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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Januar
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LS.


Sonntag, 18. Zanuar


18KS.

Bestellungen auf die „Heidelberger
Zeilung" nebst Beilaae „Heidelber-
ger Familienblätter" für das mit 1.
Januar 1863 begonnene 1. Quartal
werdcn fortivährend anqenommen.

Die Expedition.

Ueber akademifche Gerichtsbarkeit.

(Schluß.)

Jch suchte gestern zu bcweisen, daß das aka-
demische Geftx in vielen Fällen zu streng ist,
als daß lhm IN aller Consequknz gefolgt wer-
den könnte. Wäre dieS die einziqe'Schatten-
seite, so könntc der „Philister" sich dabci be-
ruhigen. Laßt dann die Stndcnteii selbst uin
Aiishebung dieser besondcren Gerichlsbarkeit
peiitioniren. Allcin in anderen Fällen reicht
die Strenge wieder nicht aus, und der Schutz,
welchcn der Studcut >n seinen Gcsetzen sindet,
gibt ihm gerade dem Philister gegeuüber eiue
Ausiiahmestcllung dcr widerwärtigsten Art, aus
der selbst wieder die entgegengesetzten Folgen
desscn hervorgehen, was eigentlich beabsichtigt
war. Zch inkine damit hauptsächlich daS sog.
Schuldeiiedict. Der Student ist verpflichtet,
Schulden zu bezahlen, wenn sie gewisse
^umiiien nicht überschreiten, dtz^in
ez«K auf jeden Gläubiger besonders angr'ge-
n sind. Also dem Speiseivirth so viel, dein
uchhändler so viel, der WaHfrau soMel rc.
lle höheren Anforderuirgen sind durchaus
rechtlos. Nun weiß aber sedcr, dcr einer
Universität jemals nahe stand, daß diese Be-
stiinmnngen den Studentcii weber daran vcr.
hl'ndcrn, zu borgen, noch geborgt zu bekom-
men. Der ganze Unterschied besteht tarin,
daß man sich schriftlich auf Ehrenwort ver-
pflichten muß, an dcm und dem Tag die und
die Summc juriickzuerstatten. Und wenn man
das niin nicht kanu? daun wird der Ehren-
schein, so heißt jener Schuldbri'ef, verlängert,
und der junge Mann fühlt nicht einmal, daß
eine Ehrcnpflicht keinen Aufschub, welcher Art
er sei, verträgt, daß er also etwas gethan
hat, was er mit dicsem Bewußtsein stcherlich
weder sich noch einem Anderen crlaubte. Denn
der Studcnt hält etwas auf seine Ehre, und
cr muß eS thu», er, der jctzt schon Bevor-
zugte, der kiinflighin zu den ersten Stellungen
des Lcbens Bernfcnc, der Vcrtreter der einzi-
gen Aristokratie, bie allenfalls eine mchr als
blos herkömmliche Berechtigung besitzl, die
Aristokratie des Geistes. Wie aber Derjenige
sich rächt, welcher in die Berlängerung des
Ehrenscheines willigen muß, weil er doch sein

Geld nicht bekommt, das weiß man schon;
»nd es ist keine blvße Anekoote, wenn von
jenem Conditor einer süddeutschen Universität
erzählt wird, er habe eiust im Jrrthnm die
JahreSzahl 1854 als fl. 18. 54 kr. mit zu der
Nechnung hinzuaddirt. Das sinb Ausnahnien,
gewiß aber gerade solchen Leuten fällt der von
L-chulden bedrängte, von seincii Gesetzen schein-
bar geschützte Student zuerst in die Hände.
Jch hätte noch Manches auf dem Herzen,
allcin für diesesmal will ich es zurückhalten
und zum Schluffe nnr die Erklärung beifü-
gen, daß ich Niemand mit diesen beiden Ar-
tikeln zu nahe treten wollte, wcder Studenten,
noch deren Behörden, noch den ehrenwerthen
„Philistern;" daß ich am allerwcnigsten gegen
das wahre Zntereffe des Stlidknten selbst zu
schrciben beabsichligtc, wenn auch vielleicht
manches Wort ihm nicht behagen sölltc. Zch
war selbst Student und schvpfte däs hicr Ge-
sagte aus Erfahrungen, die ich in noch nicht
so lang vergangencr Zeit machte, um nicht
das akademische Leben noch warm im Herzen
zu tragen.

* Politische Uinschau.

