Schweden.

Unter den vielen kunstgewerblichen Schulen, die
auf der Ausstellung zu Wort kommen — Sonne-
berg, Coburg, Dessau, Grünhainichen, Wien usw.
— ist die Staatliche Kunstgewerbeschule Nürnberg
mit der breitesten Fläche vertreten. Das Bingen um
die neue Form und die Auseinandersetzung mit
den verschiedenen Problemen der Spielzeuggestal-
turig hat in dieser Schule ihre energischsten Vor-
kämpfer: Prof. Max Körner, Prof. Herrn. Gradl,
Emma Hoffmann. So darf es nicht Wunder
nehmen, wenn in dem Saal der Nürnberger
Schule, wo das problematische Stadium der Neu-
gestaltung des Spielzeugs so offenkundig hervor-
tritt, die Meinungen der Kritiker am heftigslen
aufeinanderprallen. Ihrer Aufgabe, neue und rich-
tige Wege zu entdecken und aufzuzeigen, ernstlich
bewußt, darf die Schule vor dem Betreten uner-
forschten Gebietes nicht zurückschrecken, sofern
sie nur, auch getreu dem Grundgedanken dieser
Ausstellung, die enge Fühlung mit den beim Spiel-
zeug außer der Kunst mitbestimmenden Faktoren
niemals aus dem Auge verliert. Dr. Karl Lorenz

Eine Ausstellung finnischer Ryijen, auf deren Berlin
handwerkliche und künstlerische Bedeutung ein
Aufsatz in Heft 3 der Form hinwies, wurde
für Deutschland durch die Arbeitsgemeinschaft
für deutsche Handwerkskultur in Verbindung
mit der finnischen Gesandtschaft in die Wege
geleitet und fand vom 29. Mai bis 12. Juni im
Lichthof des Kunstgewerbemuseums statt. Sie
wird als Wanderausstellung außerdem in Frank-
furt am Main, in München und auch in Zürich
gezeigt werden, begleitet von Professor Sirelius,
dem Leiter der volkskundlichen Abteilung des
Nationalmuseums in Helsinki. Die Ausstellung
enthielt 60 alte Ryijen, ausgewählt nach, den
verschiedenen Gruppierungen ihrer Arten, wo-
für die besten Stücke finnischer Sammler, des
Präsidentenpalais und des Nationalmuseums zu-
sammengestellt wurden. Die Teppiche illu-
strierten in ihrer formalen und technischen
Reichhaltigkeit und immer neuen Eigenart den
Wert nationaler Volkskunst schlechthin und in
diesem Fall wieder besonders eindringlich die
Unhaltbarkeit der gelehrten Grenzen von hoher
und angewandter Kunst. Ich sah verwöhnte Ge-
nießer des Expressionismus und was ihm folgte,
aufjauchzen, Herolde textiler Wohlansländigkeit
aufs neue sich bestätigt fühlen und einen sonst
erhaben verwurzelten Kunsthistoriker um den
richtigen Standpunkt ringen, angesichts der Pro-
bleme, die von den ahnungslosen finnischen
Bauernmädchen in die Debatte geschleudert
wurden.

Die Tatsache, daß diese finnische Ausstellung
in zwei Wochen von über 2000 Besuchern gc-
würdigt wurde, gibt wieder einmal die Frage
nach der deutschen Volkskunst auf und nach
den Möglichkeiten einer deutschen Volkskunst-
ausstellung, die, nach unsentimentalen, exakten
Gesichtspunkten aufgebaut, sicherlich unschätz-
bares Material und sicher auch lohnende Ergeb-
nisse gerade für die Probleme der Formgestal-
tung, wie sie diese Zeitschrift vertritt, zutage
fördern würde. Dr. Konrad Hahrii

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