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Heidelberger Tagblatt — 1858/​1859 (Dezember 1858 bis Juni 1859)

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April
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https://doi.org/10.11588/diglit.3729#0357

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Heidelberger Tagblatt.

M.- 8«.

Erschein«, MontagS

'ich. Pret« mi.Nn,erha„ungSb-°n°>er'ei-

iährlich ä« lr.

" ' " " ' ' Jnsertiansgcbiihrcn sür »ie Sspal««« ,e.

Dienstag, 5. Aprtl Ntzn.e ad.r "ren^m wnren m,tI 8 r5D

Die Lage Piemonts

Berichte, die von wahrhcitsliebenven,
rmbefangcncn Männcrn >n P>e>nont, ja
v»n vaterlänvisch gesi""te» P>emonte,cn

ftlbst dierber aclanae», entwcrsen e»>

düsteres^e.rä-d'e vo" dem daselbst
grasstrendcn KriegstaEl u»d polrtrjchen
Schwindcl. Dic Ostgranze (gegen d.e
LombardcO gle'cht emem Feldlager; man
sicht sast mchts als Soldatcn und Kriegs-
.narerial. Oeffentlrche Gebäude, Schulen,
Svitäler, Kirchcn, besonders aber Klöstcr
und Häuser geistlicher Körperschaften wer-
den gcräumt und ihrer gewöhnlichen Be-
gi,n»>»ng entfremdct, um in Kasernen ver-
mandelt zu werden. Dcnnoch sind nicht
Räumlichkeitcn genug vvrhanden, mn die
Truppen unter Dach zu bringen; es lagcrn
daher hier und da Abtheilungen im Frcicn,
was bei der gegenwärtigen Jahreszcit dem
Gesundheitszustande der eng zusammenge-
drängten Massen nichts weniger als för-
derlich ist. Es gibt viele Kranke; beson-
ders aber leidcn die Pferde, mcist frisch
gekauftc, »icht abgchärtete und wenig ge-
schulte Remonten. Man kann stch por-
stcllcn, daß in solche» Vcrhältnisse» die
Einquarticrungslast bei dcm Landvvlke
a» der Grcnze und mehrere Meilen in's
Land hincin keine geringe ist. Dort ist
man auf den Grafen Cavour und ftinc
Großmachtspolitik bcgreiflich sehr unwirsch
und lacht dnr Leuten unter die Nase, die
von Angriffsgelüsten rede». Aber auch
das Militär ist verstimmt. Das ist eine
uatürlichc Folge des Frcischaarenunwesens.
Der piemontesische Soldat hat Manns-
zuchr und Korpsgeist, aber aus d.e Crociati,
die er schon vor 11 Jahre» kennen gelcrnt
hat ist er übel zu sprechcn. Garibaldi's
Vlusenmänner sind der Auswurf der Nach-
barländer, Vaaabunden unl ^trvlche, -^aii-
diten ähnlicher, als Soldaten- -- >e Aus-
gewandertcn sind voü Anmaßung, hoch-
fahrenden Sinncs, ungemeffen in ihren
Anspruchen und unerträglich i» rhren Be-
mühungen, als Märtyrer der guten Sache
gehätschelt und abgrlohnt zu wnden. Der-
jenige Theil der Flüchtlinqe, welcher den
besscrn Klaffen angehört, ist Aspirant auf
alle erledigtkN Offizicrstcllen und sperrt
die Beförderung für verdicnstvolle Leute
m der Linie. Es herrscht in dcm Heere
eine dumpfe Ergebung; gebildete Militär-
personen betrachten den Zustand der Trup-
prn mit Kopfschütteln und sagen, das sei
nicht das Material, um flegreiche Schlach-

tc» zu schlagcn. Am größte» ist dic Miß-
stimmung unter den Savoyarde». Dee
Einberufung der letzten Kontingcnte, me.st
aus Männcrn in reifcren Jahren und
Familienvätern bcstchend, hat böses Blnt
gcmacht. Noch stärkcr spricht sich die Ab-
neigung gegen das herrschcndc System im
Landvolk, unter dem Bürgerstande »nd de»
bcsitzcndcn Klaffen aus/ Jn der Civil-
bevölkcrung Picmonts herrscht wo möglich
»och größerer Widerwille gegen dcn Krieg,
als in Frankreich. Dic Steucrlast ist
nahezu unerschwinglich, Handel und Ge-
werbc stockcn, alle Arten von Besitz »nd
Gütern sind durch die Kriegsfurcht ent-
werthet, das Heer hat den größtcn Theil
der kräftigen Männer, fast 5 Prozent der
Bevolkerung, an sich gezogen, die Sehnen
sind bis zum Platzen gespannt. Ein Rück-
schlag scheint trotz alles Fanatismns un-
vermcidlich.

D eutschland.

Karlsruhe. 2. April. Hcutc ist cinc allcr-
höchstc Ordrc (Nr. 2S), ä. ll. Berlin, 28. «. M.
crschiencn, wodurch eincr Anzahl Angchöriger dcs gr.
ArmeccvrpS und dcr Gendarmcrie dic DicnstauSzctch-
nung für Unterofstzterc und Soldaten verliehen wird.