Die Beiträge für dic beabsichtigte Grün-
dung der „kathol. Universität Deutschlaiids"
cntsprrche» biS jetzt, wie man dem „Sch. M.»
schreibt, keineswegs den Envartungen der Ur-
heber dieses Projects. Es sind bis jetzt trvtz
aüer Aufriifc und Aufmunterungen erst einige
tausend Gulden gezeichnet, uiid dies nur von
den Spitzen der Partei selbst; die Maffe dcr
Katholiken ist, wie zu erwarten stanv, der
Sache ganz fremd geblieben.

Die hcuti'gen Berliner Morgenblätler fiuden
einstimmig i» der Thronredc keine Versöhnung.
Der Lcitartikel der „Spen. Ztg." bemerkt uber
dieselbe, man vermiffe die Angabe der Wege
zur Verständigling; a» die Verfaffung appeilire
der Rundschauer so gut, wie v. Forckenbeck;
die Regierung stehe ersterem näher. Vermißt
werde ferner ein Antrag auf Jiidemnisatioii,
eine Sielle wegen Schleswig-Holstkins, und
ein Paragraph üver die auSwärtigen Ver-
hältniffe. — Die „Nat.-Ztg." sagt, dic Thron-
rede sei vicllcicht die inhaltloseste unv lrockenste
seit 15 Jahren; gegen sie sei die Schllißrede
vom 13. Octvber tröstlich und constitultoncll
zu nennen.

Die österreichische Nkgierung hat die Sub-
vention für das germauische Museum von
980 fl. auf die Summc vvn 2000 fl. erhöht.

Man schreibl der „France" aus Corfu vom

4. Jan.: Der Handelsstand ist gegen die Ab-
tretnng der jonischen Zaseln. Zu einer am
2. abgehaltenen Vkrsaiiimlung hat der Chef
eines dcr bkdeutendste» hicsigm Häuscr das
Wort' ergriffen und dargcthan, daß die ciigli-
schen Soloaten monatlich 12,000 Pf. St.,
also jährlich 144,000 Pf. St., die Verwaltung
40,000, die FortisicaiionSdireciio» 60,000 aus-
geben, daß die Matrosen der Kriegsschiffe dort
ihren Sold verzchren und baß feruer der Gou-
verneur, dic Beamtcn, die englischen auf Nei-
sen befiiidlichcn Familien daselbst ganz bedeu-
tende Suminen ausgcben, die man allcs in
aUkui wvhl auf 13 Mill. Fr. vcranschlagcn
köune; all das würde mit Aufhören des eng-
lischcn Prvlcctorats verlorcn gchcn, und das
erste Bebiirfniß der Zonier sei zu leben und
nicht eine künstliche Unabhängigkcit zu erringen.
Auf diese Ncdc hin wurde der Vorschlag, eine
Dankadreffc an die englifche Regierung zu er-
laffen, verworsen.

Nach dcr „Gaz. de France" hat Franz II.
zahlreiche Dkpntationen aus allen Provinzen
Ncapels empfangen. Auch'aus anderwcitig
kingktroffencn Nachrichte» geht hecvor, baß
die Boiirbonifche Parlei in Snditalien stark
im Wachscn ist.

Zn Ncapel drangen dic Studenten i'» die
Druckerci des anli'-italiciiischen Zournals „Na-
poli", zerstörtcn die Preffe unv wurden an
weiteren Gcwaltthaten nur durch die herbei-
gckoininciie Polizci vcrhindert.

Die „France" meldet aus Konstantiiuipel,
daß die Turkei, von Englanb dazn aiigcspornk,
sich zu kiiieni Krieg vorzubereitcn schienr. Nuß-
land, wird wciter bchauptck, befchiildige die
Türkei, daß sie die Bewegung in Circaffien
schüre, iiidein sie Hülfe dahin scnde.

Die Briganten in Gri'echcnland hasirn einrn
jniigen Maun gkfangeu, sür den sie 70,000
Drachinen Löiegelb vcrlangen.

Der Enthusiasmus für den Prinzcn Alfred
dauert in Griechenlanv ungeschwächt fvrt. Dec
knglische Gcsandte bereist die Jnseln des Ar-
chipels.

Ruffische Truppe» concentriren sich in Beff-
arabien; Couza zicht seine Truppen bei Ca-
lafat zusainmcn.

Die „Tinics" bringen heute zwei Leitar-
tikel, in welchen sie dem alncrikanischeu Nor-
den recht dringend ans Herz legen, so balv wie
möglich mit dem Süden Frieden zu schließen,
da an eine Besiegung der Conföderirten ja
doch nicht zu benkcn sei.

Der vcrhängmßbolle Wespcnstich.

Bom Polizci-Direktor Dr. Stteber.

(Schluß.)

