Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Tagblatt — 1858/​1859 (Dezember 1858 bis Juni 1859)

DOI Kapitel:
Mai
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3729#0505

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heidelberger Tagblatt.

sr ii6

Erscheint, Montag» auSgkn-mmen, t°g-

lich. Pr-i« mitUnicrhaltnng-bla« v-'r'el.
jährlich 36 kr.

Donnerstag, 19. Mai

Jnsertionsgebuhrrn sur die Zfp-lejgk Px.

titteile oter dercn Raum werben mit t-,.
berechnet.

18SS.

Napoleons letztes Streben.

Napoleon IH. ist znr Armcc abqercist.
Dicscr Schritt cnthüllt dcn vollcn schwcren
Ernst der Situation. Zndcm der Kaiser
der Franzosen stch ftlbcr an die Spitze
seines Heeres stcllt, macht cr den Kricg
"N vollstcn Sinne des Wortes zn seincr
eigenen Sachc, er kämpft für seinc per-
svnliche Ehrc, für die Daucr seiner Hcrr-
schaft, für scinc politische Eristcnz. Jn
dem Angcnblicke, wo Napoleon III. den
Bovcn Jtalicns bctritt, überschrcitet er
dcn Rubicon sciner Herrscherlaufbahn, und
das Fatmn bricht hinter ihm die Brücke
ab. Er muß vorwärts, er muß an das
Ziel der traditioncllcn Politik gclangcn,
oder üntergehcn. Er muß sich auf dem
Boden, wo der Napoleonismus zu seiner
Größc emporgewachsen, als ächter Nach-
solgcr Napoleons bcwähren, oder dcr Nim-
bus dicser Nachfolge, welcher die einzige
Stütze des ueuen Kaiserthums tst, ver-
fliegt und dieser Thron bricht zusammen.
Wenn Napoleon III. in diesem Kampfe
unterliegt, so kommt für ihn glcich beim
Beginnc der pcrsönlichen Kricgerlaufbahn
pik Katastrophe, welche Napoleon I. erst
am Ende seincs blutigen Wcltgangcs er-
eilte, dcr Moment nämltch/ wo nian
Frankreich von dem Kaiser der Franzosen
trcnnen wird, wo die Franzosen selber
ihr Geschick von dem des provisorischen
Herrschers sondcrn werden. Napolcon III.
muß also Allcs daran sctzen, «m scin
Programm durchzufuyren. Was enthält
abcr dicses Programm? Es ist stolz und
kühn verkündct worden: „Napoleon III
wlll Italien sich sclbcr wieder zurückgeben."
Mit andern Wvrten: Der Besitzstand in
Italicn soll geändert, dre Souveräne aus
nicht italienischcin Blute sollcn aus ihren

soll sich ftlbft wicder gegeben, die Ver-
träge von 1815 sollen zerriffen werdcn.

as ist Nlcht ein vereinzelter seindscligcr
Act gegcn Oestcrreich allcin, das ist cin
politischer Umsturz, der sich nicht blos anf
alle Staaten Jtaliens beschränkt, es ist
dcr Beginn der Durchführnng eines Ge-
waltprinzips, welches gegcn dcn Rcchts-
bestand aller Staaten Eüropas qerichtet
ist, welches darnach strebt, das Recht und
die Würde aller legitimen Dpnaftien un-
ter die Füße einer neucn Herrschgft zu
ftgen und die Völker EuropaS untcr die
Dormundschaft einer Persönlichkcft zu stel-
len, welche in eraltirter Herrschsucht und

fatalistischew Ehrgeiz sich berufcn glaubt,
die Wcltgeschichte in neue Bahncn zu
lenken. Oesterreich hat die verhängniß-
volle Bedcutung des Kampfes erkannt,
es tritt in denselbcn mit dem klaren Be-
wußtftin, daß es eincn Kampf aus Leben
und Tod gilt. Die Prinzipicn, für welche
Ocstcrreich in den Kampf gegangen ist,
könncn in eincm politischcn Nerus wie dcr
europäische nicht isolirt gedacht werden.
Das Recht, wclchcs Ocsterreich vcrtheidigt,
ist dic gemeinsame Grundlage drs ganzcn
Staatcngcbäudes von Europa. Wird die-
ses Fnndamcnt an einem Orte zertrümmert,
so pflanzt sich der Stvß nnd Riß fort und
das ganze Gebäude beginnt zu wanken.
Napoleon III- greift also nicht blos den
österrcichischen Kaiscrbau, er grcift das
gesammte Staatengebäude Europas an,
indem er einen Grundpfeiler deffelben
zertrümmern will.

