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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Scholz, Curt: Aus der Werkstatt des Keramikers
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0329

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im Bereich der Kunst konstruierten Gren- vor der Göttlichkeit, die sich auch im Indi-
zen wie etwa — „Gebrauchs-Kunst" viduum offenbart. Erst, wenn Richtung und
„freie Kunst" — ins Unendliche verflüchti- Maß ihrer Ziele nicht mehr egozentrisch he-
gen, denn das Erlebnis kosmisch-rhythmi- stimmt worden, sich ein- und unterordnen,
scher Harmonie, wir dürfen es wohl religiös Glied und Ausdruck einer Harmonie im Ge-
nennen, kann ebensowohl beim Anblick samt unseres Lebens werden und dessen, was
einer japanischen Schwertklinge oder eines darüber steht, beginnt ein Aufbau einer
Tuschbildes der Zen-Künstler, eines chine- Form, die wieder Kultur ist.
sischen Kultgefäßes oder einer Skulptur des Wie es Gefäße, Bauten und unzählige
klassischen Altertums, wie auch durch ein Formgebilde versunkener Zeilen gibt, die
neueres Gemälde und weltliche oder reli- Verkörperung solches übermateriellen Kul-
giöse Architekturschöpfung in uns erklin- lurbegriffes sind und in deren vom Alter
gen. zernagter Form das Leben ihrer Zeit noch
Es ist diese Auflösung aller der Materie ent- heute pulst und auf uns wirkt, uns die um-
springenden Konflikte in „All" wissendes sterbliche Tendenz aller Entwicklung zur
Einssein nicht nur höchste Stufe sämtlicher Einheit und zum • Einklang verkündend,
künstlerischen Offenbarungen, sondern warum sollten wir zweifeln, daß auch unser
auch die Entwicklung unserer modernen In- gesamtes modernes Leben einschließlich der
dustrie, Technik, Wirtschaft und Politik technischen, industriellen, wirtschaftlichen,
muß dahin münden oder uns vernichten. politischen, gesellschaftlichen und indivi-
Sie bilden in ihrem gegenwärtigen Stadium duellen Teilformungen sich einmal in dieser
sowohl in ihrem materiell-formalen Aus- höchsten Form bändigen, einen und erlösen
druck, als auch in ihrem geistigen Inhalt wird'? Sehen wir diese Slrebigkeit, die in
und seinen Auswirkungen einen reibungs- den großen Zusammenhängen noch über-
und konfliktvollen Komplex, ohne Propor- tönt und hoffnungslos unterdrückt scheint,
tionalität in sich und zum Ganzen unseres nicht in zahlreichen kleinen Komplexen sich
Seins. Sie wirken zerstörend, solange sie in zäh behaupten, ja langsam Raum und Gel-
Einzelzielen gipfeln, wie: Produklionsmaxi- lung gewinnen?

mum, Erzeugung oder Eroberung von Be- In diesem Sinne dürfte es vielleicht nahe-

darfs- und Absatzgebieten, ohne gegensei- liegend sein, auch im Ringen des Kerami-

tige Bedingtheit oder ohne Achtung der Ge- kers um seine Gestaltung den Weg solcher

rechtigkeil, Kraft- oder Schnelligkeits- Entwicklung sinnbildlich vorgezeichnet zu

höchstleistungen ohne Berücksichtigung sehen und immer wieder den Glauben zu be-

und Ausgleich der üblen Begleit- und Folge- kennen: Der Weg geht vielleicht durch Re-

erscheinungen, größte Rentabilität, höchste volution und Gärung, aber das Ende ist

Organisationsvollendung ohne Ehrfurcht nicht Chaos, sondern — Form.

Töpfe Gurt Scholz, Grötzingen/Bade

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