Zn diesem Augcublick schoß cin leuchtcnder Blitz
auS den Augen dcs Criminal-Dircctors. Er rcckte
seine hobe stattliche Gcstalt mächtig cmpor, dann
crwitcrte er, indcm er vor den rothcn Rathshcrrn
hintrat und ihn mit scinem stcchcndcn Blick sast
durchbohrte: „Mcin Herr, ich will Zhrc Wißbc-
gicrdc baid bcfriedigen; der Mann ist ins Waffer
gcstoßcn worden, er ist ermordet; dcr Mörder tst
nicmand anderer als dcr rothc RathSherr, dcr dte
Gerechtigkeit GottcS hcrauSfordert, indcm er dte
Frcchhcit hat, hicr dem Gcricht an der Leichc scincs !
Öpfers beizuwohncn." !

E>n allgcmcincS Stauncn trat cin.

Einigc Sckundcn lang herrschte seicrlichc Tod-
tcnstille, wrlche schaurlg durch daS Kratzcn der j
Sägc unterbrochcn wurde, mit wclcher dcr Lhtrurg
cben dcn Hirnschädcl dcs Vcrstorbencn zu öffnen f
im Bcgriffe «ar. Da erhob stch dcr Bürgcrmeistcr,
roth vor Zorn: „Hcrr Lriminal-Dircctor, ich pro- '

tcstire im Namen des ganzen Magistrats, wclchcn
ich zu vcrtrcten die Ehre habc, gegcn die Belcidi-
gung, wclchc Sie unferem gcachteten Collcgcn zu-
sügcn. Auf Grund wclcher Beweisc wollcn Sie
cinc so schwere Beschuldigung hicr amtlich und ös-
fentlich auszusprcchen wagen?"

! Ein höhnischcS Lachcln umspieltc die Lippcn des
! Lriminal-Dircctors, wahrend der Nathshcrr selbst
! starr vor Schreck glcich dcm wchrloscn Vogcl stand,
i «elchen der Blick dcr Klappcrschlange festgcbannt
! hat. Der erstcre hob dcn linkcn Zcigcsinger der
Leiche cmpor, bog 1>en Nagcl dessclbcn zurück, und
! siehe da, ties tn das Flcisch hinein war untcr dcm
Nagcl ein kurzes fuchSrothes Haar elngcklemmt,
wclches mit förmllchem Glanze deutlich hcrvor-
lcuchtcte.

„Eristtrt Jemand ln dicser Stadt außer dcm
RathShcrrn, weicher solches Haar hat?" fragte fci-
erlich der Lriminal-Director. — „Rein!" crscholl
eS glctchzcitig von allen Seiten.

Verlcgen schwieg bcr Bürgermcistcr, ohnmächtig,
blctch »or Schrccken stürztc dcr Rathsherr zur Erdc.
Jn dcr NLHe deS KainzeichenS, welchcS der Lri-
mtnal-Director nnnmehr den Anwesendcn zelgte,

und in welches genau dic Nägcl der Lciche paßten,
fehltc dcm Dcllnqucntcn unmerkbar cin Büfchel
scinrr rothcn Haare.

Wir wollcn dcn Lcser nicht lange crmüdcn. Dcr
NathShcrr wurde sofort vcrhastct. Jn dcr Nacht
lcgte cr daS Gcständniß ab. Er hatte scincn Frcund
auf cincm hcimlichcn Spazicrgangc nach kurzem
Kampfe absichtiich tns Waffcr gcstoßen. DaS Mo-
ti» war die Hcirath dcrjungcmMündcltn des RathS-
herrn mit bcm Sohne dcS Ermordetcn.

Dcr RathShcrr hattc daS Vermögen dcrselbcn,
welches allcin dcm Ermordctcn gcnau bckannt ge-
wescn war, vcriiiitrcut, dcr Ermordrte hattc wiedcr-
holt Rechnungsablcgung gcsordcrt, der VcrlobungS-
tag war endlich nach vlclcn auswcichcndcn Entschul-
dlgungcn als lctzter Tcrmin anbcraumt wordcn.
Dcm RalhShrrrn drohte Entchrung und Unter-
gang, cr zog cS also vor, cin Mördcr zu werdcn.
Er glanbte scinc Sachc ga»z schlau gcmacht zu
habcn. Slchcrlich wäre cr cntwischt, wcnn dcrver-
hängnißvolle WcSpcnstich nicht gckommcn ware„

Er crhängte fich schon nach zwci Tagcn im Ge-
fängniß, so daß man zn glcichcr Zeit zwei Leichcn,
frcilich untcr schr »crschiedenen Rmständcn, zu be-
 
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