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Heidelberger Tagblatt — 1858/​1859 (Dezember 1858 bis Juni 1859)

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Juni
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https://doi.org/10.11588/diglit.3729#0637

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Heidelberger Tagblatt.

N..' 118. Dienftag, 28. Jnni 1839

iäbrlich 36 kr.

Üfer dcs
quarticr ist

Telegramme

Wien. 25. Juni. Dic kaiscrliche
Slrmcc ging am 23. v. an 4 vcrsch.cdcncn
Punctcn über den M.nc.o. Gcstcrn kam
cs am Chiese zu cincm hartnack.qcn zwvlf-
üündigen Kampf mit dnn uberlegencn
Feind. Dic Armcc zog sich auf das lrnke
Mincio zuruck. Das Haupt-
,n Villafranca.

Pnris, 25. Iuni. Der Kaiser an
dic Kaiserin. Cavriana, Freitag
Abcnd 9 Ilhr. Wir hatten cine große
Schlacht und großen Sieg. Die ganze
österrcichische Armee stand im Kainpfe.
Dic Tchlachtlinie hat eine Ausdehnung
von 5 iLtunden; wir nahmen alle Posi-
tionen, viele Kanonen, Fahnen, Gefangene.
Die Schlacht dauerte von 4 Uhr Morgens
bis 8 Uhr Abcnds.

(Cavriana liegt zwischen Castiglione
und Volta, zwei Stunden vom Mincio
rntfernt. Oestlich davon befindcn sich
Monzambano und Pozolo, welchc beidc
One für den Uebergang vom rechten auf
das linke Flußufer als günstig bczeichnct
werdcn; zwischcn beidcn licgt Borghetto
nnb auf dem andern Ufcr Valleggio, wo
em giinstiger Uebergangspunkt vom linken
aus das rechte Flußufer ist, und wo am
^ ?as östcrreichische Hauptqnartier
sich befand. Ob ciner dieser Orte vvn
den Franzosen besctzt worden ist, ist nicht
angegcben, dürste also bis auf wei-
tere -lflchten zu bezweifeln sein, eben
so ob mirklich dix östxrrcichischc

Armee, H^'Ptmacht sich nach friihe-
ren Nachrichten aus vem linken Mincio-
ufer befand, an demKampfe bethciligtwar.s

Paris, 25. Juni. Die franz ösisch <
Armee überschreitet dcn Mincio, um di,
Oesterreicher zu verfolgcn. Eine Divisior
der Armce von Puris geht nach ^italien, —
Eine Privatdepcsche gibt dcn Verlust dc,

Oestcrreicher auf 35,000 Kampfunfähig,
15,000 Gcfanqene. 16 Fahne» und 7k
Kanonen an. "

Paris, 26. J»ni. Der „Moniteur"
enthält eine Depesche dcs Kaisers aus
Eavriana, 25., Abends, worin cs heißt:
„Details über die Schlacht sind unmög-
lich schon jetzt zu gkben. Der Feind hat
sich biese Nacht zurückgezogen. Jch brachte
die Nacht ,'n demselben Zimmer zu, wclches
der Kaiser von Oesterreich am Morgen
der Schlacht bewohnt hatte. Gencral
Niel ist zum Marschall ernannt."

Rückblicke.

Was kriegskundige Stimmcn aller Lan-
der als eine Nothwendigkeit bezeichnetcn,
ist geschehcn; — die Ocstcreichcr haben
am mittlern Mincio die Offensive ergriffen
und den Franzosen eine Schlacht geliefert,
die wenigstens 12 Stundeii aichaucrte.

Sie ist verlorcn gegangen, dic Ver-
bündeten sind Sieger geblicben.

Wird sie crneuert werden? Tobt viel-
lcicht im Augenblicke, da wir dicse Zeilcn
schrcibcn, der Kampf auf den zleichen blut-
getränkten Gcfilden?

Im Bereichc dcs Möglichen läge dies.

