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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Februar
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Utidtlberger Itilung.

N ; 27.


Sonntag, L. Februar

ZasertioaSgrbLhren für die Sspaltige Pttit-
zeile werbea mit 3 kr. berrchark.

18«3.

* Politische Umschau.

Die deutsche Civilproceßcommisfion hat den
Staal- und Justizmiuister Dr. Windhorst cin-
stimwig zu ihrem Ehrenprästdenten gewählt,
welchcr diescs Ehrenamt angenommen.

Cine heute bckannl gemachte kursürstlich
hesstsche Orbre bringt eine früyerc Ordre in
Erinnerung, wonach Mililärö den Bart nicht
so tragen dürsen, daß Schnurr- und Backen-
bart zusammenwachsen.

Nach der „Norbbeutschen Allgemeinen Ztg."
vom gestrigen wäre es mehr als wahrschein-
lich, baß der Köuig bie Abresse des Abgcvrd-
nctcnhauses annimml, dagegen aber die Ueber-
reichung derselben durch elne Depulalion ab-
lehnt. Gegenübcr anderen Nachrichten, ver«
sichert daö nämliche Blait, baß weber eine
Auflvsung noch cine Vcrtagung der Kammer
in Frage gekommen sei.

„Moruingpost" bestätigt, daß der Fürst von
Leiningcn als Candibat sür ben griech. Thron
vorgeschlagen werve; „Timeö" dagegen meldel,
ber Herzog von Coburg habe angenommen,
werde in Alhen residiren, bas Herzvgthum
Coburg aber nicht aufgeben.

„TimeS" sagen, Polen sei noch so unglück-
lich wie in srüheren Tagen, während in an-
deren Ländern Vicles sich verbessert habe. Der
Ausstand werbe bald unterbrückt sein und ma»
werbe von Hinrichtungen uird Verweisungen
nach Sibirien hören, als Repressalie» sür die
Handlungen eines durch frembc Soldatcn tp-
rannpsirten Volkes, das seine Söhne nicht
aus bem Lanbc schleppen laffen wolle. Gewiß
sci es aber, baß Europa wieder seinen Blick
aus Polen richte» müffe, unb daß ei»e Fuston
wil ben Ruffen heute eben so unmöglich als
vor 30 Jahren sei.

Der Times-Correspondcnt meldet aus Ale-
^andrien, bei der von den Franzosen ange-
stellten Menscheujagd seien Schwarze von ben
Straßen von Cairo weggesangen und an Borb
der „Seine" gebracht worben; die Polizei habe
denselben nicht einmal gestattet, von ihren
Familien Abschied zu nehmen. Eine zwcite
Razzia, die beabsichtigt war, habe der Protest
der Consuln für Oesterreich, Englanb und
Amerika verhindert; bie Regieruag antwortcte,
sie habe nur aus sranzösische Requisition ge-
handelt uud keine Zdee bavon geyabt, badei
etwas JUegales zu thun.

Zwischen ber italienischen und dcr spanischen
Rcgierung svll sich, seit dem letzten Minister-
wcchsel in Madrid, eine Annäherung vorbe-
rciten. Die Frage der Anerkennuiig des König-

reichs Jtalien würde in nächster Zeit in Ma-
drid wieder aufgenommen werven. Einstweilen
hat die italienische Regierung alle in Jtalien
reisenden Spanier von ber Pflicht, einen
Neisepaß vorzuzcigen, besreit.

Nach der Fcance soll die europäische Com-
missio» am S. Februar in Belgrad zusam-
mentresen; sie wird über folgendc Punkle zu
entscheiben haben: Gränzbestimmung dcr Fe-
stung Belgrad; Bestimmung der Entschävi-
gungssumme, welche die serbische Regierung
ben erpropriirten Bcwohnern des türkischen
Quartiers bezahlen soü; Bcstimmung dcr An-
zahl türkischer Truppen, welche die Garnison
Belgrads bilden werben.

Deutschland

Karlsruhe, 30. J-nuar. Se. Löntgl. Hohilt dei
Giopheizog habin uateim 20. Zau. 1863 dcu Mlni-
steiialiath Tiögei aus siin unleilhänigstes Ansuchen der
Stelle einiS MttgliedeS der Ceniralstellc sür die Landwirth-
schast zu enthibcn geruht.

