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Heidelberger Tagblatt — 1858/​1859 (Dezember 1858 bis Juni 1859)

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Juni
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https://doi.org/10.11588/diglit.3729#0559

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Hetdelberger Tagblatt.

Sr 128.

Er,chemt, MorUagS -uSgen°mm°n , t°g.

l'ch. Preis mitUnterhaltnngsblaNviertel

jährlich »6 kr.

Samstag, L. Zuni

Jnsertionsgebühren für die gspalijge Mx. . , .

ützeile vbrr deren Raum werden nüt Lkr 1 c<UD
bercchnct. " '

Äos. Mazzini an L Napoleon.

(Schluß.)

Sie mein Herr. kvvcrtcn dcn mißlcltcten
Arbeiter. mvcm Sic vcrsichcrtcn: L'c 'cicn
ein Kaiser dcsVolks, cinc Art von ncumodl-

schcmHrinrichvcmVicrtcn undwnrdcn ,hm
fortdauernde Beschast.gung, hohe Arbeits-

löhne und cin Huhn "" Tops verschaffen.
Aber ist "icht gcradc sctzt bas Huhn in
Frankreich theurcr? Sind die Hausmiethen
unv vie nothwcnvi.qsten Lebensmittcl nicht
qcsticqen? Sic haben neue Straßen ge-
bau. unv Verbiiidnngslinien gczogen, weil
Sic dabei ftratcgische Zwcckc ziir Volks-
unterdrückiing hatten; Sie habcn Paris
wicdcr umgebaut. Aber gehört die große
Maffe der Arbeitcr zu vem von Jhncn
bevorzugten Maurerhandwcrk? Können
Sie ohne Unterbrechung und immerfort
Paris und die größern Provinzialstädte
fortwährend umkehren, um dem Proletarier
eine Queüe der Arbeit und des Verdicnstes
zu verschaffen? Sie, mein Herr, rauntcn
der ebcnso leicht erschrcckten als leicht ver-
blendctenBourgeoisic phantastischeTräume
ins Ohr, machten die Erwartung regc,
daß vie gewcrbliche Thätigkeit sich ver-
doppeln werde, und stellten neuc Quellen
des Gewinns in Aussicht, Paradiese für
Waarenausfuhr und den Handelsverkehr
zwischen den Völkcrn. Wo sind sie? Das
productive Leben Frankreichs ist erstarrt,
hse Aufträge vermindcrn sich, und das Ca-
pital beginnt sich zurückzuziehen. Sie
babcn, wic jener Barbar, den Baum um-
gehauen, deffen Früchte Sie pflücken woll-
ten. Sie habcn in erkünstelter Weise eine
wilde, durch und durch uiisittliche, allcs
Veöspvecheude und nichtö haltende Specu-
lationsschwindelei immerfort angestachelt.

Sie babcn dnrch marktschreicrische Pro-
icktc die Sie ins riescnhafte aiifbanschten,
die ErsparNisse des klcinen Capitalistcn aus
allen Thcilen Frankrcichs nach Pans gelockt,
und haben die Capitall'en den cmzlg wahren
und danerhaftcii Quellcn des Natlonalreich-
thums, nämlich dem Ackerbau, den Ge-
werben und dcm Handel entzögen. D'cse
ersparten Gelder sind in pen Händen eMger
Dutzend Hauptspeculanten geblieben, odcr
in gränzcnlosem unergiebigcm Lurus ver-
schwendct worden, oder stin und vorstchtisi
außer Landes in Sicherheit gcbracht. Jä)
könnte m dieser Bezichung Mitglieder
Ihrcr Familie mit Namen aufführen. Die