Vom Kriegsscha>iplatz

Bern, 14. Mai. Auf dem Krieqs-
schauplatze sind in beiden Lagern Be-
wegungen vorgegangen, welche die Erwar-
tung nahe bcvorstehcnder ernster Schläge
bestärken. Epulai hat scin Hauptquar-
rier nach Mortara verlkgt, also so ziem-
lich hintcr dcn bcdeutend vcrstärktcn rcch-
ten Flügel. Oesterreichische Blätter schrei-
ben ihm die Absicht zu, von hicr aus eine
encrgische Offcnsivbewegung zn nnternch-
men, voraussctzcnd, die Po-Lsnie sei ge-
nügend garnirt, um einem Angriff auf seine
Flanke zu bcgegnen. Uns scheint cs da-
gegen immcr noch wahrschcinlichcr, daß
der österrcichische Feldhcrr hier, wie anf
der ganzen Linic, lcdiglich vertheidigungs-
wcise operirt, da Gpulai in seinem Rücken
nscht wcniger als sechs Drückenübergänge
übcr den Tessin: bei Buffalora, Abbiate-
grasso, Vigcvano, Visconti, Bercgnardv
und Pavia errichtct hat. Vom gleichen
defcnsiven Charakter und augenscheinlich
combinirt mit jenen Brückenschlägen ist
die Vorschiebung vcrstärktcr Truppenkräfte
aus der Festung Piaccnza gegcn Stradella
zu, auf dem rechten User des Po.

, Nach Berichtcn ans dcm österreichischen
L'ager vom 12. Mai warcn die Oesterrcichcr
50,000 Mann ftark übcr die Sesia qe-
gangen und hatten an dcr Eisenbahn west-
lich und südlich von Vercelli unter vcr-
schiedenen Vorpostcngefechtcn möglichst vicl
Zerstörungcn vorgcnommen, als dic Dc-
monstrationen des Feindes gcgen Piacenza

hin sie zu eincr rückgängige» Bcwegung
vermochten: „Ain 10. wurde der Rüchrua
aus dcm Grunde begonncn, weii pie
Franzosen mit dcr piemontcstschen Arince
in der Stärke von 180,000 Mann gegen
unsere Basis Piacpnza und Pavia opcrir-
tcn. In cinem Eilmarsche, der von früh
4 Uhr bis Nachts 1 Uhr dauerte, zogen
wir uns übcr Vercclli in die Stellung
bei Mortara zurück, nnd gestern fochten
»ie Unsrigcn glücklich bei Valenza, jcdoch
mit dem Verluste von einem Offizicr,
Lieutenant GrafSchaumburg und 39 Männ.
Die Gefcchte waren bis jetzt durchaus
lücklich siir nnscre Waffen. Gestcrn und
eute bivouakirten wir bci Mortara in
einem starken Regen, der unserc Lagcr-
plätze gänzlich durchnäßte, gllein auch dics,
sowie zwei Tage von Reis und Brod zu
leben, sind wir bereits gewöhnt."

Hauptquardier Lomello, 6. Mai.
Am gestrigen Tage fand ein Gefecht
jenseits der Sesia, gegenüber von Frassi-
netto statt; dcr schwierige Uebergang des
angeschwollcnen Flnsses wurde vön Oberst
Frhrn. v. Pnchncr (einem Sohn des
aus dcm nngarischen Krieg bckannteil

Generals) mit dem Linieninfanterieregimcnt
Erzherzog Karl Nr. 3 (Grenadierbataillon)
bewcrkstelligt, nnd gleichzeitig überschritt
einc halbc Raketenbatterie, ein Iug Uhlanen
und cine Sanitätspatrouille den Fluß.
Oberst v. PuchncrZand am jenseitigcn Ufer
cin Bataillon -Lrcharfschützen nnd vier
Gcschützc in vollkommcn gcdeckter Stcllung.
Ein hcftigcs Klcingewehr- und Kartätschen-
feucr cmpstng die muthigen Angreifer, nnd
der Kampf währte bis zur cinbrcchcndcn
Finsterniß. Bis Tagcsanbruch wurdc mit
Strcifpatrouillcn dft Umgegcnd durchsucht,
vom Feinde abcr r'eine wciterc Spur ent-
deckt. Mortara dcn 7. Mai. Hcute
Morgcns verlicßen wir LomeUo. Der
HauSherr, ein 80jähriger Greis, Advokat
Eorini, erinncrte uns beim Ubschixp^ pgß
hcute der Jahrcstag >ste "" dcin vor 60
Iahren in demselbcn ^chioß Melas, Su-
waroff nnd Prinz Eonstantin von Ruß-

land übernalbiet hatten, Die Straßcn
nach Tirrin si"d.qrößtcntheils untcrgrabcn
und nach Möglichkcit unbrauchbar gemacht.
Dic Briickc, vie nach Casale (Valenza?)
über dcn Po führt, wurdc von uns ge-
sprengt- Dnrch Mortara zog heute das

achtc Armeekorps mit dem Feldmarschall-
lisiitcnant Benedeck an der Spitze.

Vercelli, 8. Mai. Das Hauptquar-
tier langte heute über Caftel Agogna,
 
Annotationen