Berlin, 27. Januar. Abgeordnetenhaus.
(Schluß.) v. Unruh beginnt unter ber leb-
hasleu Bewegung, welche dic Reve des Mini-
sterpräsidenlen hervorgerusen, cine längere
Verlheibigung des Majoritätsentwurfs. Er
bcleuchtet die Bersaffnngsverletzung und be-
streitet bie Zbenlilät ber Krone unb ber Mi-
nistcr. Dic Versaffung crlaube gegen die
Minister die Anklage, gegcn ben König sei
dsese Handlung Hochverrath. Der Redner
widerlcgt die Rede des Ministerpräsidenten,
in so weit diese dem Hause den Vorwurs ciner
Ueberschreitung seiner Befugniffe macht. Die
Armcereorganisation sei nicht der Grund des
ConfiicteS, soadern das Ei, aus welchem die
Neaciion hervorgekrochen. Die Lage des Vater-
landes sei so ernst und trübe wie vor 14
Zahren, da ber Redncr zum letzten Male an
diesem Platze gcstanden habe, nur mit dem
Untcrschiede, daß damals die besitzcnden Clafsen
das Ministerium mit dankbarem Blick für Er-
rettung auö Drangsalen ansah; heute sei dies
anderS. Man möge sich hüten, den Rechts-
bruch zu vcrcwigen, es könne cin Ncgimcnt
aus ber Basis des gegcuwärtigen 10 auch 15
Zahre dauern, abcr die Krone werde eö »ie-
mals stärken; daher müffe man mit aller Kraft
dagegen arbeiten, denn Necht werbe doch Recht
bleiben. Darum sind nicht unsere Gegner die
Stützen der Dpnastie, unser Spstem, baS sich
aus das Recht stützt, wird siegen. Ob wir
mit ben grauen Haaren den Tag des Sieges
crlcbcn werben, bleiht dahingestcllt, allein bie
Zukunft ist unser! (Beisall links.) Gras

Schwerin: Es war eigentlich meine Absicht,
mich gegen jcde Adreffe zu erklären; allein
das, was ich aus dem Munde deö Herrn
Ministerprästdenten gehört, nöthigt mich, einen
Protest vorausjlischickenz ich hade das Hans
vor Angriffe» gcgen Ueberschreilung seiner Be-
fugniffe zu schützen, solche liegen nicht vor.
(Beifall.) Dic Rcde des Mintsterpräsibenten,
den ich bedauere nicht auf seinem, Platze zu
schen, culminirte in bem Satze: „Wer die
Macht hat, hat daS Recht; redet, beschließt
Zhr, was Jhr wollt, wir werden thun, was
wir wollen." (Lkbhafter Beifall.) Das aber
ist nicht Rccht und Gesctz in Preußen; auf
den umgekehrten Satz, auf Wahrung des Rechts
hat sich Preußens Größe yusgebaut, uud auf
der Basis deö Rechts wird es stark bleibcn,
wenn längst nicht mehr über diesc Dinge gc-
stritten wirb. (Stürmisches dreimaliges Bravo
von allen Seiten.) Zur >sache erklärl sich
der Redner gegen die Abreffe. Es sei kcine
Zeit in biesem Augeiidlicke, und auch die Form,
welche der Mehrheitscntwurf gewählt, nichl
die rechte. Redner sucht nicht allein die Schuld
des Conflictes bei dem Ministcrium, die Schuld
liege zum Theil in der Politik der Demon-
strativn und Agitation; man müffe suchen,
versöhnlich zu wirken, und tie Adreffe werde
den Confiict eher verschärfen als lösen. Will
man eine Abreffe, so empsehle sich zumeist der
Vincke'sche Entwurf wegen seiner mäßigcn
Sprache und praktischeu Lorschläge. — Der
Ministerpräsident, der inzwischen wieder ein-
getrelen, bedauert, den Anfang der letzten Rede
versäumt zu haben; man habe ihm berichtet,
er sei angegriffen worben, weil er gesagt habe:
Wcr die Macht hat, ha« das Recht; das habe
er »icht gesagt, sondern nur auf eine Theorie
der Entwicklung von Compromiß und Couflict
verwicsen. Graf Schwerin bemerkt, er habe
gesagt, bie Rcbe bes Ministerpräsidenten cul-
minire in bem Satze: „Wcr bie Macht hat rc.",
unv dabei blcibe er stehen. — Hierauf wird
die Debatte vcrtagt.

Berlin, 28. Ja„. Jm Abgeordnetenhause
ward heute die Adreßdebatte nnter gleich star-
ker Betheiligung dcs Publikums wie gcstern
fortgesetzt. Am Ministcrtische sind zu Ansang
der Sitzung nur anwesend der Zustizminister
und der Ackerbauminister. Das Wort erhält
zuerst zur allgcmeinen Debatte der Abg. Tw e-
st en. Es sei, beginnt der Nedner, vor AUem
zu bedenken, daß die Abneigung gegen eine
Abreffe im Allgemeinen zum Schweigen gc-
bracht sei durch die ungerechkcn Anschuldigiin-
gen, welche gegen dies Haus geschlcudert wor-

Wahlmanöver.