Hälfte der Projectenmachkr ist schon in das

Nichts der Vcrgeffenheit hmabgesunken,

und Jhre künstlichcii Mittel habcn sich
erschöpst. Von niin an wird allcs, was
Sie thmi, um den finanzicllen Schwierig-
kei'ten und jenen Jhrer Lage zu begegnen,
nur eine wcitere Stufe zu dem verhäng-
ni'ßvottcn Abhang bilden, welchem Sie zu-
cilen. Bisher haben Sic aus Credit ge-
lebt, von einer langen Rcihe Anleihen,
abcr wcr bürgt Jhnen vasür, daß dieser
Credit ewig vorhalten wcrde? Rom und
Napolcon plündertcn cme Welt aus; Sie
können nur Frankreich plündern. Die
Hcere jcncr beidensiebten von Erobcriingen,
Sie aber können ni'cht und dürfen nicht
wagen solche zu nntcrnehmen. Die rö-
mischen Dictatoren und Jhr Oheim führ-
ten Eroberungsheere in Person an, Sie
Jhrcrscits lieben wohl auch goldstarrende
Paradcuniformcn, abcr ich möchte bczwei-
feln, daß Sie fähig söien auch nur einige
Bataillone anzuführen. Jn Frankreich
sagten Sie: ui» dcs Landes willen unter-
nchmen Sie den Kampf gegcn die Anar-
chie; die wahre, gemäßigte, ordentliche
Freiheit werde die bestc und ficherste
Bürgschaft unter der kaiserlichen Regicrung
finden; der Bonapartismus sei eine Zdce,
und zwar die Jdee des Fortschritts unter
einer starken centralifirenden Gewalt. Fcr-
ner crklärten Sie, daß die wahre von
Gott geschaffene Aristokratie, jene ver sich
crschließenden Talcntc und dcs Geistes,
untcr Jhnen das civilisirende Leben der
Nati'on besördern werde. Aber köimen
Sie auch nur einc Spur von Freiheit in
eincm Land aufwcisen, das Dank Zhnen!
unter die übrigen gesunken ist, wo Hun-
derte von Männcrn ün Gefängniß schmach-
ten, um nach Cayenne odcr Lambeffa de-
portirt zu werdcn, ohnc daß mit ihnen
auch nur cin geiichtlichcs Verhör vorge-
nommen wordcn wäre? Können Sie in
Zhrcm kai'serlichcn Frankrei'ch auch nnr
eine einzige unabhängige Zeitung auf-
weisen? Auch nur eine einzige Klasse
unabhängigcr Männer, der es ermvglichk
wäre, dcn Gedanken, Wünschcn und Bestre-
bungen des Landes Ausdruck zu geben? Ei-
n en einzigen Mann, der von seinen Lands-
leuten in eine Jhrer hohlen Scheinver-
sammlnngen gewählt werden könnte, ohne
im Voraus durch einen Eid sich verpflich-
tcn zu miissen, daß cr Zhre despotische
Herrschaft aufrecht erhalten wolle? Kön-
nen Sie nur einen einzigen wahrhaftigen
talentvollen und gesinnungstüchtigen Mann
nennen, der in Jhrem Rath säße, unv
dadurch Zhr verhaßtes Spstem anerkennte ?

Ncin! Sie stnd nie im Stand gewescn
eincn Minister, cme Stützc Jhrer' Politik
außerhalb dcs Krcises Jhrcr umnittelbaren

cw>-- -

Mitschiildi'gcii zu findcn. Von Thiers -u
Guizot, von Cousin zu Villemain, vvn
Michilet bis zu Zcan Reybaud, scheut das
mtcllectuclle Frankreich vor Jhrer Bcrüh-
rung zurück, wcil diese besudclt. Noch
vor Kurzem thaten sie vor Europa groß
dami't, daß Frankreichs Herz Jhr Herz
sei', und glücklich, rnhig unv ungestört,
Sie als scincn Retter und Heiland be-
grüße. Aber vor wem'gen Monaten er-
tönte ein Krach in der Straße Lcvellitier,
und dann crklärtcn Sie — vermittelst
Zhrcr brntalen und vom Schrecken ein-
gegebenen Zwangsmaßregelii, durch halb
drohende, halb flehende Appellationen an
Europa, dmch die militärischc Einthcilung
Frankrcichs — Sie erklärtcn, nachdem
Sie sicbcn Zahre lang cine uncingcschränktc
Gewalt gchandhabt mitHülfe einesHecres,
das allcs überwältigte, und nachdem Sie
die Nation von den Männern gelichtet,
die Jhncn Furcht cinflößten — Sie er-
klärtcn, vaß Sie nicht leben und nicht
hcrrschcn kömien, salls nicht Fraiikreich
in eine große Bastille nnd Europa in cin
großes kaiscrlichcs Pollzeiamt mngcwandclt
wcrde! Frankreich mag tief in den Staub
gctretcli sein, aber cs läßt sich nicht m
cinc Bastillc mnschaffen, unv Europa mag
nicht Zhretwegcn in eine Zweiganstalt
Zhrer corsischen Polizei nmgewandclt wcr-
den. Dcßhalb mcin Herr, übcn Sic Ent-
sagung, ffnken Sie nun wieder unter! ZhV
Kai'scrthum hat sich als cine Lügc heraus-
gcstcllt, und Lügen vcrdienen ver Vcr-
nichtung anheimziifallcn. Za, vas Kayer-
reich hat fich als einc Lüge erwicscn. Sie,
mein Herr, bilvctcn Vaffclbe nach vlhrem
cigencn Anaesicht. Zm Vcrlaufe des ver-

floffenen halben Jahrhunderts hat, mit Aus-

nahme Talleyrands, kcin Mann so viel
sielogen als Sic. Darüi liegt das Ge-
heünniß Jhrcr zcltwci'ligen Gewalt. Zn
einem sccptischcn jcrfahrencn Zeit-
alter wie dem unseren wcrden Lügen lcicht
qeqlaubt, aber sie halten nicht vor. Zn
Arenenberg sascksn ^Lie 1838, Sie wären,
wcil allc edle Seelen in die Verbannung
qejaqt ftien odcr von den Negierungen
verfolgt würden, stolz parauf zu der
Schaar der Geächteten zu gehvrcn. Scit-
hcr haben aber gerade Sie gegen dieselben
cine grausame Verfolgung organisirt. Als
im Jahre 1836, nach dem von Jhnen
verübten Straßburgcr Attentat, Ludwig
 
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