Allcr Wahrschcinlichkcit stand von dcn
Oesterreichern, die an vier Punkten mit
je cinem Armeckorps dcn Mincio übcr-
schritten, nur eine Armee im Gcfecht,
während die andere beim nahcn Mantua
unberührt stehen dürfte, von den Franco-
Sardcn aber dürften, nach dcr langen
Dauer der Schlacht und der bisherigen
Zähigkcit der Kämpfe zu urthcilen, nur
der linke Fliigel unbcrührt geblieben seiü-
Auch ging dcis österrcichische Hauptquar-
ticr nach der Schlacht nicht über Villa
Franca zurück. Dcnnoch glauben wir
aniichmeii zu dürfcn, daß rine Wieder-
holung dcs Kampfes nicht stattgcfunden
habc. Es leitete zum ersten Male der
Kaiser, es leitete H eß die Schlacht. Da
findet sich nicht, wie bei Magenta ein
Gyulai als Sündenbock; die Armee muß
sich gestehcn, daß bei der besten, von ihr
selbst gewünschtcn Lcitung und ungcachtct
dcr eigenen in cinem tagelangen Kampfe
bewiesenen Tapferkeit der Sieg nicht er-
runqen werden konnte.

Die durch solche Betrachtuiig hcrvor-
gcrufcnc Stimmung läßt cs dcm kaiscr-
iichcn Obcrfeldhcrrn gcwiß nicht räthlich
sinden, auf cinen letzten Kampf den Rest
dcr Armee cinzusetzen, bevor dcr kampf-
crmüdete Thcil sich erholt hat.

Es handclt sich unseres Erachtens blos
um die Erwägung der nächsten Folgcn des
blutigen Zusammenstoßes.

Auf dein Schlachtfelde scheinen die-
sclben, so wcit sich überblicken läßt, nicht
allzu grvß gewcsen zu ftin. Dic Nach-
richt eincr Verfolguiig dcr Geschlagxnen
durch die Franzosn, schc'Nt französische
Privatcombinativn zu ftin; — uut ihr
reimt sich wedcr das Schweigcn Napvleons,
noch der Umstand, daß das österrcichische
Hauptquartier so nahe dem Mincio
und auf einem Platze geblieben ist, wel-

chcr ebcnsowohl Peöchiera, als Ve-
rona und Mantua schützt und bchcrrscht

Wird dassclbe hcute noch daselbst fti,, ?

Dics hängt wohl zunächft nur von der
Stimmung der Armeen ab.

Lcider glauben wir voraussctzen zu müs-
sen, daß die siegende sich jetzt unbe-
sieglich glaubt, daß die gcschlagene für
den erstcn Augenblick nicht genug Spann-
kraft aufbieten kann, uin einen kräftigen
Widerstand, am obern Mincio, zu leisten,
oder einen neuen Stoß auf den Feind zu
führen.

In dicscm Falle würden die schönen
Stclluiigen von Valeggio, Custozza
und vicllcicht Castelnuovo bald preis-
gegebcn werden und das erste Kampfobjekt
der Alliirten wäre das isolirte Pes ch iera,
wclches unftres Erachtens die Hälfte oder
eincn Drittel ihrer Armee und 3 Wochen
Zeit erforderte.

Im Lager sreilich wäre der mora-
lische Eickdruck ein unberechcnbarer,
zweifelsohne aber durchaus zu Ungunsten
dcr östcrreichischen Sachc.

So schwer diescs dcn Freunden der
deutschen Sache fallcn mag, so tief
sie die Freunde der dynastischen Jn-
tercssen krünkt, so wird sie doch un-
scres Erachtens für Deutschland von
großem Nutzcn sein. Die Bedenklichkeiten
und das Mißtrauen der kleinern deutschen
Bundesstaateu gegen die Führung des noch
unverletzten deutschen Großstaatcs wird
uiiseres Erachtens jetzt schon geschwunden
sein, wie der Dunst vor dcm Sonnen-
strahl; die Einigkeit und Einheit
Deutschlands i'n der gegenwärti-
gen Fragc wird verbürgt sein.

Ist aber Deutschland ciniq und wird
cs nicht den Antriebcn augenbkicklich wech-
selndcr Stimmungen, sondern einer be-
stimmten Jdee und eincm consequenten
Willen qehorchen, dann 'stes auch
stark und hat Nichtö zu fürchten.

Vom Kriegsschauplatz.

Verona, 19-Iuni. Gestern fand ,'n
^ HuuptHuartler zwelten
Armce, 'die Uebergabe des Armee-
Koinmandos zwischen Fcldzeugmeister
Graftn Gyulai und dcm Gencral der
Kavallcrie, Grafcn Schl'ck statt. Am
sclbcn Morgen verließ der erstere das
Hauptquartier Pozzolcngo und begab sich
nach Verona.
 
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