Karlsruh-e, 2. Aprtl. Das hcute erschtcnene
RcgterungSblatt Rr. 14 cnthält:

I. UnmittclbareallerhöchstcEntschlicßun-
gcn Sr. Königl. Hvhcit des GroßherzogS.
Dtcnstnachrtchten. (Schvn mitgcthctlt.)

II. Versügungcn und Bekanntmachungen

der Ministcrtcn. 1) Bekanntinachung deSgrvßh.
ZustizniinisteriuuiS i Dte CiptlrcchtSpfiege der AmtS-
gerichtc bctr. 2) Bekaniitinachuiig deS großh. Mtnt-
steriuniS des Znnern: Dic Pateiiterthctlung an Fr.
Weyrethcr aus Pforzhcim betr. (K. Z.)

Karlsruke, 2. Äpnl. Dtesen Nach-
mittag passirte Se. Maj. der König von
Württcmberg bel Höchstseincr Rückreise von
Nizza »ach Sttittgart hier durch.

Mannkeim, 1- April. Am 30. v. M.
begannen unter dcm Vorsitze des Großh.
Hofgerichtsrathes Ruth die Verhandlungen
gegen Johann Philipp Hack von Reicharts-
hause» wegen Tödtung, welche zwki Tage
in Anspruch „ahmen. Der Gegenstand
derselben war folgender: Am 22. Novbr.
v. I., Abends zwischen 7 und 8 Uhr,
fuhren der Angeklagte und Georg Mathias
Schmitt von Flinsbach, jeder m einem
leeren Wagen mit zwei Pferdrn; Ersterer
von Neckargemünd, Letztrrer von Mann-
heim hcimkehrrnd, aufder Chauffee zwischen
WieftnbachundWimmrrsbach.Dervoraus-
fahrendc Schmitt war attein, hei dem An-
geklagten befand sich der Bäckergeftlle
Phjlipp Adam Schilling, den jener ein-

geladen hatte, vas Fuhrweik znx Hnm-
fahrt nach RenihartShauscn z» bcnutzen.
Einc kurze Strcckc hintcr Wieftnbach vcr-
suchtc der Angcklagte, welchcr gleich fti„em
Begleiter gcgen die an jencm Abend herr-
schendc Kälte nur leicht gekleidct war,
und rasch nach Hause zu kommen wünschte,'
dem Schmitt vorzufahren, was dieser aber
mehrmals durch eine Wendung seiner
Pfcrde vereitelte. Der Angcklagte, hicr-
durch gereizt, überließ mit den Worten:
„cr wolle einmal den da vornen aus-
weichen lehren", dem Schilling die Zügel,
und stieg von seuicm Wagen auf den-
jenigen des Schmitt. Dort entspann sich
zwischen beidcn ein Kampf, in Fvlge dessen
Schmitt rücklings zum vorderen Theil des
Wagens über die Wage hinab auf die
Chauffee fiel und betäubt liegen blieb.
Dcr Angcklagte kijmmerte fich nicht weiter
. um ihn, bcstieg wieder seinen Wagen und
' suhr mit Schilling, dem er die Zügel ließ,
an dcm Wagcn des Schmitt vorbei nach
Hause. Bald nachher wurde Schmitt von
zwei über Wiescnbach nach Aglasterhausen
heimkehrcndeii Postittonen noch betäubt an
der Straße liegend aufgesunden. Diese
rüttelten ihn nnd boten ihm an, mit ihnen
;u fahrcn, was Schmitt jedoch, mit einer
Frage nach seinem Fuhrwcrke, ablebnte.
Die Postilloue überholten spätcr dicses
Fuhrwerk auf der Mitte zwischen Wiescn-
bach und Wimmersbach, und cs wurde
daffclbe auf ihre Veranlassung in das
Hirschwirthshaus von Wimmersbach ver-
bracht, wohin Schmitt bald zu Fußc »ach-
kam. Derselbe hielt sich dort bis 10
auf und fuhr dann nach Hauft ab.
dahin hatte cr mit dem Ausfthc» eines
Betrunkenen und mit Spurc» v»n vor-
hergegangenem Erbrcchcn, bctäubtan einem
Tischc geftsscn, die linke Seite des Kopfes
auf dcn Arm gestützt. I«> H'nausfahren
aus Wimmersbach ließ cr den Kopf auf
die Flechten scines Wagcns hängen, alS
ob er schliefe. Gegen 2 Uhr trat er in
bewußtloftm Zustandc zu Hause ein; Mor-
aens 7 Uhr war er eme Leichc. Die Leichcn-
hffnunq ergab, daß der Tod die uninittel-
bare Folge eines Knochensprungs an> Kopfe
und Blutcrgusses in der Schädelhöhle ge-
weftn war. Da nun bei dem Kampfe
zwischcn dem Angeklagten »nd Schmitt
nur der Zeuge Schilling zugegcn war,
welcher wegrn der herrschenden Dunkelheit
kcine deutlichen Wahrnehmungen machen
und nur angeben konnte, was während
des Streites zwischen Schmitt und dem
 
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