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Heidelberger Tagblatt — 1858/​1859 (Dezember 1858 bis Juni 1859)

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Juni
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https://doi.org/10.11588/diglit.3729#0560

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Phlllpp Sie nach Amerika schickte, erklär-
ten Sie, es sei Jhncn bewußt, vaß Sie
schuldig scicn; Sie sagten wciter, daß
Sie sich dmch sclne Großmuth und Milde
tief acrnhrt fühlten, und Sie übernahmen
die Verpflichtung, gcgen ihn nie mehr eine
Berschwörung anzuzetteln. Aber schon zwei
Jahre nachher conspirirten Sie czegen ihn
von der Schweiz aus und vier Iahre
später landetcn Sie in Boulognc.

Im Jahre 1848 eilten Sie nach Paris,
um sich unter die Fahne dcr Repnblik zu
stellcn, und der rcpublikani'schen Sache
vvlle Hingebung zn bczeigen. Noch in
dcmsclben Jahrc schricben Sie: „Jm An-
qesichte der Souveränetät der Nation kann
ich und will ich nichts in Anspruch nch-
mcn außer den Rechten eines französischen
Bürgers." Sie sprachen 1850 mit fcicr-
licher Betoniiiig: „Wenn die Verfaffung
Fchlcr hat und Gefahren in flch trägt, so
steht es bei euch di'eselbcn zu bescitigen.
Ich abcr haltc mich durch mcincn Eid
gebunden, streng innerhalb der von ihr
gezogenen Gränzeu mich zu bewegen."
Wenige Tagc vor dem Staatsstrciche von
1851 sagtcn Sie zur Armee: „Ich werdc
nichts von euch fordcrn, das übcr mcin
von der Verfaffung anerkanntes Recht hin-
ausginge." Und am 2. Dez. selbst, dem
Endcrgcl'niß Ihrer Usurpationsplanc, pro-
klamirten Sie: „es sei Ihre Pflicht die
Republik zu schützen." Abcr was kam
gleich darauf? Es kain die Vcrlctzung
aller Garantien. Es herrschtc der eine
ehrgeizige Willc, welcher sich an die
Stelle des gcsctzlich ansgesprochencn Wil-
lcns dcr Nation drängte; es kam nnter
Stromen von Blut die Berufung an die
brutalc Gewalt; es kam der uiicrbittlichc
Befchl an St. Arnaud; die Volksvertre-
tung wurde zersprengt oder vcrhaftet;
Gcneralc wurden vcrhaftet; Paris wurde
cincm durch Geld gewonncnen, aufgercg-
ten, berauschten, mitleidlosen Soldaten-
pöbel prcisgegcben. Das Feuer der Linie
und der flclotons wurdc gegcn einc un-
bewaffnete, unschädliche Volksmenge auf
dcn Boulevnrds gcrichtkt, nnb oin metho-

disches Niedernictzeln vcranstaltct, um die

Seelcn der venlnächstigen Stimmabgeber
mit Angst und Schreckcn z„ crfüllen. Es
fielcn 2652 Opfer, 08 Volksvertrcter
wurden geächtet, Tauscnde eingekcrkert
und viele ohne auch nur dic geringste
Form eines gesetzlichcn Berfahrens depor-
tirt; dann erst war der Trinmph vy^-
ständig und es erfolgte die Scheinwahl!
Ilnd Sie, inein Herr, k»nnten sich dcr
Hoffnung hingeben, daß eine Dpnastic sich
gründen ließc auf so systematischd buge,
auf solch einen Unterbau von Blut und
lleichen? Sie konnten glaubcn, daß die
vorübergehende ephemere Ehrfurcht el'ni'ger
auswärtigen Mächte, die nur den Erfolg
in Betracht zichen, aushalten werde gegell
das Kainszclchen, welches durch Gott und

die Gerechtigkeit auf Jhre Stirn gedrückt
ist? Hcrr, cs gibt etwas, das über dem
bloßen Erfolg steht: Gott! etwas, das
stärker ist als die einzelne Thatsache: das
Recht! etwas das höher steht als die
götzendicnerische Vcrehrung: die Zeit!
Vermögen Sic Gott vom Thron zu stoßen?
Können Sie das austilgen? Können Sie
die Zeit vernichten? Die Männer des
Rechts und der Freihei't haben die Jngui-
sition und das große Kaiserreich besiegt;
vcrlassen Sie sich darauf, mein Herr, daß
auch Sie besiegt werden!

Ioseph Mazzini."

