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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Hinz, Marlice: Die Mode und ihre Requisiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0396

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Jliile, Modelle Regina Friedländer, Berlin

PlioL. Ernst Schneider, Berlin

Mütze, die (Ilm- Hut mit Krempe, als Spilz- und
Rundhut für den Mann, ablöste. Die phrygische
Mülze, auch von den Frauen gelragen, wurde bei
diesen durch die Haube ersetzt, mit der im Mittel-
alter, als Gold- und Silberhaube, ein großer Luxus
getrieben wurde, der in Kleiderverordnungen be-
kämpft wurde. Die Anzahl der verschiedenen
männlichen Kopfbedeckungen war im 14. Jahr-
hundert überaus groß. Hüte wurden in Filz, Samt
und Seide hergestellt, in hohen, niedrigen, brei-
ten, schmalen, spitzen, stumpfen, steifen und wei-
chen Formen. Der gerade für diese Zeit charakte-
ristische Reichtum wurde als ,,Hut-Narrheit" be-
sonders von seilen der Kirche stark bekämpft.
Mit Reginn des 16. Jahrhunderls wurden alle diese
Hüte durch eine einzige Kopfbedeckung ersetzt:
das Barelt für Mann und Frau. Diesem folgte,
als „spanische Mode", der steife seidene Hut; ihn
löste der weiche Filzhut ab, der in der Zeit des
dreißigjährigen Krieges eine phantastische Ge-
staltung erhielt und als breitkrempiger, mit
Federn geschmückter Soldatenhut, gerade für
diese Zeil charakteristisch werden sollte, in
Deutschland wie in Frankreich und England. Ihm
folgte, als Begleiter der Perücke, ein sleifer, an
den Rändern hochgebogener Hut, der, im Salon
in der Hand getragen, später, als zusammenge-
klappter Dreispitz, einen Plalz unter dem Arm
seines Trägers fand. Auch die Damen trugen Ende
des 18. Jahrhunderts diesen Dreispitz auf ihren
Perücken. Er wurde durch den schon bekannten
runden Männerhut ersetzt, der, von England kom-
mend, einen Bestandteil der sogenannten Werther-
tracht bildete und übrigens auch von den Frauen
gelragen wurde. Die französische Revolution

brachte dann die Kopibedeckung, die, ganz im
Gegensatz zu ihrer Enlslehungszeit, zukünftig als
die vornehmste Kopfbedeckung gelten sollte: der
schwarze Zylinderhut, der, als Quäkerhut im Eng-
land des 18. Jahrhunderls bekannt, seinen Weg
nach Amerika gefunden hatte und von dort aus
wieder nach Europa zurücknehmen sollle, als
ein Symbol freiheitlicher Bestrebungen. Als
chapeau claque in den Salon Eingang findend,
blieb er in seinen verschiedenen Formen die Hut-
form des 19. Jahrhunderts, die erst 1848 durch
den jetzt eine politische Einstellung anzeigenden,
weichen Filzhut, der sich als allgemeine Kopfbe-
deckung stark einbürgerte, mehr und mehr ver-
drängt werden sollle, bis ihn der steife, runde,
englische Hut ersetzte, der, zusammen mit dem
weichen Filzhut, unsere heutigen Hutformen dar-
stellt.

Heute hat der Hut nicht mehr die Bedeutung, die
ihm in früheren Zeilen zukam. Immerhin drückt
er noch verschiedentlich die soziale Einstellung
auch des modernen Menschen aus, und wenn wir
uns der „Ballonmütze" erinnern, die eine Zeillang
den Sozialdemokraten charakterisieren sollle, so
sehen wir auch in unserer Zeit den politischen
Charakter, den eine Kopfbedeckung haben kann.
Im übrigen ist uns heule der Hut der Bestandteil
einer Kleidung und eines Kostüms, das die je-
weilige Mode bestimmt, oder der Bestandteil einer
Uniform. Eine große Industrie ist mit seiner Her-
stellung beschäftigt, und als Damenhut besonders
spielt er in der Phantasie und Yorstellungswell
die alle Rolle und folgt den Voraussetzungen, die
noch zu allen Zeilen dieses Gebilde durch Künst-
ler und Handwerker haben hervorbringen helfen.
 
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