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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Fischer, Hans W.: Der Neue Tanz in seiner symptomatischen Bedeutung
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0364

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ist, wenn Tairoff Shaws „Heilige Johanna,,
in seinen Slil überträgt? Man muß Neu-
schöpfung aus dem Ganzen unterscheiden
von neuer Anwendung, möge sie auch noch
so interessant und radikal sein. Und so rich-
tet sich mein Blick weil hoffnungsvoller
auf eine bescheidene Neubildung, die man
an Fertigkeit und technischer Vollendung
in keiner Weise neben die Schöpfungen der
Russen stellen kann: auf den proletarischen
Sprechchor, den Florath in Berlin gegrün-
det hat. Iiier, in diesen großen gemein-
schaftlichen Bekenntnissen, in denen Dich-
ter als treue Handwerker die Seele der
Masse reden lassen, jedes Wort ihr ver-
ständlich und von ihr als eigen tiefst pr-
fühlt: hier ist echter Keim voll Saft und
Trieb zum Wachstum.

Daß Sprech- und Bewegungschor zusam-
mengehört, hat Laban schon erkannt; frei-
lich gelang es ihm bisher nicht, sie zu ver-
schmelzen, er mußte sie (den Sprechchor
unter Vilma Mönckebergs Leitung) neben-

einander herlaufen lassen. Aber der Sprech-
chor hat, wenn er aus innerer Notwendig-
keit wuchs, die Tendenz zur Eigenbewe-
gung; schon bei Floraths Chor kündet sieb
das deutlich an. Diesen Ansatz gilt es zu
entwickeln. Ein Versuch dazu wird kom-
menden Winter in der Berliner Volksbühne
gemacht werden, mit dem Sprechchor die-
ser Bübne und Berta Trümpy als Bewe-
gungsleilerin. Wenn es gelänge, einen wirk-
lieb echten Gehalt durch ein gewaltiges
tönendes und bewegtes Instrument zu Aus-
druck und Wirkung zu bringen, so wäre
etwas entscheidend Neues geleistet.
Auch nur ein Beginn freilich, wie es die
bacchischen Reigen der Griechen waren.
Aber aus ihnen wuchs die Tragödie, die in
der griechischen Kultur genau das war, was
wir von einem künftigen Theater erhoffen:
Ausdruck einer umfassenden, einheitlichen
Kultur, in der sich die Seele eines Volkes
wahrheitsgetreu und in ihren höchsten
Werten prägt.

Wigman-Gruppe: Elegie

Werkstätten für Lichtbildkunst
Phot. Ursula Richter, Dresden
 
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