Aom Kriegsschauplatz

Dic Kämpfe bei Vercelli haben am
30. und 31. begonnen. Bis setzt liegen
nur Tclegrammc aus dem alliirtcn Lager
dafür vor, welchr, wie sich von selbst
versteht, sehr ungünstig für die Ocster-
reicher lauten. Vicles darin bcdarf aber
sehr der Aufklärung. Das Telegramm
läßt die picmontesische Armee am 30.
über die Sesia gegangen sein, und mel-
det die Vertrcibung der Oesterreicher aus
Palcstro. Am 31. Morgens greifen die
Ocsterrcicher wieder die Sarvinier an
und sollcn versucht haben, sie am Ueber-
gang über den Fluß zu hindcrn. Ein
anderer Fluß als die Scsia kann incht
gemcint sein. Palestro ist so nahe bei
Vercclli, daß es unwahrschcinlich ist, daß
ein zweitcr Uebergang gcsucht wurde, nach-
deinTags znvor dcr bei Palestro angeblich
gcsichert und von der „piemontcsischcn
Armce" vollzogen war. Warcn die Pie-
montescn vielleicht am 30. Abcnds wieder
zurückgeworfen worden und verschweigen
dieß, wie sie verschwiegen, daß sie am
22. von FML. Zobel bei Villata obcrhalb
Vereelli wieder über die Sesia zurückge-
worfen wurden? Schon mehrmals kam
es vor, daß die Bnlletins nnr dcn schcin-
bar günstigen Anfang eincr nngünstig aus-
gefallenen Operation melveten. Auffallcnd
ist, daß der Verlust dcr Alliirtcn i« den
Gefcchten vom 30. und 31. noch gar keiiic
genaue Bezeichnung gefunden hat. Bei
den tapferen Zuaven aber wird es so
glatt nicht abgcgangen sein, als sie den
sehr stcilen Abhang stnrmten. Was die
„Wunder," die sie gethan, betrifft, so
zweifelt Niemand an der ganz ausgezeich-
ncten Tapferkeit dieser aus den verwc-
gensten Subjekten der französischen Ge-
scllschaft gcbildeten Truppe. Es mag aber
daran erinncrt werden, daß der erste Mo-
niteurbericht übcr das Treffcn von Mon-
tebello von „bewuiidcrlingswürdigen Char-
gcn" der piemontcsischen Reiterei sprach,
^aß sich aber nachher hcrausgestcllt hat,
aaß sie pon den österrcichischen Husa"u
bcinahe anfqeriebcn worvcn ist. Die P ic-
inontesen sagen von ihrcn dicsmaligcn
Verlusten gär Nichts; während sie die

^ß^^bichl'schxn Gefangenen bereits auf
die schöne Zahl Tauscnd und dl'e Ertränk-
400 abgezählt habcn, haben
ße uisyer keine Ziffer wedcr für ihre Ver-
luste bci Montebello, noch für die bei Pa-
lestro am 30., aoch sgx am zi, gx,
funden. Dic Zahi österr. Truppen

im neuesten Gefeckte auf 25,000 an-

gegeben; die Stärke dxr Alliirten dabei
wird nicht ""ffbllkben, mie ^ auch
noch jedc ofsizielle Angabe über ihrc Stärke
bci Montebello fehlt. Die Stärke der
Alliirtcn im ncuestcn Treffen kann übri-
gens nicht geringer als 25,000 Mann
gewesen sein, da Viktor Einanuel wohl
die Hauptn.acht der Picmontesen nn'i sich
führte und auch cine französische Division
zur Seite hatte. Einc bedeutendc Folge
schcint sich auch an diese neuerliwe so
glänzend geschildertc Begegnung nlcht ge-
knüpft zu haben; es wird nicht eüimal
von Vcrfolgung gesprochen.

Von Garibaldi ist in dem ncusten Tcle-
gramm nicht die Rede. Scine Erfolge
geben verschicdenen Blättcrn Anlaß zum
Tadel dcs österreichischcn Oberfeldherrn
wcgen leichtsinnigcr Sorglosigkcit und seiner
Sucht, die Truppen auf eincm Klumpen
zusammenzuhallen. Wie nachtheilig aber
anch das Bordringcn Garibaldi's und die
Nothwcndigkcit, ihm cin stärkcres Korps
entgcgenznstellcn. scin mag, so bürftc doch
erst der letzte Erfolg und die späterr Kennt-
niß der jetzt sv gut wie unbekannten tak-
tischen Aufstellungen zu einem Urtheil be-
fähigen.

Die franz. Korrespondeutcn äußern sich
schon ganz siegestrunkcn und sind ganz
sicher, daß sie am 15. in Mailand scin
werden. — In Casteggio wurde auf
dic Ocsterreichcr bei ihrem Rückzuge aus
cinem Hausc geschoffen. Sie nahmcn nach
Kriegögebrauch blutige Rache an den Ein-
wohnern.

Die „Allg. Z." schreibt: „Das Miß-
trauen gcgen die französischen Befrcier
grcift auch unter den italienischen Kon-
stitukionellen um sich. Wie aus glaub-
würdigcn Bricfcn von Turin erhcllt,
hcrrscht untcr den Sardinicrn einc von
Tag zu Tag stcigendc Erbitterung gegcn
dic Franzosen, welchc die Eingeborenen
mit der äußcrstcn Insolcnz bchandx>„ und
dic picmontcsischeu Soldatcn über die Achscl
ansehcn. Die unnatürliche Allianz ist nicht
wenigcr als herzlich, und ich übcrtrcibe
nicht, wenn ich versichcre, daß dcr größte
Thcil der sardinischen Bevölkcrung schon
jctzt wünscht, die Franzoscu wären nie
ins Land gekommen. Genug. Sie sind da,
und der Himmel weiß, wann wir ihrer
los sein werdrn.^

Deutschland.

Karlsruhe, 1. 3»ni. Durch allcrhöchste OrdreS
vom ZO. v. M. wtrd dcm Obcrstttcutcnant vvm Ar-
meekorps und RckrutiruiigSoffijicr deS BcztrkS Mann«
 
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