Bci den tm vorigen Zahrc in O. stattgehabien
Wahlen dcr prcuß. Laudtags-Abgcordnetcii wurde
folgendcr Vorfall erzählt:

Mcdicinalrath P .... in M.. hattc einen Pa-
tienten, eincn chriichcn Zimmermann, in dem letz-
tcn Stadium der Lungcnsucht zu bchandcln; —
der Arzt war ein außcrordentlich frommcr Mann,
ein Uitramontaner vom reinstcn Waffer, — der
Zimmerinann war eS nicht, dcshalb unterhielt cr
fich stets nur übcr das Nothwendigstc mit ihn,, cr
hielt es nicht für nöthig, mchr zu sprechen, er war
ihm in jedcr Hinficht ein vcrlorner Mann. Dcsto
mehr sprach die Frau mit dcm Arzte, fie war aus
einer Familie von der Gegenpartci — ihr Vater
und zwci Brüdcr waren cntschiedcne Fortschritts-
männcr — fie wirkte, obglcich eine Frau — cifrig
in dicscm Sinne und verschwendcte j-derzeit ver-
gcblich »iele Worte dem Arzte gegenübcr, der sie
stcts lächclnd anhörte, ohne Gegrnvcrsuche zu ma-
chen, da er gleich bei der -rstcn Unterhaltung von
dcm fcsten und entschiedcnen Sinne und Charaktrr
dcr Frau sich übcrzeugt hattc.

Sie.hatte mehrmals gegcn drn Arzt geäußert,
wie schr sie eS bedaure, daß ihr Mann zu krank
wäre, um der nahc bevorstchcnden Wahl beiwoh-
nen zu können, um dcm wahrcn VolkSfreunde und
FortschrittSmannc D... seinc Stimme zu gcbcn.

Dcr Mcdicinalrath warb sür den Candidaten
der Ultramontancn M. und bcdaucrtc sonach nicht
den gcringen Ersolg sciner Bcmühungen bei dem
Zimincrmaun, dcn cr ja doch nicht für seine Par-
tei gewonncn haben würbe.

An dcm lktzten Tage dcr Abftimmung fand der
Mcdicinalrath scincn Paticntcn völlig angezogen
und im Begriffe anSzugchcn.

„Was soll daS bedcuicn?" rief er ihm zu, „Sie
verlaffcn ohne melne Eriaubniß daS Bett? Fühlcn
Sie dcnn nicht, wie krank, wie sehr krank Sie
find? Jcder Schritt aus dem Krankenzimmer kann
Zhnen das Leben kostcn!"

„Ach likber Herr Mcdicinalrath", entgcgneieder
Krankc in kurzen, abgrbrochencn SLtzen mit schr
schwacher, heisercr Stimme: „Zch hade die Zcit be-
nutzt, da meine Frau wegen cinem nothwendigen
Geschäste, das sich »icht aufschieben läßt, auSgc-
gangen ist und habe mich durch meinen Wärter ,

ankleiden laffcn. Die Ungeduld und das Bcrlan-
gen, meinc Psticht zu thun, machten mich kränkcr
alS ich bi.i, — ich brcnn« »or Begierde, mcine
Stimme bci dcr Abgcordnetenwahl cbcnfalls ab-
zugeben, unb da hcutc, wie Sic ja wiffcn, dcr lctzte
Tag ist, so muß ich heute allcrdings —"

„Nein, nein, das ist nichtS, mein Vcrchrtester",
untcrbrach ihn rasch Ler Arzt: „daS kann nicht scin,
ich kann Jhnen unmöglich cin solches Wagestück
überlaffcn und Ihncn durchaus nicht mit gutcm
Gewiffcn gcstattcn, auSzugchen. Jch darf cs nicht
«rlauben, — eS gcht nichi — eS ist nichts — cs ist
schlechterdings unmögllch!"

„Zch will auch nicht zu Fuße gchen", erwiderte
der Zimmermann, indem cr sjch wcgen allzugroßer
Schwäche an dcr Lchnc eines StuhlcS haltcn mußte,
„ich habc meincn Wärtcr nach eincm Wagcn ge-
schickt, und wärc wohl- schon auf dcm Wcge nach
dcm Wahllocal, wenn er nicht so lange auf sich
wartcn licße."

„Es ist gut und ein wahres Glück für Sie", ver-
setztc der Medicinalrath, „daß cr sv lange zögerte.
Sie würden sich wahrhaft muthwillig um daS Le-
bcn bringen. Mein Gewiffen, meine Psticht ver-
 
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